Wie geht es weiter?
Sonnenaufgang. Foto: MZ
Sonntagskolumne
Die Sommerferien gehen zu Ende. Eine unbeschwerte, sonnige Zeit, die am vergangenen Sonntag einen Dämpfer erhielt. Und jetzt stellt sich die Frage: Wie geht es weiter?
Wir saßen an diesem Sonntagvormittag noch sehr heiter beisammen, auf dem alten Bauernhof im nördlichen Waldviertel. Am Samstag war der zehnte von KulturVision gestaltete Thementag in der renommierten Kulturbrücke Fratres über die Bühne gegangen, ein großer Erfolg. Der Holzkirchner Schriftsteller Peter Becher hatte zum zweiten Mal eine völkerverbindende Veranstaltung Tschechien-Österreich-Bayern organisiert, am Ende tanzten die Menschen zur Musik des tschechischen Musikers Josef G.
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Jetzt genossen wir die Sonne, den weiten Blick, in die Landschaft die selbstgemachte Reneclodenmarmelade, sechs bayerische Frauen, eine davon aus Thüringen stammend, eine aus Sachsen. Über die anstehende Wahl wagten wir nicht zu sprechen.
Blick in die Weite. Foto: Ines wagner
Am Abend dann die Gewissheit, die AfD hatte in Thüringen die meisten Stimmen, in Sachsen die zweitmeisten. Befürchtet hatten wir es schon, aber der Schock war dennoch groß. Wieso haben meine Landsleute so gewählt?
Ich bin in den vergangenen 35 Jahren seit dem Mauerfall sehr oft in Sachsen gewesen und bei Familienfesten auch mit verschiedenen Haltungen konfrontiert worden. Eine Cousine, in einem Helferkreis sehr aktiv, hatte schlechte Erfahrungen gemacht. Ein Geflüchteter hatte ihr Auto gestohlen und verscherbelt. Persönliche Enttäuschung also, die sie in die Fänge der AfD trieb.
Eine allgemeine Einschätzung traue ich mir nicht zu und greife deshalb auf den Profi zurück. Ich hatte im Waldviertel die Gelegenheit Armin Thurner zu treffen, Gründer, Herausgeber und Kolumnist der Zeitung „Falter“. Seitdem lese ich jeden Morgen seine „Seuchenkolumne aus einer vervirten Welt“.
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Dort fand ich folgendes: „Mir ist Ostdeutschland kein Rätsel. Diese kalte Kolonisierung durch das westdeutsche Kapital mit peinlicher Verbrämungsrhetorik (blühende Landschaften), dieser Ausverkauf und diese Degradierung von allem, was da war, diese Unfähigkeit, fair mit eigener und fremder Geschichte umzugehen – das alles musste Reaktionen hervorrufen.
Noch etwas machte mich unrund. Die Wählerschaft hätte, so hörte ich von Politikberatern oder ähnlichen Experten, die mir politisch sind, was mir die Voodoo*isten ökonomisch sind, also die Wählerschaft hätte diesmal nicht mehr aus Protest gewählt, sondern ein „konstruktives Votum“ abgegeben, weil sie die AfD mit Handlungsmacht ausgestattet habe, sie also regieren sehen wolle. Ist es ein konstruktives Votum, Faschisten regieren sehen zu wollen?“
Armin Thurnher bei seiner Lesung in der Galerie Reinberg. Foto: MZ
In einem TV-Beitrag hörte ich genau diesen Vorschlag. Ein Mann sagte, man solle die AfD ruhig regieren lassen, dann würde man schon sehen, ob sie dazu in der Lage sind.
Mitte der Woche bekam ich wieder Besuch aus Bayern und wir sprachen über diese Idee. Nein, waren wir uns einig. Die Nationalsozialisten waren in der Weimarer Republik an die Macht gekommen, weil sie die demokratische Verfassung voll ausgeschöpft hatten. Eine rechtspopulistische Partei an der Regierung?
Familienvatertrick zur Wahl
In Österreich haben sie gerade dasselbe Problem. In Kürze ist Wahl zum Nationalrat. An den Straßen fand ich die Plakate der rechtspopulistischen FPÖ, die zurzeit die Nase vorn hat. Ihr Kandidat Herbert Kickl wirbt mit solchen Sprüchen, wie „5 gute Jahre“ oder „Euer Wille geschehe“.
Und ich zitiere wieder Armin Thurnher: „Der Mann mit dem Familienvatertick, der Gottseibeiuns, der unser aller Vater sein möchte, wirbt tatsächlich mit dem Spruch „Euer Wille geschehe“. Hält er die Leute für so blöd, dass sie nicht wissen, wie es im Original heißt: „Vater unser … dein Wille geschehe“? Wer Augen hat zu lesen, wird unseren homegrown fascist eh nicht missverstehen.“
Nun bin ich wieder in Bayern und widme mich der regionalen Kultur. Und frage mich: Wie geht es weiter in Europa? Und was kann der Einzelne tun, um die Demokratie zu erhalten? Eine Menge.