Die Schattenseiten der Mode
Berge von Textilmüll – Ausstellung „Fast Fashion“. Foto: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG)
Ausstellungsbesuch in Hamburg
Globalisierung eines modischen Mainstreams
„Fast Fashion“ steht als Synonym für ein massenhaft hergestelltes Modeprodukt. Ganz oben in der Hierarchie der Mode steht die Haute Couture mit Glanz und Gloria der großen Häuser, Label und Namen, gefolgt von „Prêt-á-Poerter“ und dem sogenannten mittleren Preissegment. Am unteren Ende der Kette folgt Fast Fashion und steht für billige, schnell konsumierbare Massenware. Globalisierung eines modischen Mainstreams. In keinem anderen Bereich der Konsumgüter funktioniert das Prinzip der Bedürfniserschaffung so gut wie in der Mode.
Instinkte manipuliert
Die Niedrigpreispolitik samt ihrer Marketingmaschinerie packt die Konsumenten bei den ureigensten Instinkten. Sie aktiviert die Sehnsucht nach Schönheit und Glück. Hochglanzmagazine, Fashion-Blogs, TV-Shows gaukeln den Konsumenten vor, wie wichtig es ist, immer „im Trend“ zu sein. Die Haute Couture Unternehmen legen diese Trends vor und der Fast Fashion Sektor zieht mit schwindelerregender Geschwindigkeit nach. Bis zu zwölf neue Kollektionen im Jahr, für den kleinen Geldbeutel zu haben. Jeder kann ein Star sein, ein Model, „in jeder Frau steckt eine Prinzessin“, so die verlockenden Botschaften.
Fashion und ihre wahren Victims
Die andere Seite der Medaille: Niedrigpreise gleich Niedriglöhne! Haarsträubende Produktionsbedingungen in den Fabriken, zumeist in Fernost, eingestürzte Fabrikhallen, verschüttete, verätzte, verstümmelte Opfer der schnellen Billigtextilindustrie, erschöpfte Näherinnen in riesigen Maschinensälen. Dazu hat der Massenkonsum auch ernsthafte ökologische Folgen. Er schädigt Umwelt und Mensch schwerwiegend und nachhaltig. Es kommt zum Einsatz aggressiver, hochgiftiger Chemikalien bei der Produktion und „toxischen Veredelung“ von Kleidung. Die Rohstoffe, wie Baumwolle, sind zum Teil stark mit Pestiziden belastet, der Wasserverbrauch ist enorm. Es entstehen Berge von Textilmüll.
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All das zeigt die Hamburger Ausstellung sehr explizit. Sie will ihre Betrachter wach rütteln. Die Fotos, Exponate, Videos und Grafiken, die düstere Fakten zur Bekleidungsproduktion liefern, sprechen Bände. Und die Besucher beantworten sich rasch selbst die Frage, wie es sein kann, dass ein T-Shirt nicht mehr kostet als ein Coffee-To-Go, ein Kleid so viel wie eine Pizza, eine Hose so viel wie eine Tageskarte im Schwimmbad.
Entschleunigung statt Beschleunigung
„Fast Fashion“ ist die erste Ausstellung, die sich umfassend, differenziert und kritisch mit dem Kreislaufsystem Bekleidung auseinandersetzt. Hier wurde akribisch gesammelt, Fakten gebündelt und gezeigt, die bereits durch die Presse gingen, aber beim Shoppen zumeist ausgeblendet werden, wenn es um die Befriedigung schneller Bedürfnisse geht. Die Ausstellung trifft den Nerv der Zeit sehr genau und lässt kein Detail der dunklen Seite der Mode aus. Nicht nur die Bilder der Opfer eingestürzter Fabriken sind beklemmend, auch beschämen die Clips jener Fashionisten, die auf Youtube sogenannte „Haul Videos“ hochladen, in denen sie ihre Schnäppchenbeute bei Shoppingtrips präsentieren, je mehr, je billiger, desto besser.
„Slow Fashion“ zeigt Alternativen
Aber die Ausstellung will nicht nur verurteilen, denn auf Mode zu verzichten ist nicht die Alternative. Ein Teil dieser Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) ist das „Labor“. Dort werden unter dem Stichwort „Slow Fashion“ Alternativen aufgezeigt. Das sind beispielsweise neue, nachhaltige Fasern und Technologien, alternative Designansätze des Recyclings, Upcyclings oder Zero Waste. Das „Labor“ zeigt, wie der ethisch vertretbarer Kleiderschrank von morgen aussehen könnte. Die kritische Frage lautet: „Welche Macht hat der Konsument?“ Kuratorin Claudia Banz sagt hierzu: „Wir wollen nicht sagen, dass Mode etwas Schlechtes ist, aber die Konsumenten sollen doch bitte mehr nachdenken.“ Und dann natürlich auch dementsprechend handeln. In der Pflicht stehen hier ebenso Hersteller, Händler und Politiker, aber auch die Elternhäuser und Schulen.
Steht vielleicht in den Ferien eine Reise nach Hamburg auf Ihrem Programm? Ein Abstecher in die hoch interessante und informative Ausstellung ist lohnenswert.