Kunst ist immer erhaben
Riccardo Milazzo erzählt in feinen Linien Geschichten. Foto: Ines Wagner
Ausstellung in Rottach-Egern
Schwere Tüten, Rotes Tuch, Gewitterwolken, Eigenlob. Die Bilderwelt von Riccardo Milazzo ist so vielfältig wie deren poetischen Titel. Mit „NUMBER ONE“ gibt es nun die erste Einzelausstellung des Rottacher Künstlers im Seeforum zu sehen.
Alles beginnt mit einer Linie, die verschlingt sich mäandernd zu einer zweiten, wird ein Herz, eine Frau, ihr Haar. Das Gesicht bleibt ganz Linie, das Haar füllt sich mit den Empfindungen, Gedanken, Träumen der Frau. „Wimmelbilder“, sagt Riccardo, würden manche Besucher diese Art seiner Bilder nennen, so wie in den Kinderbüchern.
Silvias wunderschöne lange Haare
Und tatsächlich wimmelt es in Silvias Haaren, wirbeln Ideen, Wünsche, Fragen, Erinnerungen durcheinander, machen die Frau aus, die Silvia heißt, deren Züge kühn und klar sind und dennoch vage bleiben. Die Wimmelbilder sind mit Bleistift gezeichnet, fein und präzise. Der Graphit gestattet Schattierungen. Plastisch treten kleine Details zutage, Muscheln im Sand etwa. „Da hatte ich Sehnsucht nach dem Meer“, sagt Riccardo.
Künstler Riccardo Milazzo vor seinen Bildern im Seeforum. Foto: Ines Wagner
Seine Bilder entstehen während des Malens. Er beginnt mit einer Linie und schaut, was sie mit ihm macht. Je nach Stimmung entstehen sehr komplexe Bilder, in denen ein ganzer Kosmos steckt, voller Details. Dann wieder sehr klare, fast an Piktogramme erinnernde Grafiken aus wenigen Strichen von starker Symbolkraft. Mit nur einer Linie stellt er Zusammenhänge dar, zwischenmenschliche Befindlichkeiten, Liebe, Kommunikation, Respekt, wie etwa in der Serie „Group Dynamics“. In den letzten Monaten sind viele Zeichnungen dieser Art entstanden. Das heißt aber keineswegs, dass er sich darauf jetzt festlegt. Alles kann gleichzeitig entstehen. Er folgt seinen Empfindungen, lässt sich dorthin leiten, wohin die Kunst ihn führt. „Manche Leute nennen es Kommunikation zwischen Natur und Mensch, Universum und Mensch, oder Gott und Mensch“, erklärt er. Das sei das Geheimnis, die Mystik an der Kunst.
Befreiung von der Illusion, Kunst zu kontrollieren
Riccardo Milazzo – geheimnisvole Acrylmalerei (Ausschnitt). Foto: Ines Wagner
Die Natur selbst schafft wunderschöne Kunst. Nicht jeder vermag das so wahrzunehmen. Aber auch Werke der Korrosion und des Verfalls sind Zeichen der Schönheit, wie etwa die zerfressene Patina einer rostenden Tonne oder eine Mauer, von der Farbe abblättert. Riccardos künstlerische Auge erfasst solche Details liebevoll, sie fließen ein in seine Arbeiten. Das sieht man insbesondere an den großformatigen Acrylbildern, die sich so gänzlich unterscheiden von den feinen Bleistift- und Pigmenttuschezeichnungen.
Die Acrylbilder sind Sommerbilder. Sie entstehen in der Garage, weil er dann Platz braucht für ausladende Bewegungen, für ein Loslassen von jeglicher Art von Kontrolle, die man vielleicht über das entstehende Bild übernehmen wollte. Statt dessen überlässt er sich ganz der Intuition, befreit sich von der Illusion, der Kontrollierende zu sein. „Der Künstler ist selbst Teil des Ganzen“, sagt er, und die Kunst sei erhaben, ein nicht kontrollierbares, göttliches Prinzip.
Spielraum für verschiedene Interpretationsweisen
Es ist seine bescheidene, feinfühlige Art, ganz in den Hintergrund seiner Kunst zu treten, damit sie wirken kann. Seine Bilder sollen so offen sein, dass sie unterschiedlich gelesen werden können. Riccardos Familie ist ein wichtiger Hintergrund, weil man sich gegenseitig unterstützt und inspiriert. Die Künstlerfamilie Milazzo mit Mutter Waltraud, Vater Gaetano, Ricc und Schwester Pina hatte 2014 zum ersten Mal eine gemeinsame Ausstellung in Agatharied.
Riccardo Milazzo im Gespräch mit Besuchern der Ausstellung. Foto: Ines Wagner
Ja, und dann ist da noch der Tegernsee selbst, Ort der Ruhe, an dem der Künstler Inspiration findet und Kraft aus der Stille gewinnt. Zur Vernissage am Samstag im Seeforum waren viele Besucher gekommen, Riccardos erste Soloausstellung zu sehen und die Künstlerfamilie Milazzo zu begrüßen. Die Ausstellung ist noch bis zum 28.2.2016 jeweils 14-18 Uhr im Seeforum Rottach-Egern zu sehen.
die vorwitzigen Raben (Ausschnitt). Foto: Ines Wagner