Frauen über Beziehungen
Sabine Kastius und Maria Hafner – ein kongeniales Duo. Foto: Marina Baum
Musikalische Lesung am Tannerhof
Die Hofkultur nimmt wieder Schwung auf. Am Donnerstag las Sprecherin Sabine Kastius, musikalisch begleitet von Maria Hafner, Geschichten von und über Frauen und ihre Wahrnehmung zwischenmenschlicher Beziehungen.
Corona hat Sand ins Getriebe gestreut. Es knirscht hier und da. Vielleicht war das schon immer so. Vielleicht sind wir auch sensibler geworden, schneller berührt und begeistert, aber auch schneller gekränkt und enttäuscht. Wir gehen unseren eigenen Erwartungen auf dem Leim, weil das Leben uns etwas anderes beschert, als das, was wir uns wünschen. Erfüllen vielleicht auch nicht die Erwartungen anderer, davon mal ganz abgesehen. Versuchen, uns zu orientieren, warten ab. Beobachten. Gehen mit uns selbst ins Gericht und rechnen mit den anderen ab. Vielleicht schon immer. Vielleicht.
Hofkultur zum Zuhören
Wahrscheinlich aber sind wir tatsächlich ein bisschen empfänglicher geworden für die leisen Untertöne und zwischenmenschlichen Schwingungen, dass eine Lesung unsere Saiten derart schwingen lässt. An einem so behüteten Ort wie dem Tannerhof, wo man sich ohnehin leicht wie in einem Märchen wähnt. Der ideale Ort zum entspannt zurücklehnen und Musik- und Geschichtenhören also.
Sprecherin Sabine Kastius hat Geschichten von Frauen im Gepäck. Foto: IW
Die beiden Geschichten jedenfalls, die Sabine Kastius für die Lesung am Tannerhof ausgesucht hat, sind bereits vor Corona entstanden. In ihnen plagen sich Frauen mit ihren Zweifeln – und feiern zugleich das Leben. Sind stark. Sind schwach, verletzlich. Rebellisch. Beobachten neugierig, kritisch. Sie lieben und hassen. Soweit so gut. Ganz normal also.
Glücklich sind die Glücklichen?
Die erste Geschichte stammte von der französischen Schriftstellerin Yasmina Reza – Expertin für plötzlich ausgesprochene Wahrheiten und unkontrollierte Ausbrüche, die ein sorgfältig konstruiertes Lügengebäude von einem Moment zum anderen zum Einsturz bringen. Vor allem erzählt sie meisterlich von der ständig bedrohten Harmonie menschlicher Beziehungen. Sabine Kastius, langjährige Sprecherin für diverse Sender und Hörbuchverlage, hat eine Geschichte aus ihrem Buch „Glücklich sind die Glücklichen“ ausgewählt. Darin sind die Glücklichen freilich alles andere als glücklich. Die Erzählung beginnt im Winter, in einem Hotel in einer Landschaft aus Bergen und Schnee, und es könnte durchaus der Tannerhof in Bayrischzell sein. Eine Landschaft, in die wir mit den leisen, klingelnden Tönen von Maria Hafners Miniklavier sinken wie Schneeflocken auf die umliegenden Berggipfel.
Maria Hafner verbindet gern Musik und Theater. Foto: IW
Die zweite Geschichte führte schließlich ans Meer, von Maria Hafners Geige wie von spitzen Schreien eines Schwarms hungriger Möven begleitet. Inmitten des Erzählbandes „Liebe im hohen Gras“ der irischen Schriftstellerin Claire Keegan gibt es eine Geschichte mit dem seltsamen Namen „Seltsamer Name für einen Jungen“. Auch hier trifft man auf „Frauen, die aufgegeben haben, und es Glück nennen“. Frauenschicksale, transgenerational miteinander verwoben, bis sie schließlich in der Weitergabe ihrer Erwartungen und des schon immer so gewesenen an eine Frau gelangen, die einen Punkt setzt. Und einen Neuanfang wagt.
Mit Kinderklavier, Geige, Loopmaschine und Stimme: Maria Hafner. Foto: IW
Verwoben, und zwar in die Musik ihrer Instrumente hineinverwoben, ist auch die Stimme der Musikerin und Schauspielern Maria Hafner aus Gießing. Mit dunklem Timbre umgarnt sie klangmalerisch die Töne, die sie mittels Kinderklavier, Geige und Loopmaschine erzeugt. Wie eine Instrumentenfarbe, ganz Klang ohne Worte, schlingt und windet sich ihr Silbengesang und untermalt nicht etwa nur die Lesung musikalisch. Sie erzählt die Geschichten weiter. Führt die Zuhörenden quer über die Kontinente gleichsam einer Pilgerin durch die Jahrhunderte auf der ganzen Welt. Nicht verwunderlich, dass kaum Männer im Publikum saßen. Sie haben allerdings etwas verpasst.
Lesetipp: Maria Hafner mit „Zwirbeldirn“ am Tannerhof – morbid, schräger Dreigesang mit Kontrabass