10. Reithamer Gespräche: Wachstum und Suffizienz?
Biolandwirt Markus Bogner erklärt das „Nachhaltigkeitsdreieck“ . Foto: Petra Kurbjuhn
Bei den 10. Reithamer Gesprächen war das Podium wieder hochkarätig besetzt – mit Menschen aus der Region, die das Thema aus verschiedenen Gründen und Sichtweisen bewegt. „Wachstum und Suffizienz“ statt „Wachstum oder Suffizienz“ – war die Frage.
Gegensätzlich sind die Themen, die Monika Ziegler, Initiatorin und Moderatorin der Reithamer Gespräche, auswählt. Damit eine spannende, lebhafte Diskussion in Gang kommt, die mehrere Seiten zugleich beleuchtet. Diesjährig, zur Jubiläumsveranstaltung, bildeten die Reithamer Gespräche einen zentralen Programmpunkt in der Veranstaltungsreihe „Anders Wachsen“, welche die promovierte Physikerin als gemeinsames Projekt von Kulturvision e.V. mit dem KBW und Kultur im Oberbräu initiiert hat.
Der Begriff des Wachstums ist insbesondere durch das Wirtschaftswachstum negativ besetzt, geradezu kontaminiert, war man sich schnell einig. Aber welche Formen des „guten Wachstums“ gibt es eigentlich? Zwei provokative Fragen eingangs: Gibt es im Gegenzug dazu auch „schädliche Suffizienz“? Und, muss ein schlechtes Gewissen haben, wer sich dem Wachstum verweigert?
Nachhaltigkeitsbegriff im Forst geprägt
Olaf von Löwis of Menar, Erster Bürgermeister von Holzkirchen, sprach davon, dass es ganz ohne Wachstum nicht ginge in den Kommunen. Aber es bräuchte ein Wachstum, dass sich nach der Qualität richte. Lebensqualität könne durch ein gezieltes, kontrolliertes Wachstum optimiert werden. In der Diskussion ging es vor allem um den Wohnungsbau. Wachstum ja, aber vernünftig, und so weit es geht, ökologisch. Von Löwis berufliche Wurzeln liegen im Forst, wo der Begriff der Nachhaltigkeit überhaupt entstanden ist.
Olaf von Löwis of Menar im Podium. Foto: Petra Kurbjuhn
Biobauer Markus Bogner aus Holz überraschte das Publikum mit dem Nachhaltigkeitsdreieck, dass er bei Entscheidungen befragt: Familie, Boarhof, Hofladen sind seine drei persönlichen Eck-Elemente, die für Soziales, Ökologie und Ökonomie stehen. Das Optimum ist, wenn das Dreieck im ausgewogenen Verhältnis liegt. Sein Credo: „Glücklich ist, wer nicht mehr braucht.“ Das steht für ein Leben des „Genug“. Das Wirtschaftswachstum hat den Fehler, keinen Zielpunkt zu haben, es geht lediglich um das „mehr“. Das Ziel von Wachstum aber muss Suffizienz sein, so Bogner. Kürzlich ist sein Buch „Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen“ erschienen, ein kluges, interessantes und vor allem sehr praktisches Buch. Auch Hanne Hartl führt ein genügsames Leben. In ihren kleinen Laden nach Holzkirchen fährt sie von Valley aus mit dem Radl. Sie hat sich gegen ein Leben mit Auto entschieden, heizt zu Hause ihren Küchenofen, den sie auch als Herd benutzt und hat sich zum Teil aus der Geldwirtschaft zurück gezogen durch Eigenanbau und Tierhaltung. Was sie nicht verschenkt, tauscht sie, und sagt „Ich muss nicht wachsen!“.
Kunst als konterrevolutionäre Zelle innerhalb des Wachstums
Mit Georg Brinkies hatte Monika Ziegler einen Künstler eingeladen, der sich auch auf selbstverständliche und tiefgründige Weise mit Philosophie und Religionswissenschaften beschäftigt. Er forderte das Publikum auf, Antworten auf die Welt zu finden. Das Instrument dazu könne die Kunst sein, die kein Wachstum kennt, nur Annäherung an eine Qualität. Wachstum führe nach „Transhumanien“, sagt er, und Kunst sei eine konterrevolutionäre Zelle innerhalb des Wachstums. Zugleich machte jedoch er auch Hoffnung mit dem Zitat Hölderlins „Wo Gefahr ist, wächst auch das Retten.“
Im Podium: Olaf von Löwis of Menar, Markus Bogner, Hanne Hartl, Georg Brinkies, Franziska Gräfin von Drechsel (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Franziska Gräfin von Drechsel, Vorsitzende des Hospizkreis Miesbach, fragt „Was macht glücklich?“ und bringt auf den Punkt, wie wichtig das innere Wachstum ist. Auch das bedeute Suffizienz. Und dass man insbesondere an Krisen wachse. Die Hospizbewegung befand das Publikum, sei etwas, wo Wachstum sehr wünschenswert sei. Wachstum und Suffizienz schließe sich nicht aus, auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt. Die Frage ist, welche Art von Wachstum ist ein „gutes Wachstum“ – die Antwort: dezentral und qualitativ. Und ein inneres, genügsames, gesundes Wachstum. Damit sei auch der Begriff gerettet, dem „Wachstum“ seine Würde zurück gegeben, befand Monika Ziegler abschließend.
Franziska Gräfin von Drechsel . Foto: Petra Kurbjuhn
Und was wären die Reithamer Gespräche ohne die musikalische Begleitung vom Zither Manä? Manä hat mit seinem Spiel und seinen Liedern die Themen und unterschiedlichen Blickweisen fein untermalt und zusammengefasst. Und weil Zehn so eine schöne Zahl ist, soll es nun auch bei den 10. Reithamer Gesprächen bleiben. Aber keine Sorge, Monika Ziegler hat bereits ein neues Gesprächsformat in Planung!