Max Mannheimer

„Spätes Tagebuch“ von Max Mannheimer

„Gegen das Vergessen“. Foto: MZ

Lesung in Miesbach

Im Rahmen der Initiative „Gegen das Vergessen – 9./10. November 1938“ durfte das Publikum im Gewölbe das Waitzinger Kellers eine bewegende Lesung aus Max Mannheimers „Spätes Tagebuch“ erleben. Michael Stacheder sprach aber auch über die Gegenwart.

Wegen der Vorkommnisse in der Gegenwart falle es ihm schwer von Erinnerungskultur zu sprechen schloss Michael Stacheder seinen Vortrag im Miesbacher Kulturzentrum. „Wir müssen lauter werden“, forderte er, denn die Demokratie sei in Gefahr. Der Ukrainekrieg, das neuerliche Auftreten von Donald Trump und der wieder aufkommende Antisemitismus seien drohende Zeichen.

Terror des Nationalsozialismus

„Auschwitz hat uns nie verlassen“, konstatierte der Regisseur und Schauspieler, der sich in seinen bisherigen Inszenierungen bereits mehrmals mit dem Terror des Nationalsozialismus auseinandersetzte und sich insbesondere mit Max Mannheimer beschäftigte. So organisierte er die Max-Mannheimer-Kulturtage in Bad Aibling.

Lesetipp: Erinnern für die Zukunft – Michael Stacheder und die Max Mannheimer Kulturtage, KulturBegegnungen Nr. 34, Seite 18

Inge Jooß, Integrationsbeauftragte der Stadt Miesbach, hatte zu der Aktion gegen das Vergessen aufgerufen. So durfte das Publikum Kerzen mit dem Aufdruck „Gegen das Vergessen – 9./10. November 1938“ nach der Veranstaltung mit nachhause nehmen und ein Licht daheim ins Fenster stellen. Die Lesung würde es ganz gewiss nicht vergessen.

Max Mannheimer
Michael Stacheder. Foto: MZ

Michael Stacheder verknüpfte Passagen aus Max Mannheimers Aufzeichnungen mit Zusatzinformationen über die jeweilige Zeit und das politische Geschehen. So war der Vortrag einerseits informativ, andererseits aber tief berührend. Der Schauspieler gestaltete seine Lesung durch Sprache, Mimik und Gestik spannend und abwechslungsreich.

Unsagbares Grauen

Erst spät, nämlich 1983 veröffentlichte Max Mannheimer sein „Spätes Tagebuch“. Es ist von klarer, präziser Sprache, keineswegs larmoyant, sondern vielmehr in lapidaren Worten über das unsagbare Grauen abgefasst, das er im KZ Auschwitz erleben musste, wo er mit Ausnahme eines Bruders seine gesamte Familie verlor.

Max Mannheimer
Max Mannheimer offiziell. Foto: privat

Aber die Demütigung durch die Nationalsozialisten und auch ganz normale Nachbarn gegenüber der jüdischen Familie begann schon viel früher. „Sieg heil“ hätten die Menschen gebrüllt, als das Sudetenland von Hitler besetzt wurde, und „es wird schon nicht so schlimm werden“, habe der Vater gesagt. Dann aber brannte die Synagoge am 10. November, die Synagoge, in der ein Christ die Orgel gespielt hatte, damals als die Welt noch in Ordnung war.

Deportation nach Auschwitz

Max Mannheimer, so erzählt Michael Stacheder, habe sich gegen eine Auswanderung nach Palästina entschieden und wurde letztlich nach Auschwitz deportiert. Was er und sein Bruder Ernst dort erlebten, beschreibt der Autor so, dass Zuhörende sprach- und fassungslos werden.


Michael Stacheder. Foto: MZ

„Wie lange kann man das aushalten?“ fragt Max Mannheimer. Hunger, Misshandlungen, Krankheiten, der Einsatz von Sonderkommandos von Häftlingen an den Gaskammern, all das wird beschrieben. „Zwischen Leben und Tod lagen nur wenige Sekunden“, schreibt der Autor. Er und sein Bruder hätten geschworen: „Wir werden Auschwitz überleben.“

Die beiden Männer schafften es letztlich, aus Auschwitz abtransportiert zu werden und sie kamen nach Dachau, wo kurz vor Ende des Krieges die SS-Leute Pluspunkte bei den Häftlingen sammelten, um später möglichst ungeschoren herauszukommen. „Wir sind frei“, schreibt er am 30. April.

Zeitzeuge Max Mannheimer

Er konstatiert seine Trauer über den Verlust der Angehörigen ebenso wie sein Entsetzen und seine Enttäuschung, dass Menschen in Deutschland in der Lage waren, diese ungeheuerlichen Verbrechen zu begehen.

Max Mannheimer war bis zu seinem Tode im September 2016 unermüdlich tätig in Vorträgen, Diskussionen und Führungen durch die KZ-Gedenkstätte Dachau. In zahllosen Veranstaltungen, vor allem in Schulen, leistete er die schmerzlichste Arbeit der Erinnerung.

Er habe aber auch seine Traumata durch Malen verarbeitet, erzählte Michael Stacheder. Farbexplosionen seien diese Bilder.

Max Mannheimer
Gegen das Vergessen. Foto: MZ

Er selbst habe ihn einige Male getroffen und als Mahnenden kennengelernt, der als engagierter Zeitzeuge insbesondere betont habe, dass wir die Verantwortung dafür haben, dass so etwas nie wieder passiere. Und so sehe er sich als derjenige, der den Staffelstab übernehme und diese Mahnung weitergebe. „Kunst und Kultur haben dabei einen großen Stellenwert“, betonte Michael Stacheder.

Am 22. November um 20 Uhr liest im Kulturzentrum Waitzinger Keller die Autorin Julya Rabinowich „Dazwischen: Wir“.

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