Rolf Brandthaus ist ein Beispiel für mehrere unfreiwillige Spurwechsel, einen, der durch ein Fiasko erzeugt wurde und einen, der durch Krankheit bedingt war. Diese Geschichte beweist, dass auch in solchen Fällen ein gelingendes Leben möglich sein kann. Wenn man die nötige Energie aufbringt.
Der heute fast 60-Jährige stammt aus Freiburg und studierte Elektrotechnik. Das war selbstverständlich, weil der Vater diesen Beruf hatte. Aber schon bald war er furchtbar enttäuscht von der Anonymität des Studienbetriebes, bei dem der Professor nur auf dem Bildschirm erschien. „Ich wollte was Praktisches machen“, erzählt er und ging mit seiner Frau nach München. Das gemeinsame Hobby, die Reiterei, brachte ihn zunächst auf die Idee Tiermedizin zu studieren, aber durch einen Job in einem Ingenieurbüro kam er der damals ganz neuen Informationstechnik nahe. Er schrieb sich im ersten Studiengang ein und war nach seinem Abschluss zwanzig Jahre lang in einem erfolgreichen Unternehmen tätig. Als dies an Japaner verkauft wurde, machte er sich selbständig. Marketing und Vertrieb, das waren seine Arbeitsfelder und Perfektionismus seine Arbeitsweise. Durch die Zusammenarbeit mit einem italienischen Unternehmen aber lernte er etwas Neues. „Ich hatte eine tolle Präsentation gemacht, aber die haben lieber Kaffee getrunken und geredet.“ Damals begriff er, dass die menschliche Komponente im Berufsleben entscheidend ist.
Er ist fest davon überzeugt, dass man fachliche Kompetenz lernen kann, aber die Chemie unter den Mitarbeitern, die muss stimmen. Diese Erfahrung nutzte er in seiner eigenen Unternehmensberatung, insbesondere wenn es um Einstellungen ging. Er selbst aber nutzte dieses Wissen nicht, als er einen Kompagnon einstellen musste. „Es war eine Verzweiflungstat“, erzählt er, notwendig durch eine Expansion, denn Rolf Brandthaus hatte eine neue Software für Betriebswirtschaft kleiner Unternehmen entwickelt. Der Kompagnon machte sich mit der Software aus dem Staube und Brandthaus verlor alles. Nicht nur die Firma, auch sein schönes Haus in Osterwarngau. „Aber ich habe mich selber aus dem Schlamassel gezogen und von vorn angefangen“, erzählt er. Einfach sei es nicht gewesen, eine neue Unternehmensberatungsfirma aufzubauen und so nahm er dankbar das Angebot einer Freiburger Firma an, als Angestellter deren Produkte in Bayern zu vertreten.
Diese Entspannungsphase brachte ihm das, was typisch ist nach großen Belastungen: den Herzinfarkt. Nach einer Rehabilitation konnte er wieder arbeiten, aber nach zwei weiteren Jahren folgte der Totalzusammenbruch. Mit schwersten Herzrhythmusstörungen musste er zweimal wiederbelebt werden und erhielt einen Computer implantiert, der jetzt das Herz steuert. Dennoch beträgt seine Herzleistung nur noch 15 Prozent, er muss ständig zur Kontrolle und befürchtet, ein Kandidat für eine Herztransplantation zu werden.
Das war vor vier Jahren. An eine feste Arbeit ist nicht zu denken. „Im ersten Moment war ich froh, dass der Stress vorbei ist“, sagt er heute, und begann sich wieder seinen Hobbies zu widmen, malte, kochte und spielte Saxophon. Aber nach einem Jahr kam der psychische Zusammenbruch. Und Rolf Brandthaus stellte sich die Frage, was er jetzt in diesem eingeschränkten Zustand noch Nützliches tun könne.
Und er erinnerte sich an ein Konzept in München, die Klassische Musikwirtschaft, wo er sich vor vielen Jahren engagierte. Und es entstand bei ihm die Idee, Genuss, Kunst und Gesundheit zu einer Einheit zu verbinden, denn er ist überzeugt, dass diese drei Dinge zusammen gehören. Rolf Brandthaus fragte in seinem Freundeskreis herum, zu dem viele Künstler gehören, und alle machten mit. Im Frühjahr gründete sich die Kulturwerkstatt in Warngau. Das Konzept sieht vor, Künstler zu Veranstaltungen einzuladen, ob Ausstellung, Lesung, Theater, Konzert und dazu passende Kulinarik anzubieten. Hilfreich ist Rolf Brandthaus, dass er ein Haus in Italien hatte und gute Kontakte zu den Erzeugern hochwertiger Produkte der Region hat. Dieses Haus habe ihn im Übrigen gerettet, meint er, denn vom Verkauf lebe er heute. Seit drei Jahren streite er mit der Rentenversicherung wegen einer Erwerbsunfähigkeit. Er sei damals sogar zum Landratsamt gegangen, um sich für Hartz IV anzumelden. „Aber dann habe ich die Formulare weggeworfen und entschieden, dass es anders gehen müsse.“ Seine Frau, die ihn bei all seinen Schicksalsschlägen begleitete, unterrichtet Querflöte, die Familie wohnt jetzt in einer Mietwohnung in Warngau.
Rolf Brandthaus meint, dass jeder Mensch eine Menge in seiner eigenen Hand habe, sein Leben zu gestalten. Er wünsche sich, dass möglichst jeder es aus eigener Kraft schaffe, aus den Tiefs des Lebens herauszukommen. Diese Überzeugung und sein Wissen als Unternehmensberater nutzt er jetzt, um jungen Menschen bei der Berufsberatung zu helfen. Er habe einen Leitfaden entwickelt, nach dem Menschen anhand verschiedener Methoden selbst herausfinden können, was der beste Weg für sie sei.
Aber dann organisiert er wieder im Rahmen der Kulturwerkstatt Veranstaltungen im Trödl bei der Bruckmühle in Mühlthal. Im Juli soll es richtig losgehen. Und Rolf Brandthaus ist trotz eingeschränkter Gesundheit mit Begeisterung dabei.
Monika Ziegler
Publiziert 6. Juni 2013