Rolle der Kirche in der Pandemie
Glasfenster in der St. Antoniuskirche in Bad Wiessee. Foto: Isabella Krobisch
Neue Publikation zur Rolle der Kirche
Einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft wagt Dr. Ingrid Strauß mit ihrer Publikation „Kirche am Pulsschlag der Zeit“. Sie erinnert daran, dass der Mensch ermächtigt ist zu einem freien Leben, dazu aber auch die Unterstützung des Glaubens braucht.
Immer schon habe es Wandel gegeben und immer schon sei der Mensch durch sein schöpferisches Wirken an diesem Wandel beteiligt gewesen, schreibt Ingrid Strauß. Die Medizinerin hat schon mit ihrem Buch „Kirche im Tegernseer Tal – Ein ökumenischer Weg“ gemeinsam mit Pfarrer Martin Weber ein viel beachtetes Buch herausgegeben, reich bebildert mit Fotografien von Isabella Krobisch.
Ihre Würdigung der im vergangenen Jahr verstorbenen Miesbacher Künstlerin Carla von Branca „Carla von Branca: Bilder aus ihrem Leben und Schaffen“, erschienen in der edition miesbach 2014, war ein wichtiger Beitrag für die Kulturszene im Landkreis.
Lesetipp: Zum Tode von Carla von Branca
Jetzt hat die engagierte Kreutherin die Pandemie zum Anlass genommen, die Rolle der Kirche für unsere Zeit zu beleuchten. Sie startet ihre Betrachtung mit einer historischen Beschreibung von Gotteshäusern und deren Bedeutung für die Menschen. Vielleicht, so gibt sie ihrer Hoffnung Ausdruck, könnten sie auch einen Blick frei geben für ein Morgen.
Umbruch und Wandel
Sie habe sich auf den Weg gemacht, um Umbruch und Wandel anhand der Architektur von Kirchen zu zeigen, schreibt sie. Und beschreibt den Wandel von Romanik über Gotik und Renaissance hin zu Barock und letztlich zum „Paukenschlag“ der Veränderung, zur Säkularisation. Nach Romantik, Jugendstil und Neugotik kam wiederum ein drastischer Wandel durch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges.
Glasfenster in der Christuskirche Tegernsee. Foto: Isabella Krobisch
Danach aber erwuchs der Wunsch nach Kirchen in vielen Gemeinden und nach dem Bau von Notkirchen durch den Architekten Otto Bartning entstanden viele neue moderne Bauten. Ingrid Strauß nennt hier insbesondere Olaf Andreas Gulbransson und seine im Landkreis Miesbach in seinem persönlichen modernen Stil gebauten Kirchen in Schliersee und Rottach-Egern.
Einzug moderner Kunst
Aber auch die alte Kirche habe durch das zweite Vatikanische Konzil eine geistig religiöse Neuerung erfahren. Dazu gehörte auch der Einzug moderner Kunst in alte Kirchen. Dies zeige sich insbesondere durch den Wandel des Kreuzes. Ausgehend von einem Kreuz aus filigranem Gold kam es später zur Darstellung des Gekreuzigten in unterschiedlicher Form.
Anhand der Werke des Bildhauers Helmut Ammann zeigt die Autorin, dass sich die Kreuzdarstellungen auch innerhalb eines Künstlerlebens verändern. 1952 ist die Darstellung noch konservativ, 1995 indes zeigt die Skulptur das Kreuz, die aufgebrochene, verwundete Erde aufnehmend und bergend im christlichen Symbol.
Kreuzigungs-Signet von Meide Büdel an der Auferstehungskirche in Rottach-Egern. Foto: Isabella Krobisch
Auch die Bildhauerin Meide Büdel hat ein neues, reduziertes Christusbild des 21. Jahrhunderts geschaffen, sichtbar an der Fassade der Auferstehungskirche von Olaf Andreas Gulbransson in Rottach-Egern.
Neue Wege zu Kultur – Kunst – Kirche
Kirchen, so schreibt Ingrid Strauß, haben immer den Zeitgeist widergespiegelt. Heute gehe es einerseits um Erhalt des Überlieferten, andererseits aber auch um die Suche nach neuen Wegen zu Kultur – Kunst – Kirche. Ausdruck dafür seien Zeremonien außerhalb der Kirche in der freien Natur. Ein Lichtblick in der Zeit des Abschiedsnehmens von der alten Kirche sei die neu erbaute Pater Rupert Mayer-Pfarrkirche in Poing.
Bei ihrem historischen Rundgang durch die Kirche verschweigt Ingrid Strauß nicht die dunkle Seite, die der Historiker, die die Rolle der Kirche als Macht von Menschen über Menschen darlegt.
Erlöserkirche Gmund. Foto: Isabella Krobisch
In ihrem letzten Abschnitt widmet sich die Autorin der Pandemie und der Kompensation der menschlichen Kontakte durch die Möglichkeiten der Digitalisierung. Sie vergleicht deren rasanten Anstieg mit dem Turmbau zu Babel und schreibt, dass der digitale Turmbau nicht zu einer Verstreuung der Menschen in alle Richtungen ihrer Sprache führen dürfe. Im Gegenteil müsse man die digitale Macht für einen architektonischen Aufstieg zu einem Gipfel nutzen, auf dem wir einen Glockenturm aller Kirchen errichten können.
Ermächtigung zu freiem Leben
Der Klang dieses Glockenturmes, in alle Winkel ertönend, könne ein jeder verstehen, in der Sprache von Pfingsten. Ingrid Strauß schließt ihre Betrachtungen mit dem Aufruf, dass wir uns nicht durch die Gegebenheiten des Heute entmachten, sondern an unsere Ermächtigung zu freiem Leben glauben sollen und resümiert:
„Unsere Sorgen um die Zukunft sind groß – aber die Fürsorge Gottes ist größer.“