Rom, Venedig, Bologna, Tegernsee
Kammerphilharmonie Dacapo München mit Solistin Yu-ting Huang und Dirigent Franz Schottky. Foto: Ines Wagner
Die Kulisse des Barocksaals und die hervorragende Akustik lobte Chefdirigent Franz Schottky von der Kammerphilharmonie Dacapo München – und hatte ein besonderes Weihnachtskonzert zusammengestellt. Barockmusik natürlich. Und zwei Überraschungen.
Dass die erste Überraschung eher unfreiwilliger Natur war, tat der Sache keinerlei Abbruch. Solist Massimo Mercelli musste erkältungsbedingt einen Tag vor dem Konzert absagen. Früher, so Chefdirigent Franz Schottky, hätte ihn die Absage einer Bratsche sechs Wochen vorher nervös gemacht, heute ist er hervorragend vernetzt, und die von ihm im Jahr 2000 gegründete Kammerphilharmonie Dacapo eine gut aufeinander eingespielte Gemeinschaft von Profimusikern, ein hervorragendes Team. Das bringt dann einen Tag vor Konzertbeginn zwar einigen Aufwand mit sich, stellt aber kein unlösbares Problem dar. Die junge, hervorragende Taiwanesische Solistin Yu-ting Huang konnte kurzerhand gewonnen werden, das Programm abgeändert, eingespielt, bravo!
Hochanspruchsvolles, virtuoses Flötensolo
Durch den Programmwechsel erlebte das Publikum mit dem Flötenkonzert d-Moll einen ganz anderen, unbekannten Vivaldi. Über 200 Konzerte hat Antonio Vivaldi komponiert, nur wenige werden von Orchestern regelmäßig gespielt, und dieses Flötenkonzert hatte es wahrhaft in sich. Das ausgefallene Stück forderte Yu-ting Huang ein hochanspruchsvolles Flötensolo ab, bei der sie die Möglichkeiten des Instrumentes voll ausspielte mit einer wahrhaft erfischenden Spielfreude und Leichtigkeit, die vom Orchester virtuos gestützt und getragen wurde.
Chefdirigent Franz Schottky und Solistin Yu-ting Huang. Foto: Ines Wagner
Vivaldis Flötenkonzert stellte den Mittelbereich einer barocken Konzertreise dar, genauer gesagt einer weihnachtlichen Italienreise. Begonnen hatte der Abend im Barocksaal in Rom, mit dem Weihnachtskonzert op. 6 No. 8 von Arcangelo Corelli. Die sanften Klänge des Cembalos (Veronika Brass) wurden virtuos unterstrichen von den warmen Tönen in g-moll der 14 Streicher der Kammerphilharmonie. Erste und zweite Geige lieferten sich einen ausgewogenen, lebendigen Dialog mit dem Orchester in diesem Concerto Grosso. Mit Lorenzo Gaetano Zavateris Concerto pastorale op. 1 Nr. 10 endete der barocke Teil des Konzertes in Bologna. Wieder waren es die eindrucksvollen Dialoge der ersten und zweiten Geige (Tamara Fiala und Artem Lonhinov), die hervorragend und virtuos unterstützt wurden von den beiden Celli (Katharina Barany und Gregor Babica), dem Kontrabass (Peter Clemente) und dem Klang des Cembalos, aufgegriffen vom restlichen Orchester in harmonischem Zusammenspiel und raffinierter, technischer Perfektion.
Märchenhafter Zeitsprung
Nach der Pause erlebten die Zuschauer einen Zeitsprung, um zugleich atmosphärisch in märchenhafter und weihnachtlicher Stimmung zu verweilen. Der Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Orchesters Franz Schottky stellt die Konzerte immer wieder neu zusammen. Auch unter dem Gesichtspunkt, dem Publikum ausgefallene, nicht häufig gespielte und somit neue Stücke zu präsentieren, die sich zuglich in die Stimmung des Abends einfügen. Als harmonischer Bruch sozusagen, so wie ein Koch ein Menü kreiert, indem er sich zu den erlesenen Speisen noch ein paar ungewöhnliche Zutaten ausdenkt.
An der Ersten Geige brilliert Tamara Fiala, im Dialog mit Artem Lonhinov (v.l.). Foto: Ines Wagner
Besonderen Augenmerk legt er mit der Kammerphilharmonie auf die Neu- und Wiederentdeckung von Werken der Spätromantik. So war die zweite Überraschung am gestrigen Abend der Komponist, Pianist und Dirigent Carl Reinecke, Zeitgenosse von Richard Wagner und Engelbert Humperdinck, dessen Stück „12 Tonbilder für Streicher“ das Publikum neu entdecken durfte. Reinecke, der über 30 Jahre Gewandhausdirigent gewesen war, ließ in seine Werke märchenhafte, romantisierende Elemente von großer Fantasie einfließen. Die 12 Tonbilder schienen wie geschaffen für die 14 Streicher des Orchesters. Sie entführten die Zuhörer in eine musikalische Welt aus nordischen Sagen, Opern, Ballettmusik, Friedensmärschen und – um wieder zum Ursprung zurückzukehren – Weihnachtsklängen. Carl Reinecke hatte am Ende seines Lebens mit diesem Werk ein 12-Stückiges „Best-of“ seiner Kompositionen geschaffen. Damit rundete die Kammerphilharmonie Dacapo München den weihnachtlichen Abend im Barocksaal in Tegernsee auf das Wärmste ab.