Schreiben lernen in Großmutters Haus
Jacky alias Terra Fox schreibt nach „Schattensaga“ an ihrem zweiten Fantasy-Romanzyklus – bei Thomas Sautner im Waldviertel . Foto: IW
Seminartipp für Schreibbegeisterte
Im Waldviertel entstehen die sprachlich fein geschliffenen Romane des österreichischen Schriftstellers Thomas Sautner. Wer von ihm lernen möchte, kann ein Schreibseminar buchen.
Kornäpfel im Gras, ein Hase hoppelt mit aufgestellten Ohren quer über die Wiese. In der alten Bauernküche liegt ein riesiger, runder Laib Brot auf dem Tisch, daneben Butter und guter Waldviertler Honig. Rings ums Haus verteilt in Hängematten, auf einer Schaukel im Baum, auf Holzklötzen oder in Liegestühlen sechs Autorinnen, die sich inspiriert und konzentriert über ihre Schreibhefte und Notebooks beugen: Ein Schreibseminar im Niederösterreichischen Waldviertel bei Erfolgsautor Thomas Sautner ist so kreativ wie entspannt.
Schreiben lernen beim Erfolgsautor Thomas Sautner im Waldviertel – Grudrun Braunsperger liest. Foto: IW
Voneinander lernen
Hierhin, gewissermaßen in die Einöde, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, hat sich der Verfasser von Romanen wie „Fuchserde“, „Die Älteste“ und „Großmutters Haus“ zurückgezogen, um zu leben und zu schreiben. Regelmäßig lädt er zu Schreibseminaren ein, in denen er sein Wissen und seine Erfahrungen teilt. Und viel mehr als das – er lernt von den meist weiblichen Seminarteilnehmern gleichermaßen, wie er selbst beteuert. Seine Romane verfasst er oft aus weiblicher Sicht und die ausführlichen Arbeitsgespräche mit seinen Teilnehmerinnen inspirieren auch ihn. Anders als bei der großen Runde bei uns im Landkreis im Februar letzten Jahres ist es diesmal ein kleines, intensives Seminar, das auf dem Programm steht. Thomas Sautner hat sechs bereits erfahrene Autorinnen zum „Sommer Spezial“ in sein Refugium eingeladen.
Lesetipp: Thomas Sautner liest in Valley
Entwickelt ihre Geschichte in „Großmuters Schaukelstuhl“ auf der Veranda: Sonja D. Stern. Foto: IW
So ist es nicht weiter verwunderlich, dass rasch gute Ideen, Plots und erste Kapitel vorgestellt und gemeinsam besprochen werden. Die literarische Qualität der entstehenden Texte, deren Autorinnen und Genres nicht unterschiedlicher sein könnten, lässt zu, dass es viel voneinander zu lernen gibt. Da ist beispielsweise Gudrun, die mit sicherem Sprachgespür eine vielschichtige Beziehungsgeschichte zweier Freundinnen entwickelt. Deren Lebenswege haben sich aufgrund unausgesprochener Missverständnisse entfernt und die Protagonistin begibt sich auf Spurensuche in der Vergangenheit.
Helga Meditz und Karin Mairitsch (v.l.) im Schreibseminar im Waldviertel bei Thomas Sautner. Foto: IW
Schnell Feuer gefangen hat die kleine Gruppe auch an Karins Konzept. Ihr sowohl entspannter als auch spannungsreicher Krimi um Herbert Althausen nimmt Fahrt auf, als eine quirlige Putzfrau und Medizinstudentin dem alternden Kommissar im Ermittlungsumfeld einer mysteriösen Mordserie Feuer unterm Hintern macht. Sonjas Idee eines hochsensiblen Mädchens mit einem Tropfen Katzenblut in den Adern wandelt sich im Laufe des gemeinsamen Prozesses. Aus einem Sci-Fi-Plot mit Ufo schält sich eine Geschichte heraus, die sowohl pubertierende Teenager als auch ihre Hauptzielgruppe, neugierige, lebensbejahende Frauen, anspricht.
Lesetipp: Thomas Sautner – „Das Mädchen an der Grenze“
Schreibfluss statt Schreibblockade
Nicht nur seine Erfahrung, auch die tadellose Versorgung des Hausherrn lässt die kreativen Ideen fließen. Der offeriert, ganz nach Waldviertler Art, am späten Vormittag schon einen Sommergespritzten und bereitet eigenhändig mit einem Dreifuß über der Feuerstelle im Garten ein vegetarisches Gulasch zum Mittag. Ganz ohne das kulinarische Verwöhnpaket indes kommt Jacky aus, die nichts in ihrem Schreibfluss stoppen kann. Mit fliegenden Fingern tippt sie unter dem Synonym Terra Fox quasi druckreif Kapitel um Kapitel ihren zweiten Fantasyroman „Jahrtausendstadt“ in die Tasten. Vier unterschiedliche Protagonisten sind auf schicksalhafte Weise darin miteinander verbunden.
Zum Abschluss liest jede Autorin noch einmal aus ihrer Geschichte. Foto: IW
Ganz behutsam, ernst und dicht verwoben kommen die berührenden Erzählungen Helgas daher. Sie möchte eigentlich „nur“ einmal ausprobieren, ob ihr Geschriebenes auch im „Außen“, für Leser, funktioniere. Und beeindruckt die Runde mit einer bewegenden, in stiller Beobachtung erzählten Geschichte eines Paares im Zeichen einer tödlichen Krankheit. Inspiriert von meinem Lieblingsschreibplatz unterm Kornapfelbaum und seinen rhythmisch fallenden Früchten entstehen in meinem eigenen Schreibblock die ersten Kapitel einer Geschichte um den schweigenden Rudolf, die als Roadmovie die Themen Schuld und Sühne behandelt.
Lieblingsplatz unterm Apfelbaum. Foto: IW
Die kleine Runde hat dabei die Aufgabe eines Spiegels, um besser zu sehen, was funktioniert und was nicht, beschreibt Thomas Sautner den Prozess. Dabei wird das große Ganze ebenso beleuchtet wie die Kleinigkeiten. „Du nimmst dir aus unseren Anregungen, was du brauchst“, rät er, „und den Rest schmeißt du weg“. Am Ende wollen alle wissen, wie jede der im Entstehen begriffenen Geschichten weiter geht. Und jede Autorin hat hinzugelernt, während die Werke gewachsen sind. Jetzt heißt es für zu Hause: schreiben, schreiben, schreiben.