„Erzähle Dich selbst“
Beim ersten Spurwechsel-Stammtisch lernten die Teilnehmenden Selbst-Erzählungen zu entwickeln. Foto: Silke Borgmann
Erzähl-Workshop Holzkirchen
„Na, was hast du dir so für 2025 vorgenommen?“ Auf diese beliebte Frage am Anfang eines Jahres lässt es sich vage oder mit Fakten antworten. Oder einfach mit „nichts“. Oder man verpackt seine Wünsche in eine einprägsame Selbst-Erzählung. Beim ersten Treffen der Spurwechsel-Initiative im neuen Jahr ging es genau darum – um die Entwicklung einer Erzählung über sich selbst. Beobachtungen von Anja Gild
Die Frage nach dem WAS HAST DU VOR IM NEUEN JAHR – wir kennen sie alle. Und sie kann uns ganz schön unter Druck setzen. Auch ich kenne dieses Gefühl. Wo soll ich anfangen? Was will ich erzählen? Um mich zu entspannen, habe ich eine Selbst-Erzählung entwickelt – eine Erzählung in Form einer Metapher, eines Bildes. „Ich stehe am Steuerrad eines Schiffes. Ich möchte den Bug meines Schiffes in diesem Jahr noch weiter in Richtung Kulturarbeit im Landkreis drehen.“ Klingt einfach. Aber es war tatsächlich ein Stück Arbeit, a) zu wissen, was ich will und b) ein stimmiges Bild dafür zu finden.
Eigene Wünsche und Vision erzählen lernen
„Erzähle Dich selbst“ lautete der Titel eines interaktiven Workshops, den ich im Rahmen der Spurwechsel-Initiative von KulturVision e.V. am vergangenen Freitag leiten durfte. In diesem Workshop ging es genau darum: sich mit den eigenen Perspektiven, Zielen, Wünschen, Visionen für das Jahr 2025 auseinanderzusetzen und diese in Form einer Erzählung in Worte zu fassen. Worte, die dem Erzähler Halt und Orientierung geben. Eine Story, die beim Zuhörer Verständnis erzeugt und ihm in Erinnerung bleibt. Eine Geschichte, die vielleicht sogar ein Impuls für Rückfragen und ein vertiefendes, interessantes Gespräch sein kann.
Neun Teilnehmende hatten sich auf Einladung der Organisatorinnen Silke Borgmann und Regina Deflorin D’Souza am Abend im Raum der vhs im Holzkirchner Atrium eingefunden. Zwei Stunden „Erzähl-Arbeit“ lagen vor uns. Alle sollten mit einer Erzählung über sich selbst nach Hause gehen und nebenbei spielerisch Methoden zur Entwicklung von Geschichten kennengelernt und ausprobiert haben.
Wie entstehen Selbst-Erzählungen?
Die Antwort: Mit Hilfe von Impulsen und Kreativtechniken, die uns Schritt für Schritt in die Auseinandersetzung mit uns selbst und in die Erzählung hineinführen. Das Setting des Abends war ein Stuhlkreis, ein sogenannter „Story-Circle“. In dessen Mitte lagen für die Vorstellungsrunde Motive aus der Märchenwelt. Welches Motiv passt zu dir und warum? Das war der erste Impuls für eine Ich-Erzählung im Stuhl-Kreis.
Mit der „Landkarte der Veränderung“ konnte die Teilnehmenden ihre Selbst-Erzählungen in der Gegenwart sowie in der Zukunft visuell darstellen. Foto: Silke Borgmann
Es folgte die stille Reflexion über ein bedeutsames, persönliches Ziel. Dann kamen Fotomotiv-Karten als Erzählimpulse zum Einsatz, eine Landkarte für die Visualisierung von Veränderungsprozessen und einige grundlegende Tipps rund um den Aufbau von Geschichten. Schließlich ging es ans Entwickeln einer Selbst-Erzählung für 2025.
Wann können Selbst-Erzählungen hilfreich und sinnvoll sein?
Selbst-Erzählungen sind in vielen Lebenssituationen sinnvoll. Manchmal ist es hilfreich, eine Selbst-Erzählung nur für sich zu entwickeln. Sie kann im Falle von Lebensphasen-Übergängen, beruflichen Veränderungen, neuen Job-Optionen hilfreich sein. Geschichten verleihen Handlungen Tiefe und Sinn. Sie bieten den Raum, um das Warum und das Woher einer Veränderung darzustellen. Erzählungen ranken um Konflikte und Krisen, die sich überwinden lassen – oder auch nicht. Und am Ende können sie Ausblicke in die Zukunft bieten.
Selbst-Erzählungen sind wie ein schützender Mantel
Ich persönlich nutze Selbst-Erzählungen auch in großen Krisensituationen des Lebens. Gerade in solchen Momenten können sie wie ein schützender Mantel wirken. So auch im meinem Fall: Seit ich vor etwas mehr als zwei Jahren meinen Sohn durch einen Unfall verloren habe, kommen immer wieder Menschen spontan auf mich zu und fragen: „Wie geht es Dir denn jetzt?“ Was soll ich denn antworten!? Will ich mein Seelenleben jedem preisgeben? Nein. Also habe ich eine Selbst-Erzählung entwickelt. Authentisch und ehrlich. Ich habe sie immer parat und es ist im Kern immer die gleiche Erzählung, je nach Situation durchaus mit Varianten erzählt. Mir gibt sie Halt und dem Fragenden Zufriedenheit.
Am Ende des Workshops gab es eine Frage: Wie lautet Dein persönlicher Schatz für den heutigen Abend? Die Teilnehmenden schrieben Begriffe auf kleine, runde Moderationskarten – und da lagen in der Mitte des Stuhlkreises Worte wie Zuversicht, Hoffnung, Stärke, Vertrauen, die Kraft des Zuhörens. Und zwischen uns war ein Gefühl von großer Verbundenheit durch das Mitteilen unsere persönlichen Selbst-Erzählungen entstanden.