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SoLaWi – mehr als die Gemüsekiste abholen

Initiatorin Angelika Gsellmann bringt Besuchern die solidarische Landwirtschaft näher Foto: Karin Sommer

Vor-Ort-Gespräch in Großhöhenrain

„Es müssen Menschen vorangehen und uns ein Beispiel geben“, sagt Christof Langer, Bildungsreferent des Katholischen Bildungswerkes Miesbach, und stellt gemeinsam mit KulturVision Projekte vor, die Mut machen. Diesmal die solidarische Landwirtschaft, initiiert von Angelika Gsellmann in Großhöhenrain.

Nur drei von geplanten 14 Veranstaltungen im Rahmen des Programmes „Anders wachsen“ können heuer von März bis Juni durchgeführt werden. Eine Zukunft, in der Eigenverantwortlichkeit, Gemeinschaft, Innovation sowie soziales und umweltbewusstes Denken und Handeln im Mittelpunkt stehen, ist durch die den Alltag bestimmende Pandemie nicht weniger, sondern noch wünschenswerter geworden. Angelika Gsellmann ist einer der Menschen, die das schon vor Jahren begriffen haben. In ganz Deutschland war sie unterwegs und hat sich verschiedenste Projekte angesehen, die einen neuen Weg beschreiten, wenn es um Lebensmittelherstellung und ihre Verteilung geht.

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Die Leute ins Boot holen

Weg vom reinen Konsum ist die Idee. Die Leute ins Boot holen, sie näher heranbringen an die Lebensmittelherstellung, damit sie sich damit auseinandersetzen, was notwendig dafür ist, dass der Kopfsalat in der Schüssel landet. Die solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) schien der gelernten Betriebswirtin, Gärtnerin und nun auch Landwirtin Angelika Gsellmann der geeignete Weg. In den Landwirten Martina und Stefan Gebhardt fand sie die geeigneten Partner für ihr ambitioniertes Projekt und gründete vor drei Jahren mit zwanzig Familien „SoLaWi – fair – teilen“ in Form eines Vereins und bio-zertifizierten landwirtschaftlichen Betriebes.

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Besucher bestaunen die Bandbreite des Gemüseangebots. Foto: Karin Sommer

Das Besondere an der solidarischen Landwirtschaft ist, dass keine Produkte verkauft werden. Die Mitglieder des Vereines beschließen in der jährlichen Generalversammlung das Budget. Daraus ergibt sich der Jahresbeitrag für jede Familie, wobei die, die mehr haben, auch mehr geben. Beschlüsse dauern manchmal vielleicht etwas länger, da es nicht reicht, dass die Mehrheit gewinnt. Es wird so lange geredet, bis ein Konsens erreicht wird, damit letztendlich alle hinter den Beschlüssen stehen können. Und dann kann es losgehen. Saatgut wird gekauft, Land bebaut, bürokratische und technische Hürden werden überwunden.

58 Familien bei SoLaWi

Mittlerweile beteiligen sich 58 Familien an dem Landwirtschaftsprojekt. Wichtig ist Angelika Gsellmann dabei, dass die Mitarbeit freiwillig ist. Neben dem wöchentlichen Mitarbeitstag gibt es weitere Möglichkeiten, Hand anzulegen. Kinder freuen sich an der Erbsenernte und lernen dabei, dass sie die Erbsen sofort nach der Ernte essen, einfrieren oder verarbeiten müssen. Auch für die meisten Erwachsenen gibt es viel Neues zu entdecken. Nicht alle wissen, dass der Acker im Frühjahr außer Fenchel, Spinat und Kohlrabi noch nicht viel bereithält oder dass der Rosenkohl erst in der Woche vor Weihnachten geerntet wird, der Grünkohl sogar erst im Januar.

Was mache ich mit dem Mairübchen?

Für das Fachwissen sorgen die angestellten Gärtnerinnen. Neben Tipps zur Einlagerung verschicken sie im wöchentlichen Newsletter die erntereifen Gemüsearten sowie Rezepte zu deren Verarbeitung. Bei herkömmlichen Sorten wie Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln oder rote Beete vielleicht nicht zwingend notwendig, bei ausgefalleneren Gemüsesorten wie Schwarzwurzeln oder dem Mairübchen jedoch sehr hilfreich. Durch das Folgen der Pflanzen von der Ansaat über die Aufzucht bis zur Ernte werden sich die Menschen auch darüber bewusst, dass Gemüse haltbar gemacht werden muss, um das ganze Jahr vom eigenen Acker leben zu können. Gemeinsam wird dann Sauerkraut gestampft, Saft gepresst oder eingekocht.

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Die Gemüsekisten fallen je nach Ernte üppiger oder bescheidener aus Foto: Karin Sommer

Auch der Verlust wird bei SoLaWi geteilt

Eine Besonderheit der solidarischen Landwirtschaft besteht darin, dass alle Mitglieder gemeinsam etwaige Verluste tragen, sich solidarisch durch schwierige Zeiten manövrieren. Voriges Jahr war die Ernte fett, die Gemüsekisten, die jeder beteiligte Haushalt wöchentlich erhielt, prall gefüllt. Dieses Jahr machte starker und andauernder Regen eine prächtige Sommerernte unmöglich, was dazu führt, dass momentan zwar Gemüsekisten wie immer an den drei Ablageorten hinterlegt und dort abgeholt werden können, allerdings fallen sie nicht gerade üppig aus. Die Gärtnerinnen werden trotzdem bezahlt und die Hoffnung auf einen sonnigen Herbst bleibt bestehen.

Der Klimawandel verlangt Flexibilität

In einer vom Klimawandel geprägten Zeit heißt es flexibel bleiben, weiß Angelika Gsellmann. Heuer hätte die Dammanbauweise die Pflanzen davor retten können, im Wasser zu versinken, doch nächstes Jahr könnte eine Dürreperiode folgen und die mögliche neue Anbauweise würde sich verheerend auswirken. Voriges Jahr war der Erdfloh eine beachtliche Bedrohung für die Kohlpflanzen, heuer war alles auf eine weitere Invasion des Schädlings vorbereitet – und er kam nicht.

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Der Ackerboden wartet auf wärmende Sonnenstrahlen Foto: Karin Sommer

Doch solche Stolpersteine halten das innovative Projekt nicht ab davon, stetig weiterzuwachsen. Heuer entstand das erste Gewächshaus, ein weiteres wird folgen. Angelegt ist das Unternehmen auf eine Vollversorgung seiner Mitglieder. Der Daveichtenhof ist dafür bestens geeignet, beherbergt er doch neben unterschiedlichen Milchkuhrassen auch Enten, Hühner, Gänse, einen Obstgarten und Platz für Angelika Gsellmanns Bienenstöcke. Platz für weitere Haushalte ist noch vorhanden, aufgenommen werden neue Mitglieder immer nur zu Beginn der Anbausaison. Interessenten mit Gemeinschaftssinn und Interesse an hochwertig, lokal und fair produzierten Lebensmitteln dürfen sich gerne melden.

Näheres zum SoLaWi-Projekt in Großhöhenrain auf der Webseite. Das nächste Vor-Ort-Gespräch findet am 23.7. um 18.00 statt. Christof Langer lädt in sein Zuhause ein und wird seinen persönlichen Beitrag zum Thema „Anders wachsen“ vorstellen. Anmeldungen beim Katholischen Bildungswerk im Landkreis Miesbach.

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