Tegernseer Schülertheater: Liebe, Blutdurst und Triumph
Lichteffekte und Bühnenbild beim „Dracula“ des Gymnasiums Tegernsee. Foto: Ines Wagner
Schülertheater in Tegernsee
Mit „Dracula“ steht dieses Jahr eine Horror-Lovestory-Inszenierung auf dem Programm der Theatergruppe des Tegernseer Gymnasiums. Barbara Winkler und ihre Schüler haben unter erschwerten Bedingungen Großartiges geleistet: Blutig, gruselig, hoch konzentriert und ausgesprochen witzig.
Da rollt ein Kopf, gellen spitze Schreie über die Bühne, blauer Nebel wallt gespenstig. Die Schüler und Schülerinnen des Tegernseer Gymnasiums haben sich allerhand einfallen lassen, um ihren „Dracula“ spektakulär in Szene zu setzen. Ein Jahr haben sie mit Regisseurin Barbara Winkler die Szenen entwickelt, Texte geschrieben und geprobt . Am Freitag Abend war es endlich soweit und der Ludwig-Thoma-Saal bis auf die letzten Plätze besetzt, trotz Hitzewelle und lockendem See vor der Tür.
Der Schattenfürst bringt Licht für alle
Längst haben sich die Seiten gekehrt, aus dem grausigen Graf Dracula ist ein Sympathieträger geworden, im Schmerz seiner großen Liebe und Kampf gegen den Drachenorden. Dessen Mitglieder sitzen in Aufsichtsräten und Gremien, steuern Wirtschaft und Finanzwelt und kontrollieren das Öl. Und noch immer wollen sie die Vampire ausrotten, „den Abschaum“, den sie einst selbst geschaffen haben. Es ist ein Kräftemessen.
Draculas „Personal“ streitet sich um Jonathan Harker (Henrik Schlosser). Foto: Ines Wagner
Gekonnt haben die Schüler die Gegenpole in Szene gesetzt. Mit Feuereifer und Leidenschaft haben sie sich ins Spiel gestürzt, ihre Texte auswendig gelernt. Sie haben während der brütenden Hitzewelle eine Woche lang täglich geprobt. Seit 16 Jahren entwickelt Barbara Winkler mit den Schülern Theaterstücke. „Herzerwärmend“ nennt sie ihre Arbeit, enorme Leidenschaft ist dabei, auf ihrer und auf der Schülerseite. Die Gruppe mit Jugendlichen von 7. bis 12. Klasse ist wie eine Familie und die Nachfrage an den Theaterprojekten groß, sagt Barbara Winkler. Für die Schüler sei nicht schlimm, das Gymnasium nach dem Abitur zu verlassen. Aber die Theatergruppe zu verlassen schmerzt viele.
Nur ein „Biss“chen: Vampir Victor Kárpáty (Alexis-Michael Eilers) und Lucy (Hannah Mattner). Foto: Ines Wagner
Die Rollen im „Dracula“ sind perfekt verteilt. Vitus Rettermeier als Renfield eröffnet das Stück mit bedachter Lakonie. Michi Huber spielt den Dracula mit ernster Verzweiflung und Melancholie. Die 500 Jahre Tragik des Vampirdaseins drücken auf seinen Schulter, schmälern aber nicht seine Rachegelüste. In seinem Dienst befinden sich vier „Gespielinnen“, die unentwegt durstig nach Blut sind. Die Mädchen spielen lebhaft und quirlig – teilweise das erste mal auf der Bühne dabei. Man merkt, sie sind angesteckt vom Eifer und der Dynamik der Truppe.
Kein Kopf – kein Biss
Professor van Helsing, gespielt von Anna Neuhaus, macht mit ihren Leuten Jagd auf Dracula. In der Rolle der Vampirjägerin Diana Hunter stöckelt Anna Lena Drexl auf gigantischen Highheels über die Bühne. Sie ist eine sexy Headhunterin, Vampirköpfe müssen rollen. Denn, so sagt sie schulterzuckend: „Kein Kopf – kein Biss“.
Die liebliche, aber vor allem kluge Doktorantin Mina, von Laura Jung gespielt, ähnelt Draculas großer Liebe frappierend. Henrik Schlosser in der Rolle des Verlobten begeht den Fehler, ihr Medizinstudium nicht ernst zu nehmen: „Die einzige Bestimmung, die du hast, ist meine Frau zu werden und deine Pflichten zu erfüllen.“ Zugleich ist er rasend vor Eifersucht, denn Mina fühlt sich zu Dracula hingezogen. Und natürlich haben sich die jungen Theaterleute ein überraschendes Ende ausgedacht.
Dracula (Michi Huber) und Mina (Laura Jung). Foto: Ines Wagner
Laura Jung, Simon Pilmes, Anna Lena Drexl und Anna Neuhaus haben die flotten Texte für das Stück geschrieben. „Eine großartige Leistung“, lobte Barbara Winkler ihre jungen Autoren. Die Jugendlichen haben Zitate aus dem Film mit eigenen Passagen vermischt und daraus ein ganz eigenes, starkes Stück gemacht. Gekonnt wurde das Spiel oben auf der Bühne und unten im Saal vermischt. So ließen sich auch die zahlreichen Szenenumbauten bewältigen. Die Zuschauer begeisterte nicht nur das souveräne Spiel der jungen Gruppe, sondern auch die einfallsreichen Bühnenbilder, Spezialeffekte und Kostüme. Großen Applaus gab es auch für Lukas Scheurer und Noel Luther mit Klavier, Gesang, Klarinette und Violine.
Aufrichtiger Dank an alle fleißigen Helfer
Bewegt und unter großem Beifall bedankten sich Dracula und seine Geliebte Mina bewegt stellvertretend bei allen, die mitgeholfen hatten. Besonders aber bei einer, „die wir alle schätzen und lieben“: Barbara Winkler. Diese ist stolz auf ihre Theatergruppe, ebenso wie der Direktor des Gymnasiums, Werner Oberholzner.
Regisseurin aus Leidenschaft: Barbara Winkler. Foto: Ines Wagner
Und das Publikum? Hat mit den Jungschauspielern im Saal mitgefiebert und nicht nur aus Nervosität geschwitzt und den Hut der Theaterkasse gut gefüllt. Bleibt abzuwarten, was nächstes Jahr auf die Bühne kommt. Gleich nach der Aufführung geht’s los mit der neuen Planung.