Kooperation ist ein Naturgesetz
Referentin Dr. Monika Ziegler zitiert aus dem „Brennstoff“ . Foto: Petra Kurbjuhn
Vortrag in Holzkirchen
Was hat es mit Sozialer Intelligenz auf sich? Wer hat das Primat – das Ich oder das Wir? Und wohin führt uns das? Monika Zieglers spannender Vortrag über Soziale Intelligenz stiftete zum Nachdenken an – und vielleicht auch zum Handeln.
Zur Reihe „Künstliche Intelligenz“ hatte die VHS Holzkirchen Monika Ziegler eingeladen, zwei ergänzende Vorträge beizusteuern. Nach „Emotionale Intelligenz“ im November lud die Initiatorin von KulturVision und promovierte Physikerin jetzt zu „Soziale Intelligenz“ ein.
Die Frage nach der Vorherrschaft stellte sie ganz zu Beginn: Ich oder Wir, Freiheit oder Verbundenheit? Gehe es um Selbstverwirklichung oder um Kooperation? Der Abend gab zahlreiche Antworten, Beispiele und Impulse.
Spiegelneuronen fördern Empathie
Von der Naturwissenschaft ausgehend zeigte die Wissenschaftlerin, dass Kooperation statt Einzelkampf in allen Bereichen angelegt ist. Seien es Atome, die danach streben, sich zu Molekülen zu vereinigen, oder Moleküle, die gemeinsam Zellen bilden, um sich zu stabilisieren. Aus der Hirnforschung ist der Effekt der Spiegelneuronen bekannt. Weint ein Kleinkind, weint das andere mit. Gleichzeitig sind Kinder oftmals besser in der Lage zu trösten, weil sie sich intuitiv in das andere hineinversetzen. Auch hier sind Spiegelneuronen am Werk.
Symbol für Verbundenheit. Foto: Monika Ziegler
Soziale Intelligenz ist also ein Naturgesetz, legte Monika Ziegler dar. Auch in der Tierwelt kümmere sich oftmals die ganze Herde um ein Neugeborenes, wie beispielsweise die Elefanten. Auch Darwin habe nicht nur gesagt, dass der Stärkste überlebt, sondern auch, dass zum Überleben Empathie notwendig ist.
Soziale Intelligenz: Das gestärkte Ich
Was hat es mit dem Ich auf sich und welche wichtige Rolle kommt ihm zu? – war die wichtige zentrale Frage. Demnach seien Selbstverwirklichung, Selbstfürsorge, Selbstbewusstsein und Selbstmitgefühl wichtige Eigenschaften, die den Einzelnen prägen und stabilisieren. „Sorge dafür, dass es dir richtig gut geht und dann tu, was zu tun ist“ gilt als Schlüsselsatz. Nicht das egozentrische sondern das gestaltende Ich ist gefragt. Dann entsteht durch Potentialentfaltung ein inneres Wachstum – durch Begegnung und Reflexion mit Anderen.
Dr. Monika Ziegler beim Vortrag „Soziale Intelligenz“. Foto: Petra Kurbjuhn
Ist das Ich gestärkt, kann es das Wir unterstützen. Der Religionsphilosoph Martin Buber sagte dazu: „Der Mensch wird nur am du zum ich.“ Welche Auswirkung das auf unsere Beziehungen hat, erklärte Monika Ziegler anschaulich. Die Soziologie spräche von Ich-Du-Beziehungen, die gut gelängen. Sie sind von Vertrauen geprägt. Hingegen Ich-Es-Beziehungen seien reine Objektbeziehungen, in denen der Eine um des Vorteils Willen mit dem Anderen in Verbindung stehe. Deshalb bezeichnete die Referentin als Goldene Regel: „Behandele jeden so, wie du selbst behandelt werden möchtest.“
Flache Hierarchien und Vertrauen
In der Schule bedeute das beispielsweise, dass der Lehrer den Schüler ermutigt und gemeinsam mit ihm nach Erkenntnis sucht, Leidenschaft entfacht. Im Unternehmen würde sich das in flachen Hierarchien gestalten, in Vertrauen und der Einladung von Führungskräften an die Mitarbeiter zum Selbstdenken und Mitentscheiden. Der Status Quo sei allerdings leider ein anderer.
Die Zuhörer machten sich Notizen. Foto: Petra Kurbjuhn
Weiteres wichtiges Wort des Vortragsabends war „Anstand“. Monika Ziegler zitierte neben Schriftsteller Axel Hacke, der gerade ein bemerkenswertes Buch zum Thema veröffentlicht hat, viele weitere Denker und Philosophen. Zur Vorbereitung des Vortrages war sie in der Broschüre „Brennpunkt“ vom Waldviertler Schuhfabrikant Heini Staudinger mit dem Thema „Brüderlichkeit“ auf viele eindrückliche Beiträge aufmerksam geworden.
Titelblatt „Brennstoff“ Ausgabe Nr. 50 von GEA Thema „Geschwisterlichkeit“. Bild: GEA
Stetige Arbeit an sich selbst und der Kampf um menschlichen Anstand ist die Voraussetzung für gelingende Gemeinschaften. Die Vision ist, dass Gemeinschaften auf der Wir-Wir-Ebene funktionieren, statt auf der Wir-Sie-Ebene. Sonst würden die anderen Gemeinschaften ausgegrenzt, abgelehnt, angefeindet. Das gilt für Vereine und Parteien ebenso wie für Religionsgemeinschaften und Staaten. Diese Vision teilte bereits John Lennon in seinem Lied „Imagine“. Noch ist sie eine Vision.
Gestärktes Ich fördert Gemeinschaft
Den Kreis schloss Monika Ziegler wieder zum Ich – mit Philosoph Tim Leberecht. Dieser fordert eine neue Empfindsamkeit, Individualität, Empathie und Spiritualität des Einzelnen – als Stärkung der Gemeinschaft. Dazu, schloss Monika Ziegler, brauche es eine „kulturelle Erneuerung“. Damit wies sie auf die Stiftung für Kulturelle Erneuerung in München hin – und auf die große Resonanz der Menschen im Landkreis auf die Anders wachsen-Bewegung von KulturVision.