SEHNSUCHTSORTE | Bekanntes und Unbekanntes von Josef Oberberger
Josef Oberberger (1905-1994), Foto Mario Heinzelmann von Hallberg
Ausstellung in Tegernsee, derzeit nur online
Das Olaf-Gulbransson-Museum präsentiert nach dem Lockdown bis 21. März 2021 in Zusammenarbeit mit der Oberberger-Stiftung München bekannte sowie bislang unbekannte Schätze des rastlos tätigen Künstlers, dessen Schaffen die unentwegte Suche nach dem „großen Moment“ zum Ausdruck bringt. Im Interview: Dr. Christl Karnehm, Kuratorin und Vorsitzende der Oberberger-Stiftung.
HS: Frau Karnehm, Josef Oberberger, Schüler und enger Freund Olaf Gulbranssons, wird immer wieder unter neuen Gesichtspunkten in Tegernsee gezeigt. Wie kam es jetzt zu dem Thema „Sehnsuchtsorte“?
ChK: Oberberger ist ein vielgestaltiger Künstler, mit unterschiedlichsten Facetten. Die letzte Ausstellung war 2015, damals mit dem Schwerpunkt „Oberberger als Glasmaler“, der er ja ursprünglich war. Diesmal führten uns die belastenden Einschränkungen der Corona-Pandemie zum Thema „Sehnsuchtsorte“. Oberberger, als junger Mann im 2. Weltkrieg zunächst nach Frankreich und später in die Ukraine einberufen, sehnte sich zurück nach Hause, zu seiner Frau Mathilde, die er 1939 geheiratet hatte, zurück zu seinen Freunden und Künstler-Weggefährten. Die Oberberger-Stiftung konnte Anfang 2020 einige zum Teil sehr frühe Oberberger-Zeichnungen aus einem Münchner Nachlass erwerben, die Motive aus seiner Oberpfälzer Heimat zeigen. Sie waren noch nie öffentlich zu sehen und das holen wir jetzt sehr gerne nach. Später liebte Oberberger Reisen nach Frankreich. Das künstlerische Flair im Paris der Nachkriegsjahre zog ihn immer wieder magisch an. Nach dem Krieg sog er die Werke der französischen Kollegen förmlich auf, war deren Kenntnis den deutschen Künstlern während der Nazi-Ära doch verwehrt. Später reiste er nach Rom, zudem nach England, Spanien, Südfrankreich, und er interessierte sich außerdem sehr für die Kunst des alten China, insbesondere seiner Tuschmalerei, auch wenn er selbst nie dort war.
Josef Oberberger: „Die schwarze Katze“ (aus Privatbesitz). Foto: privat
Wir stellen auch Faschingsplakate der Nachkriegszeit aus Oberbergers Akademieklasse aus. Denn die Münchner Faschingsfeste, insbesondere die „Schwabylon“-Bälle und ihre Dekorationen, die die Akademieklassen dazu lieferten, waren damals legendär. Wir können uns kaum mehr vorstellen, wie frenetisch dort nach den überstandenen Kriegsjahren getanzt und gefeiert wurde. Dieses Bedürfnis nach Feiern sehen wir im Corona-Jahr ja auch in unserer heutigen Gesellschaft.
Josef Oberberger (aus Privatbeseitz). Foto: privat
HS: Die Ausstellung präsentiert auch bislang ungezeigte Arbeiten. Welche Geschichten verbergen sich dahinter?
Als Studentin habe ich Josef Oberberger über einen seiner Schüler kennen gelernt und ihn in seiner wunderbaren Altbauwohnung in München Schwabing, nahe der Akademie der Bildenden Künste, wo er unterrichtete, öfter besucht. Dort, und auch auf seinen Ausstellungseröffnungen, lernte ich Freunde und Sammler kennen. Auch später, als er sich vorwiegend im Seniorenheim in Kreuth aufhielt, haben wir ihn immer wieder besucht. Damals faszinierte mich unter anderem seine Affinität zur modernen Technik. Beispielsweise nahm er Sport und Tanz auf Video auf, und beim Abspielen hielt er den Film mittendrin an, um Motive fürs Zeichnen zu gewinnen. Im Grunde genommen zeichnete er den ganzen Tag und, da er oft schlecht schlief, auch noch die halbe Nacht. So entstanden Tausende und Abertausende von Zeichnungen! Auf diese Werke und die Kontakte von damals konnte ich für „Sehnsuchtsorte“ zurückgreifen und bin den Leihgebern sehr dankbar für ihre Großzügigkeit. Sie müssen jetzt eine Weile mit Lücken an ihren Wänden leben.
Dr. Christl Karnehm, Kunsthistorikerin, Kuratorin und Vorsitzende der Oberberger-Stiftung lernte Josef Oberberger als originellen und inspirierenden Gesprächspartner über Kunst „und die Welt“ kennen.
Elisabeth Leutheusser von Quistorp war eine enge Freundin von Josef Oberberger und organisierte in den vergangenen Jahren mehrere Ausstellungen mit seinen Werken.