Alte Liebe rostet und neue Liebe fürs STADTRADELN
Da geht die Sonne auf… Foto: Anschi Hacklinger
Sonntagskolumne
Es war eine schmerzhafte Trennung nach fünf gemeinsamen Jahren. Gemeinsam gingen, nein, fuhren Spatzl und ich durch Dick und Dünn. Und im betagten Alter von seinen knapp dreißig Jahren mussten wir feststellen: Er rostet so sehr, dass der anstehende TÜV uns sowieso geschieden hätte. Schmerzlich war der Abschied. Aber – jetzt gibt es STADTRADELN:
Sogleich begann ein neues Kapitel – Fahrrad fahren. Und das in bester Gesellschaft: In der Zeit vom 3.-23. Oktober 2020 findet im Landkreis Miesbach die Aktion STADTRADELN statt, veranstaltet vom Klima-Bündnis und dem ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club).
Seit 2008 gibt es die Aktion STADTRADELN, um möglichst viele Menschen für das Umsteigen auf das Fahrrad im Alltag zu gewinnen und dadurch einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Neue Wege für’s Fahrrad. Foto: Anschi Hacklinger
Der Landkreis Miesbach ist mit von der Partie, Klimaschutzmanagerin Mona Dürrschmitt wirbt bei den einzelnen Gemeinden um rege Teilnahme. Stand jetzt sind Miesbach, Gmund, Tegernsee, Bad Wiessee, Holzkirchen, Otterfing und Weyarn mit dabei. Alle Menschen, die in diesen Orten wohnen, arbeiten, einem Verein angehören oder eine Schule besuchen, können bei der Kampagne STADTRADELN mitmachen und möglichst viele Radkilometer sammeln. Gewertet, ausgezeichnet und Preise vergeben wird nach unterschiedlichen Kategorien, Teamgröße, Kilometer etc.
Radeln für den Klimaschutz – STADTRADELN
Etwa ein Fünftel der klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland entstehen im Verkehr, sogar ein Viertel der CO2-Emissionen des gesamten Verkehrs verursacht der Innerortsverkehr. Wenn circa 30 Prozent der Kurzstrecken bis sechs Kilometer in den Innenstädten mit dem Fahrrad statt mit dem Auto gefahren würden, ließen sich etwa 7,5 Millionen Tonnen CO2 vermeiden.
Ohne Auto? Geht das?
Und Spatzl, der 30 Jahre alte Fiat Cinquecento? Der bleibt in bester Erinnerung, einen Nachfolger wird’s nicht geben. Ein halbes Jahr ist der Abschied mittlerweile her, ein halbes Jahr ohne eigenes Auto. Nicht in der Großstadt, nein, auf dem Dorf im Alpenvorland, sprich: bergig.
Radeln für alle. Foto: Olaf Fries
Leben ohne eigenes Auto heißt: Mehr Planung bzw. Zeit, um von A nach B zu kommen. In meinem Fall aber auch wieder nicht so viel mehr – der Unterschied von Weyarn nach Holzkirchen beträgt 15 min. Bei Stau durch Holzkirchen noch weniger. Bei ordentlichem Gegenwind wieder mehr. Privates Fitnessprogramm inklusive.
Es heiß aber auch: mehr Freiheit. Jeder Kilometer ist selbst erstrampelt, manchmal anstrengend, manchmal auch nass und kalt – aber es ist ein wunderbares Gefühl, näher an der Natur zu sein. Ein anderes Gefühl für Entfernungen und Wetter zu bekommen, eben die Gegebenheiten, wenn ein Mensch draußen unterwegs ist.
Challenge Bergtour oder Urlaub ohne Auto
Und ja, bei längeren Strecken bin ich mit dem Zug unterwegs und wenn‘s gar nicht geht, kann ich mir ein Auto von Freunden ausleihen. Und Bergtouren werden eben so geplant, dass sie mit dem Zug und Radl möglich sind.
Urlaub mit Fahrrad. Foto: Anschi Hacklinger
Lustigerweise ist das Autofahren mittlerweile so eine Besonderheit geworden, dass ich dann an meine Oma denken muss. Die sagte bei solchen Gelegenheiten, wenn jemand sie zu einem Ausflug mitnahm: „Heute durfte ich mit dem Auto wegfahren.“
Es mag ein Fortschritt der Zivilisation sein, sich individuell mit 1,5 t Blech um sich herum dank Klimaanlage immer gleich temperiert völlig unabhängig von Witterung und Entfernung fortzubewegen.
Aber es war auch ein extrem schöner Moment, komplett nassgeregnet erstmal mitsamt Kleidung in die warme Dusche zu gehen. Oder festzustellen, dass auch 30 Grad nicht zu heiß sind zum Radlfahren, der Fahrtwind kühlt immer.
Lesetipp: Klugscheißer sterben einsam
Nein, es ist kein Verzicht. Es ist Lebensqualität.
Ausgezeichnet wird übrigens auch das fahrradaktivste Kommunalparlament des Landkreises.