Stilfragen in Reitham
Die kleine Hütte am zugefrorenen Reithamer Weiher lässt bei der klirrenden Kälte eher an eine Apres-Ski-Party denken als ein Schreibseminar zum Thema „Für eine kultivierte Sprache – Wie verbessere ich meinen Stil?“.
Neun Teilnehmerinnen sind es an diesem Samstag, dem 11. Februar, die ihren Schreibstil verbessern möchten und aus allen Himmelsrichtungen kommen: Bad Wiessee, Bayrischzell, Holzkirchen, Miesbach, Waakirchen, Weyarn, München.
Für Seminarleiterin Monika Gierth ist es ein Heimspiel, sie hält heute bereits das dreizehnte Seminar des Vereins Kulturvision im Weiherhäusl. Wer sich bei ihr auf einen beschaulichen Tag einstellt, wird jedoch rasch eines Besseren belehrt, denn hier wird konzentriert und effektiv gearbeitet.
Auch wenn Jean Cocteau verkündete „Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen, und nicht umgekehrt“ wird rasch deutlich, dass der Stil hart erarbeitet sein will. Um manche Hürde zu meistern, ist es entspannend und wohltuend, dass im kleinen Weiherhäusl die Holzscheite im Ofen knistern, draußen leichter Schnee fällt, die Kinder am Weiher Schlittschuh laufen. Diese Atmosphäre macht’s und sie stellt jeden hoch technisierten Seminarraum in den Schatten.
Monika Gierth versteht es, die Teilnehmer durch viele praktische Übungen acht Stunden lang zu fesseln. Es gilt, Adjektive, Füllwörter und Phrasen zu vermeiden, ausdrucksstarke Substantive zu benutzen, aktiv und bildhaft zu formulieren; manchmal aber auch die Gedanken ruhen zu lassen und einfach drauf los zu schreiben.
Ehe die Konzentration nachlässt, wird mittags eine heiße Suppe gereicht, werden Erfahrungen ausgetauscht, wird eine Runde durch das Dorf marschiert.
Nachmittags werden Sätze gebaut, noch etwas mühsam das „Umklammerungsgesetz“ umschifft und jeder kann nach Herzenslust Stilmittel ausprobieren.
Die Motivationen der Teilnehmerinnen sind höchst unterschiedlich: Arbeit an einer Familienchronik, gewandtere Formulierung von Sachtexten, Handwerkszeug für journalistische Artikel, Freude am literarischen Schreiben.
Die Seminarleiterin meistert die unterschiedlichen Anforderungen ihrer Schülerinnen souverän, greift in ihren reichen journalistischen Erfahrungsschatz und erweist sich als leidenschaftliche Lehrerin.
Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Draußen dämmert es schon, da wiederholt Monika Gierth mit ihren Schreiberlingen noch einmal die Stilmittel: Alliteration, Allusion, Anapher, Antithese, Asyndeton … kaum zu glauben, was wir an nur einem Tag alles gelernt haben.