Ein Geschichtenerzähler mit Herz und Humor
Rafik Schami erzählte Geschichten. Foto: Gisela Stübing
Lesung in Holzkirchen
Rafik Schami – ein Name mit Anziehungskraft. Der deutsch-syrische Autor tourt gegenwärtig mit seinem Programm “Ich wollte nur Geschichten erzählen” kreuz und quer durch Deutschland. Von Norden kommend machte er jetzt einen Zwischenstopp in Holzkirchen und begeisterte Jung und Alt mit seinen meisterhaften Erzählungen.
Cornelia Engl von der Holzkirchner Bücherecke, die gemeinsam mit dem Arbeitskreis Ökumene vor Ort den Bestsellerautor und begnadeten Geschichtenerzähler eingeladen hatte, bedankte sich bei Rafik Schami für sein Kommen und freute sich über die Zuhörerschaft in der schon lange ausverkauften evangelischen Segenskirche. Musikalisch feinfühlig umrahmt wurde der Abend von Christine Meier an der Gitarre und Johanna und Iris Betzinger (Hackbrett und Flöte).
Christine Meier, Johanna Betzinger und Iris Betzinger (v.l.) Foto: Gisela Stübing
Erzählende Lesung als “Ohrfilm”
Er braucht kein Buch, eigentlich auch keinen Tisch, nur ein Mikrofon, damit seine Geschichten ankommen können. Er erzählt munter und frei, liest seinen Text nicht ab, sondern praktiziert höchst kunstvoll eine mündliche Erzähltradition. Das ist kein auswendig gelernter Text, der einfach nur vorgetragen oder rezitiert wird. Zuhören wird dem entspannten und doch konzentrierten Publikum leicht gemacht. Schnell laufen die Episoden vor dem inneren Auge wie ein Film ab. Lebendige und faszinierende Einblicke in die arabische Lebens- und Gedankenwelt verbindet Schami heiter mit einer intensiven, offenen Liebe für seine zweite Heimat, Deutschland.
Rakik Schami mit Stephanie Doenecke vom Literaturkreis Holzkirchen. Foto: Gisela Stübing
Demütigung durch die Zensur
Immer wieder kommt der promovierte Chemiker, der nach erfolgreichen Jahren bei einem bekannten Konzern in Deutschland doch der Literatur den Vorzug gab, auf eines seiner Hauptthemen zurück: die entmutigende und demütigende Wirkung von Zensur. Als der 18-Jährige noch in Damaskus lebte, machte er erste Erfahrungen mit der “Hässlichkeit” von staatlicher Willkür. “In Syrien haben wir 15 Geheimdienste, in Deutschland nur einen. Da ist Deutschland ein Entwicklungsland”, erklärt er augenzwinkernd. Und hat die Lacher auf seiner Seite.
Nicht mit erhobenem Zeigefinger will er seine Zuhörer unterhalten oder belehren. Er erzählt mit Hingabe von seinem Leben in der geliebten Heimatstadt Damaskus, seinem Elternhaus in einer christlichen Familie, dem wunderbaren Innenhof, wo die Familie sich traf und die so wichtige Gastfreundschaft pflegte. Ganz nebenbei schafft er so Verständnis für die arabische Kultur. Und doch musste er sein Land verlassen, um nach dem Studium dem Militärdienst zu entgehen.
Humor ist der Schmuggler von schweren Gedanken
Dieser Satz trägt ihn durch das Leben. Denn nur durch Humor kann man sich dem Zerstörerischen widersetzen. Politische und religiöse Missstände, Glaube und Aberglaube in den arabischen Ländern, die tief im Gedächtnis der Menschen verwurzelten Traditionen, verstärkten die Rückständigkeit. Eine große Portion Skepsis für die Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israelis bescheinigt Rafik Schami in unserem Gespräch.
Rafik Schami in der Segenskirche. Foto: Gisela Stübing
Humor braucht er aber auch in Deutschland. Er berichtet von seinen Anfängen bei ersten Lesungen. “Da kamen nur vier bis fünf Personen.” Geduld sei gefragt, Zutrauen ins eigene Können. Aber das hat er. Schnell lernte er Deutsch, als fünfte Sprache nach Aramäisch, Arabisch, Französisch und Englisch. Er beschäftigte sich intensiv mit deutscher Literatur, vor allem Thomas Manns Buddenbrooks haben es ihm angetan. Humorvoll weist er auf das deutsche “Tüfteln” hin. “Die Deutschen haben sogar das dritte Geschlecht. Das Fräulein wird jetzt noch erweitert durch ein Sternchen.” Erheiterung im Publikum.
Exil als Rettung
Schließlich kommt Schami wieder zurück zum Anfang. “Exil ist bitter, aber für mich war es die Rettung.” Auch wenn die Wüste für den Besucher noch so schön und romantisch sei, sie sei kilometerweit nur gelb. Genau wie sie, sei die alles beherrschende Sippe lebensfeindlich und unsolidarisch. In der Wüste wie auch in der arabischen Gesellschaft sei “Demokratie ein Flachbau”. Und so mischen sich zwischen die zum Lachen anregenden Anekdoten immer wieder ernste, nachdenklich machende Passagen.
Geschichten zum Mitnehmen
Und weil das Publikum so anhaltend und frenetisch klatschte, gab es noch eine “Geschichte zum Mitnehmen”, wie er sie schelmisch nannte. Auch wenn man sich nicht alles merken könne, ein bisschen etwas bleibe doch hängen. So erklärte uns der Meistererzähler, warum für Araber weder Geburtsort noch Geburtsdatum von Bedeutung seien. Wenn man das Datum wüsste, würde man ja immer älter. Seinen Geburtstag etwa verlegten Vater, Mutter, Großmutter auf unterschiedliche Tage und Monate. Welcher der richtige war, darüber ließ uns Rafik Schami im Unklaren.
Cornelia Engl mit Rafik Schami. Foto: Gisela Stübing
Cornelia Engl schloss den Abend mit einem Schlusszitat aus Schamis Buch “Ich wollte nur Geschichten erzählen”, durch das er uns so heiter und spannend geführt hatte. “Geduld und Humor sind zwei Kamele, mit denen du jede Wüste durchqueren kannst.”