Hundsgemein sein ist nur einer der Vorteile
Junggeblieben: Monika Manz und Gerd Lohmeyer im Oberbräu. Foto: Karin Sommer
Seniorennachmittag in Holzkirchen
Das KulturCafe im Oberbräu Holzkirchen platzt jeden letzten Mittwoch im Monat aus allen Nähten. Diesen Mittwoch war sogar der bayrische Rundfunk dabei. Gefilmt wurde der Auftritt von Monika Manz und Gerd Lohmeyer mit ihrem Programm „Dement oder weise?“ für die Reihe „Lebenslinien.“
Erst im Januar dieses Jahres hatten Monika Manz und Gerd Lohmeyer die Zuschauer im Oberbräu mit ihrer kraftvollen Darbietung in Mutter Sprache von Autor Werner Fritsch beeindruckt. Dieses Mal kamen sie mit leichterem Gepäck und gestalteten einen abwechslungsreichen Nachmittag für ihr Publikum, das sich zum monatlichen Genuss von Kaffee, Kuchen und Kultur eingefunden hatte.
Kuchen, Kaffee und Kultur
In dieser speziell für ältere Kulturliebhaber entwickelten Veranstaltungsreihe bietet das Team des KulturCafé im KULTUR im Oberbräu ein geselliges Zusammensein bei Kaffee und Kuchen, dem ein hochwertiges kulturelles Programm folgt. Diesen Mittwoch gestaltete das bekannte Schauspielerehepaar Monika Manz und Gerd Lohmeyer einen literarischen Streifzug zum Umgang mit dem Älterwerden.
Unschlagbare Kombination von Kaffee, Kuchen und Kultur. Foto: Karin Sommer
Sowohl Monika Manz als auch ihr – vor 39 Jahren angetrauter – Ehemann Gerd Lohmeyer haben sich vor allem durch ihre Fernsehauftritte einen hohen Bekanntheitsgrad erarbeitet. Alt wirken die beiden in keinem Moment auf der Bühne. Wer etwas über Bühnenpräsenz lernen möchte, möge sich die beiden zu Gemüte führen. Ihre literarische Reise ist zu Besuch bei bedeutenden Schriftstellern wie Hermann Hesse, Samuel Beckett oder Bertolt Brecht, dessen Protagonistin nach langen Jahren der Knechtschaft ihre letzten, kurzen Jahre in Freiheit lebt – mit Rotwein, Kinobesuchen und Essen im Gasthaus.
Altern in Raum und Zeit
Sie beleuchtet verschiedenste Aspekte des Alters. Blickt hinter Klischees, begibt sich in verschiedene Kulturen, forscht in weit zurückliegenden Zeiten und macht auch vor Tabuthemen nicht Halt. Wie erging es den Alten zur Zeit, als die Menschen noch Jäger und Sammler waren? Sahen die Zurückgelassenen und Ausgesetzten, allein mit dem Tod konfrontiert, dies als letzte Gabe für ihre Liebsten an – oder gab es keinen Konsens über diese Praktiken?
Wie ergeht es alten Menschen in Kulturen, die die letzte Phase des Lebens als eine erstrebenswerte sehen? Wie entwickeln sich ältere Menschen, die als weise und wertvoll für die Gesellschaft angesehen werden?
Erotik paart sich mit Zärtlichkeit
In einem Text von Robert Gernhardt liest Gerd Lohmeyer vom Körper, der zeitlebens sein eigenes Leben zu führen scheint. Gierig sei er, faul, tue weh und gehe dann auch noch kaputt. An anderer Stelle kommt das Tabuthema „Sex im Alter“ zur Sprache. Von einer Zärtlichkeit, die den Jungen oft abgehe, wird gelesen, vom Zusammensein mit dem geliebten Menschen, vom Streicheln und Küssen. Gelesen mit dieser Stimme, die jedes Wort spürbar, das Gelesene wirklich macht. Mit dieser Stimme, die Kinder beim „Betthupferl“ im Radio lieben und die sogar einen Gesetzestext lesen könnte und nur einen Gedanken herbeiführen würde: „Hör nur nicht auf, zu lesen.“
Die besondere Veranstaltungsreihe für ältere Semester. Foto: Karin Sommer
An einer Stelle scheint die souveräne Schauspielerin Monika Manz ins Schwanken zu kommen. Sie führt den Zeigefinger an den Textzeilen entlang und liest hölzern. Blickt zwischendurch auf und schaut den Zuhörern eindringlich in die Augen. Der Text ist das Zeugnis einer Alzheimerpatientin in frühem Stadium. Berichtet vom ständigen Verlust von Fähigkeiten und bleibt trotzdem ein Zeugnis dafür, dass eine Person mit dieser Krankheit weit mehr ist als das, was sie verliert. Sie fühlt immer noch Liebe und pocht darauf, dass der Augenblick, der morgen vergessen sein wird, heute trotzdem von Bedeutung ist.
Jugend als Zustand der Seele
Die Betrachtung des „Älterwerdens“ geht bei Manz und Lohmeyer in die Tiefe, wird aber in keinem Moment schwer. Ihre Version des Alterns ist eine hoffnungsfrohe, heitere. Genauso wie sie auf der Bühne sitzen und in ihrem Alter genau das tun, was sie möchten, vermitteln auch die gewählten Texte eine durchaus positive Bewertung des Alterungsprozesses.
Sie zitieren Schopenhauer, der erkannte, dass der Kern unseres Wesens nicht in der Zeit liege und somit unzerstörbar sei. Sie schlagen vor, dass Jugend kein Zeitabschnitt sei, sondern ein Zustand der Seele und erinnern nicht zuletzt daran, dass man im Alter hundsgemein sein könne, weil es einem eh keiner zutraue. Bei dem verschmitzten Lächeln der Beiden sieht sich Picassos Zitat verwirklicht: „Man muss schon sehr lange leben, um jung zu werden.“