Reifeprozess durch Begegnungen
Krasi, die Dame in Rot und die zwei Ahmads. Foto: Monika Ziegler
Theater in Bad Tölz
Mit „Begegnungen“ hat das Theater Spektrum ein einzigartiges und beispielhaftes Projekt vorgestellt: Einheimische und Flüchtlinge stehen gemeinsam auf der Bühne des Alten Madlschule in Bad Tölz. Die gespielten Szenen spiegeln unsere Gesellschaft und es finden Veränderungen statt.
Das dichte Gedränge zur Premiere am Sonntag Abend zeigte das große Interesse der Bevölkerung an dieser Projekt, das von Rita Knollmann, Leiterin des BRK Mehrgenerationenhauses in Bad Tölz initiiert wurde. Die Weyarnerin, bekannt durch ihr Engagement im Circus Velowe, wollte zum Thema Integration mehr machen als das Übliche.
Durch die finanzielle Unterstützung im Rahmen „Zusammenhalt stärken – Integration fördern“ durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Integration wurde aus der Vision Realität. Der renommierte Theaterpädagoge Matthias Ebert aus Iffeldorf wurde gewonnen und interessierte Mitspieler fanden sich schnell. Gemeinsam schrieb man die Texte zu den einzelnen Szenen.
In der Amtsstube mit Peter. Foto: Monika Ziegler
Nach neun Monaten Proben mit den Darstellern aus Syrien, Afghanistan, Bulgarien und Bayern, unter ihnen auch ein Behinderter, durfte ein begeistertes Publikum erleben, wie Flüchtlinge und Einheimische miteinander umgehen, wie aber auch Familienleben vor sich geht. Das Ganze wurde gewürzt mit der Musik von Luisa Eberth und Michael Schöne, ergänzt durch Krasimira, die „Dame in Rot“, die wie ein roter Faden durch das Programm führt.
Was am Anfang wie unzusammenhängende Blitzlichter auf unsere Gesellschaft wirkt, ordnet sich sehr schnell zu einem harmonischem Gefüge, denn jeder Darsteller hat eine Rolle. Da ist die männerfeindliche Seniorin Lilo, die keinen Arzt duldet, „Sie können mir nicht helfen“. Anlass für ihre Männer abweisende Haltung ist vermutlich Schwiegersohn Peter, ein echtes Ekelpaket, Bürokrat bis zum Scheitel, der Flüchtlinge so behandelt, wie es hoffentlich nur ganz selten in Amtsstuben vorkommt.
Normalo Reiner mit seiner Frau Lora. Foto: Monika Ziegler
Seine Frau Sabine ist zwar nett, aber gedankenlos, serviert den muslimischen Freunden ihres Sohnes Salamipizza und befreit sich letztendlich von ihrem alten, traurigen Leben. Traurig ist auch das Leben von Normalo Reiner, Ignorant und Wegseher, joggend und Smartphone süchtig. Auch seine Frau Lora ist eng mit dem Wischteil verbunden, erteilt aber freundlich Deutschunterricht, glücklich ist auch sie nicht in ihrem Leben als Migrantin fern der Heimat.
Nach dem Fußball mit Franz. Foto: Monika Ziegler
Dieses Schicksal teil sie mit den zwei Ahmads und Mohammed. Berührend das Telefonat Ahmads mit der Mama: „Ich will zurück“, „Hier ist Krieg, du schaffst es.“ Und ebenso bewegend die Aussage „Ich bin einsam, will arbeiten und darf nicht.“ Über Franz, Sohn von Peter und Sabine, erfahren die Flüchtlinge durch den Fußball Freude und Gemeinschaft. Und auch der einsame Arzt Dr. Maria Ernst erlebt Glücksmomente, wenn ihm die anstrengend redselige Anni Nudelsuppe vorbeibringt.
Walter und Lilo. Foto: Monika Ziegler
Walter bringt das Thema Behinderung ins Spiel und wie gedankenlos Menschen damit umgehen. So ist das gesamte Stück eine Folge von sehr unterschiedlichen Begegnungen, die dem Zuschauer einen Spiegel vorhalten. Wie erlebt man Begegnung in der Familie, wie mit Freunden und mit dem Anderssein. Der Reifungsprozess der Personen durch die Begegnungen ist klar heraus gearbeitet und so freut sich das Publikum diebisch, dass auch der verknöcherte Peter am Ende mittanzt.
Das ansprechend gestaltete Begleitheft enthält Beiträge aller Mitwirkenden, die ihr Verhältnis zu ihrer Figur erläutern: Ahmad (Ahmad Jeham), Peter (Anselm von Huene), Walter (Bernhard Obermüller), Lora (Irina Tocheva), Lilo (Irmgard Martin), Franz (Johannes Faller), Dr. Maria Ernst (Klaus Loy), Krasi (Krasimira Todorova), Reiner (Manuel Schwarz), Mohammad (Mohammad Noori) Anni (Renate Siegl), Sabine (Rita Gnegel), Luisa Eberth (Komposition, Gesang, Piano), Michael Schöne (Kontrabass), Matthias Eberth (Regie).