Sommertheater in Miesbach: Bewegend und berührend
Beethovens Maske ist stumm. Foto: Petra Kurbjuhn
Sommertheater in Miesbach
Vermeintliches Wetterpech erwies sich am Samstagabend als Glück: „Kiki van Beethoven“ fand im Gewölbe des Waitzinger Kellers statt. Die verdichtete Atmosphäre gab dem Stück noch mehr Tiefe und die großartige Schauspielkunst von Theresia Benda-Pelzer und von Andreas Nirschl übertrug sich auf die bewegten Zuschauer.
Am Ende hatten alle Tränen in den Augen. Mit Standing ovations feierte das Publikum das Sommertheater in Miesbach, eine großartige Inszenierung von Steffi Baier, die mit ihren Regieeinfällen das Stück von Eric-Emmanuel Schmitt zu einem berührenden Erlebnis machte.
Anfangs sind sich Kiki und Otto sehr fremd. Foto: Max Kalup
Eigentlich passiert nicht viel: Eine ältere Dame mit einem Rollkoffer trifft im Park einen jungen Mann, sie hört Beethoven, er hört Hiphop. Aus anfänglicher Distanz, gar Abwehr wird im Laufe mehrerer Treffen Zuneigung, infolgedessen die verkrustete Dame von dem Jugendlichen sogar etwas lernen kann.
Denn sie hat Kummer. Ihre Beethovenmaske ist verstummt, früher ertönte Musik von ihr, aber jetzt hat sich etwas verändert, eine Entzauberung fand statt. „Die Schönheit ist nicht zum Aushalten“, sagt Kiki, man werde sich im Unterschied dazu seiner Mittelmäßigkeit bewusst.
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Eine Szene, bei der das Publikum den Atem anhält, ob der intensiven Darstellung von Theresia Benda-Pelzer, ist ihre Erzählung über einen Besuch in Auschwitz. Otto kennt weder Beethoven noch Auschwitz, aber er googelt und informiert sich.
Kiki und Otto sind sich nahe. Foto: Petra Kurbjuhn
Kiki und Otto kommen sich jetzt ganz nahe, er hört ihr zu. Andreas Nirschl spielt den Jugendlichen mit einer unaufdringlichen und dadurch sehr authentischen Präsenz, er ist liebenswürdig und provokant gleichermaßen. Wenn er ihr sagt, „auf deinem Grabstein wird stehen: Sie hasste die Jugend“, dann setzt er bei Kiki etwas in Gang.
Die Liebe ist zwischen ihnen. Foto: Petra Kurbjuhn
Und wenn er ihr sagt „Du musst dich deinem Leid stellen“, dann erwacht sie aus ihrer Verstrickung in das eigene Schicksal. Ihre Entwicklung von der unglücklichen Dame mit Mantel und Hut hin zu einer heiteren jugendlichen Frau in Sportdress ist bei weitem nicht nur äußerlich.
Fantastische Theresia Benda-Pelzer im Sommertheater Miesbach
Theresia Benda-Pelzer gelingt ganz fantastisch in Sprache, Gestik und Mimik die Entpuppung von der Larve zum Schmetterling.
Ihr Leid, über das sie zunächst gar nicht sprechen will, wird durch die Begegnung mit Otto offenbar. Der Sohn tot, mit der Schwiegertochter im Clinch. Er spricht den schrecklichen Satz aus, der ihr Inneres zusammenschnürt: „Wirfst du ihr vor, dass sie weiterlebt und dein Sohn nicht?“
Beethoven als Zwischenspiel. Foto: Petra Kurbjuhn
Steffi Baier hat die einzelnen Szenen, in denen die beiden Protagonisten sich im Park treffen, mit stummen Personen bereichert. Susi Gschwendtner und Miriam Maß sind verschiedene Prototypen, die Glück und Leid verkörpern. Immer wieder aber taucht auch Beethoven mit seiner Maske auf. Damit erreicht die Regisseurin ein retardierendes Moment, in dem das Publikum die dichten Szenen verarbeiten kann.
Otto liest den Brief. Foto: Petra Kurbjuhn
Nachdem Otto am Ende den Abschiedsbrief des Sohnes verlesen darf, löst sich die Verstrickung auf und eine Truppe junger Tänzerinnen und Tänzer liefern nach der Choreografie von Rahel Zelenkowits und Isabella Winkler eine kraftvolle Hiphop-Show.
Hiphop im Sommertheater in Miesbach. Foto: Petra Kurbjuhn
Das Leben kehrt zurück und damit auch die Musik von der Maske. Wer nach dem Ideal sucht, wer sich von der Masse abhebt, wer die Taubheit überwindet, wer sich dem anderen öffnet, dem anderen zuhört, der kann sich entfalten und sein Leid überwinden.
Und so ertönt am Ende der Schlusssatz aus Beethovens 9. Sinfonie „Ode an die Freude“. Dieser Musik kann sich keiner entziehen. Hiphop und Beethoven, Alt und Jung, gemeinsam ist das Wunder möglich.