Von Beisswürmern und Irrwurzeln
Das stimmige Sagentrio Katrin Stadler, Silvester und Veronika Leo. Foto: Andreas Vogt
Lesung mit Musik in Miesbach
Es gibt viele schöne Sagen vom Tegernsee. Das Miesbacher Kulturamt bündelt deren Darstellung jetzt – mit einer musikalischen Lesung unterschiedlicher Sagenbücher und einer Grafikausstellung, in der das Thema frisch umgesetzt ist.
Was fasziniert uns an Sagen und Legenden? Sie erzählen Geschichten, die wohl irgendwann so passiert sind, oder vielleicht nicht ganz so, aber fast. Sie handeln von uns, den ganz gewöhnlichen Menschen, denen außergewöhnliche Dinge passieren. Sie berichten von früher, als die Welt noch magischer war, das Böse in uns bestraft, das Gute belohnt wurde. Und sie werden weitererzählt und manchmal auch aufgeschrieben. Eines dieser Sagenbücher hat die junge Illustratorin Katharina Bourjau geschrieben. Von „Beisswürmern und Irrwurzeln“ heißt es und lässt Sagen und Geschichten aus dem Tegernseer Tal und dem historischen Oberland aufleben.
Lesetipp: Ausstellung von Katharina Bourjau in Miesbach
Sagenumwobener Tegernsee
Dieses Buch und drei weitere Sagenbücher, randvoll mit Geschichten über die Tegernseer Gegend und ein Stück über ihre Gegend hinaus, bildeten die Grundlage eines überaus unterhaltsamen Abends im Waitzinger Keller. Nicht frei erzählt, sondern gelesen wurden die Sagen diesmal, wobei „gelesen“ nicht ganz das passende Wort ist, weil Veronika und Silvester Leo am Tisch saßen. Die beiden sind leidenschaftliche Schauspieler und ließen die Legenden durch ihre Stimmen lebendig werden.
Wassergeister und Nixen gibt es heute noch
Den Beginn machte das Element Wasser, welches die Zuhörer mitten hineinführte in die Tiefen des Tegernsees. Dort, wo die scheuen Wassernixen wohnen, dort, wo der Wassergeist Menschen zu sich hinunterzieht. Noch heute gibt es die zauberhaften Wesen. Einige von ihnen treffen die Gäste des Wiesseer Strandbades beim Schwimmen im See. Während sie glauben, von einer banalen Wasserschlange begleitet zu werden, handelt es sich in Wirklichkeit um eine verzauberte und in den See verbannte Adelige, die ihr Keuschheitsgelübde gebrochen hat.
Lebendiges Lesen: Vollblutschauspieler Silvester und Veronika Leo. Foto: Andreas Vogt
Wenngleich der See tiefe Geheimnisse birgt, erfreut sich das Wasser auch einer dahinplätschernden, wunderbar oberflächlichen Seite. Die fing Katrin Stadler von den „Neurosenheimern“ mit ihrer klaren Stimme und Gitarre ein und entführte die Zuhörer an die zum Genießen einladenden Ufer der Mangfall. So wie sie in diesem Augenblick das passende Lied zum Besten gab, gelang ihr das den ganzen Abend lang. Als es um das in Legenden sehr beliebte Thema „Wilderer“ ging, sang sie von einem Wilderer, der nicht seine heldenhafte Seite in den Vordergrund schob, sondern die verletzte, konfliktreiche. Beim Thema „Tiere“ animierte sie die Zuschauer zum Mitsingen. „Zink, zank, zink“ ertönte es da, als alle begeistert die Geschichte vom Floh mitsangen.
Weise gewählt ist halb gewonnen
Die Texte für diesen Abend wählten Veronika und Silvester Leo mit viel Geschick. Es gab viel zu schmunzeln, einiges zum Wundern und immer wieder spannungsgeladene Momente. Illustrationen von Katharina Bourjau wurden auf die Leinwand produziert, hinter der Veronika Leo auch immer wieder kurzerhand verschwand und den Teufel mit Hörnern im Schattentheater die Bühne überließ. Die Zuhörer erfuhren, wie die Ringseeinsel und das Riedersteinkirchlein entstanden, wie der Wendelstein zu seinem Namen kam und was der Tochter des Bergkönigs passierte, die sich ihren Freiern gegenüber hochmütig gezeigt hatte.
Enzian oder verzauberte Königstochter? Foto: Pixabay
Als wunderschöne blaue Blume wurde sie auf eine Bergwiese in Kreuth verbannt und musste dort ausharren, bis ein Mann sie auch in dieser Form lieben würde. Ein Pflanzenliebhaber fand sie, war gebannt von ihrer Schönheit, grub sie aus und nahm sie mit. In seinem Heim wurde sie jedoch trotz aller liebevollen Pflege immer matter und so entschied sich der Botaniker selbstlos, sie wieder an ihren Ursprungsplatz zurückzubringen. Eingemietet in einer Pension in Kreuth ging er täglich auf den Berg, um sie zu gießen. Das wohlverdiente Happy End gibt es natürlich in dieser Geschichte, in der, wie in so vielen der Sagen des Abends, der Mensch und seine Beziehung zur Natur im Mittelpunkt steht.
Lehrreich, anregend war er, zum Schmunzeln brachte er seine Gäste, der Sagen-Abend im Waitzinger Keller. Genau die richtige Länge hatte er und die „Chemie“ hat gestimmt zwischen den drei professionellen Künstlern auf der Bühne und ihrem Publikum. Als legendär kann er bezeichnet werden, der Legenden-Abend.
Sagen vom Tegernsee – neu erzählt und illustriert von Katharina Bourjau