Digitalisierte Welt – Segen oder Fluch?
Referent Ralf Wintergerst (links) und Prof. Wilhelm Vossenkuhl. Foto: Karin Sommer
Vortrag in Weissach
Unser Auto parkt alleine ein, das Smartphone erspart uns den Weg ins Geschäft. Die Vorteile liegen auf der Hand. Wo stecken aber die Gefahren der digitalisierten Welt und wie können wir uns schützen? Interessante Antworten gab es im „Korbinians Kolleg“ im Hotel Bachmair Weissach.
250 Besucher waren der Einladung Korbinian Kohlers in sein Hotel Bachmair Weissach in Rottach-Egern zu einem Vortrag mit dem brandheissen Thema „über die gesellschaftlichen Folgen der digitalen Innovation“ gefolgt.
In seiner Begrüßungsrede freute sich der Hotelbesitzer über seinen persönlichen Bezug zu den Referenten. Hatte er doch gemeinsam mit Ralf Wintergerst damals bei Wilhelm Vossenkuhl Philosophie studiert. Damals bedeutete noch, sich in einer Gruppe von 20 Studenten persönlich zu öffnen. Der promovierte Philosoph Vossenkuhl hielt die Einführungsrede wie auch in den vorangegangenen Veranstaltungen des „Korbinian Kollegs“, einer Vortragsreihe, mit der das Hotel seine Pforten dem breiten Publikum öffnet, um Fragen der Zeit zu diskutieren.
Wirtschaft, Philosophie und Karate
Der bekannte Münchner Philosoph skizzierte die aktuelle Situation, in der wir von unserem Smartphone unentwegt mit Informationen versorgt werden und warf die Frage auf, was denn mit unseren Daten passiere, mit denen wir das Netz täglich fütterten. Er machte die Zuschauer neugierig auf den Vortragenden Ralf Wintergerst, den er als disziplinierten Menschen beschrieb, der nicht nur Wirtschaftswissenschaft und Philosophie studierte hatte, sondern auch viermal deutscher Karatemeister war und sich 1990 in Athen den Europameistertitel holte.
Zahlreiche Zuhörer beim Korbinians Kolleg zum Thema Digitalisierung und Sicherheit. Foto: Karin Sommer
Ralf Wintergerst, dem soviel Lob beihnahe peinlich war, begann seinen Vortrag damit, darüber zu berichten, dass er sein Smartphone vergessen hatte und er somit auch keinen Zugang zu seiner digitalen Assistentin Alexa hatte. Und schon war das Publikum mittendrin in den Höhen und Tiefen der digitalen Welt.
Rasante Entwicklung der Digitalisierung
Er wies darauf hin, wie rasant die Digitalisierung in den letzten Jahrzehnten vonstatten gegangen war. Von Schallplatten zu CDs, die vom „downloaden“ abgelöst wurden, das jetzt bereits wieder dem „streaming“ weicht, und das innerhalb von dreißig Jahren. Soziale Medien gab es vor 20 Jahren noch nicht. Und das „messaging“, also die vielen Möglichkeiten des Sendens von Nachrichten, ist noch eine sehr junge Möglichkeit der Kommunikation. Die meisten Menschen im Saal kaufen bei „Amazon“ und geben damit ihre Daten, die sie bei der Bezahlung hinterlegen, frei.
Plattformen wie „Google“, „Apple“ oder der chinesische Riese „Alibaba“ sitzen zwischen den Produkten verkaufenden Firmen und dem Endkunden, und nehmen aufgrund der Datenkontrolle eine gewaltige Machtposition ein.
Cyber-Attacken und die Idealisierung des digitalen Wunders
Ralf Wintergerst führte sein Publikum gekonnt durch Berichte über die sich ständig erhöhende Anzahl von Cyber- Angriffen auf wichtige Infrastrukturen, wie den auf die deutsche Bahn vor zwei Jahren, bei dem plötzlich die Abfahrtszeiten wieder auf Kreidetafeln standen. Er zeigte auf, dass unser Gefühl von Kontrolle, das gute Gefühl, das wir bekommen, wenn wir uns so gut vernetzt fühlen, eine Idealisierung der Digitalisierung darstellt.
Korbinian Kohler (rechts im Bild) dankt dem Referenten Ralf Wintergerst. Foto: Karin Sommer
Die Digitalisierung hat laut dem Vortragenden in kurzer Zeit unser persönliches Leben, aber auch die Wirtschaft und die Politik verändert. In einer immer stärker digitalisierten, vernetzten Welt helfen physische Grenzen und ihr Schutz nur mehr sehr bedingt. Die Sicherheitspolitik der Staaten sei eine andere geworden und die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern wäre so wichtig wie nie, um wirtschaftlich sowie politisch bestehen zu können.
Wie können wir uns schützen?
Ralf Wintergerst überläßt einem Kurzfilm die Bühne, in dem ein Roboter forsch über unebenen Waldboden schreitet. Manchmal wackelt er ein bisschen ungeschickt, aber ohne, wie seine Vorgängergeneration, umzufallen. Er wirft Fragen über zukünftige Arbeitsplätze auf, über das Verhältnis Mensch und Maschine und darüber, wie wir uns den Schutz vorstellen, in dieser gigantisch wachsenden digitalisierten Welt. Nach all der Information und den durchlebten Gänsehautmomenten, brauchte das Publikum gegen Ende des Vortrags einen Ansatzpunkt zur Veränderung. Ralf Wintergerst blieb ihn nicht schuldig.
Schon diesen Frühling dürfen wir damit rechnen, dass „Verimi“ auf den Markt kommt. Zehn deutsche Konzerne haben sich zusammengeschlossen, um dem Endverbraucher dabei zu helfen, seine Daten zu schützen. Ein beruhigendes Gefühl in Zeiten, in denen jeder Einzelne gefragt ist zu denken, zu hinterfragen. Obwohl auch „Verimi“ das nicht für uns übernehmen wird, genauso wenig wie die Wirtschaft oder der Staat.
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