Tracht in Miesbach – Blick hinter die Kulissen
Verena Zemme mit ihrem Buch „Tracht in Miesbach“. Foto: Isabella Krobisch
In die Welt der Miesbacher Tracht einst und heute führt Verena Zemme in ihrem Buch. Jetzt führt sie auch Interessierte durch die Kreisstadt ganz nah an den Ort des Geschehens. Zur Premiere durften wir fünf Orte kennen lernen, wo die Tracht lebt.
„Das Wichtige an Miesbach ist nicht nur, dass die Stadt Wiege der Tracht ist, sondern dass sie hier lebendig ist“, eröffnet Verena Zemme ihre Führung am Trachtenbrunnen am Lebzelterberg. Die Tracht sei hier Lebensgefühl und Wirtschaftsfaktor gleichermaßen. Und so soll die Stadtführung, organisiert vom Kulturamt der Stadt Miesbach, zu den Orten führen, wo Tracht entsteht.
Der Schalk stammt vom französischen Hof
Wir beginnen unsere Reise hinter die Kulissen bei Müller-Tracht. Hier finden wir normale Dirndl aber auch den Schalk, der vom französischen Hof stammt und seinen Weg auf das Land gefunden hat. Verena Zemme erklärt uns am Objekt das versteifte Jäckchen mit seinen schwarzen Röschen und Schlaufen, seinen Haken und Ösen und seinem mit echten Blumen bestücktem Balkon. „Es ist das einzige Hochzeitskleid, das man sein Leben lang tragen kann“, sagt Verena Zemme. Zum Anziehen allerdings benötigt man Hilfe.
Gerti Reichenberger von Müller-Tracht berät. Foto: Isabella Krobisch
Gerti Reichenberger führt mit einer Teilnehmerin der Führung ein echtes Kundengespräch. Die „Kundin“ wünscht sich einen Rock mit Spenzer und bekommt Stoffe, Borten, Knöpfe zur Auswahl vorgelegt. Fertig allerdings würde das gute Stück erst im Oktober, die Dirndlschneiderinnen sind voll ausgelastet.
Evelyn Müller erklärt ihre Auffassung von Tracht. Foto: Isabella Krobisch
Gleich gegenüber hat Evelyn Müller ihr Geschäft. Die Schneidermeisterin vertritt die moderne Linie, erklärt, dass heute Blusen enganliegend und schlicht sind, die Röcke kürzer werden und unten gern verziert, aber immer unterhalb vom Knie enden müssen. Sie unterscheidet ihre Modelle von der Originaltracht, die von den Mitgliedern des Trachtenvereins getragen werden. Oft kämen auch Kunden mit alten Teilen, die sie umarbeitet.
Ferdinand Moser bei der Arbeit. Foto: Isabella Krobisch
Nur wenige Schritte sind es zur einzigen Säcklerei in Miesbach. Hier fertigen Monika und Ferdinand Moser Hosen aus Hirschleder. Es ist ein selten gewordenes Handwerk, das viel Kraft, Geschick und Wissen erfordert. Ferdinand Moser fertigt alles in Handarbeit. Bis zu 40 Stunden sitze er für eine Lederhose an der Stickerei. Ob Weinlaub, Efeu- oder Eichenlaub, jedes Muster fertigt er in Farben, die der Kunde wünscht, „außer rot und blau“, meint er. Das Leder, so erfahre ich von ihm, ist mit Fischtran gegerbt, dadurch werde es weich und lasse sich besser stechen.
Maximilian II. und die Miesbacher Tracht
Auf dem Weg zu unserer nächsten Station erzählt Verena Zemme, dass Kronprinz Ludwig der Trendsetter in Sachen Tracht gewesen sei, denn anlässlich seiner Hochzeit mit Prinzessin Therese 1820 seien Vertreter der verschiedenen Regionen Bayerns in Tracht erschienen und das habe ihm sehr gefallen. Später dann habe Maximilian II. auf seiner Reise durch das Land die Miesbacher Tracht besonders ins Herz geschlossen.
Sabine Kaßmannshuber führt ein Dirndl vor. Foto: Isabella Krobisch
Im Geschäft der Firma Gössl am Markt empfängt uns Sabine Kaßmannshuber und erzählt, dass Pfoad- und Dirndlblusen am Anfang der siebzigjährigen Geschichte der Salzburger Firma standen. Heute steht der Name für konservative Klassik hoher Qualität, zwar Konfektion, aber immer ist auch Stickerei in Handarbeit dabei. „Tracht darf aber durchaus auch modern interpretiert werden“, sagt die Inhaberin und zeigt uns modische Teile. Sie betont, dass man nur Naturmaterialien verwende.
Ingrid Hörmann zeigt uns Strickwaren. Foto: Isabella Krobisch
Eigentlich gehöre zu der Führung Trachten Jäger an der Rathausstraße dazu, sagt Verena Zemme, aber das Geschäft werde gerade umgebaut. So ist unsere letzte Station das Modehaus Waizmann, ältestes Trachtenhaus in Miesbach, das heute neben der Tracht auch andere Mode anbietet. Ingrid Hörmann zeigt uns aktuelle Modelle: eine modische Kapuzenjacke und einen Gehrock. „Wir wagen den Spagat zwischen Tradition und Moderne“, sagt sie, wobei die Tracht wieder mehr gepflegt werde, beispielsweise würde beim Schulabschluss oft Tracht getragen. „Tracht ist sehr weiblich und macht eine gute Figur“, sagt sie.