Starker Fotograf fotografiert starke Frauen
Seniorin in Istanbul. Foto: Manfred Lehner
Fotoausstellung in Holzkirchen
„Starke und weniger starke Frauen“ lautet das Motto, unter dem der Valleyer Fotograf und Grafiker im Foyer des Holzkirchner Kulturhauses „Kultur im Oberbräu“ 96 Frauenporträts zeigt. Eins ausdrucksstärker als das andere, eins beeindruckender als das andere.
Manfred Lehner, dessen Hauptaugenmerk schon lange auf der Darstellung des Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen liegt, verengte für diese Ausstellung noch einmal den Blick: das weibliche Geschlecht, immer noch von vielen als das „schwache“ bezeichnet – wer oder was immer für diesen Unsinn verantwortlich sein mag –, dominiert hier ohne Wenn und Aber. Junge, alte, hellhäutige, dunkelhäutige, fröhliche, traurige, arme, gut situierte, sitzende, stehende, liegende Frauen. Frauen in Valley, Holzkirchen, Asien und Afrika.
Kompetenz und Einfühlsamkeit
Von der Seniorin im Altenheim, von Mädchen, die ausgelassen über einen Bach hüpfen, von der Bäuerin vor ihrem Kuhstall bis zur Primaballerina im Staatsballett. Und schließlich von der Ordensschwester im Flüchtlingslager bis zu den Frauen, die für ihre Rechte und eine freie gerechte Welt kämpfen. Auf jeder der Schwarz-Weiß-Fotografien ist zu spüren, wie gut sich die Objekte beim Fotografen aufgehoben fühlen, bei seiner Kompetenz, seiner Einfühlsamkeit in die Situation – eine wichtige Voraussetzung für gelungene Porträtaufnahmen, wenn nicht sogar die entscheidende.
Stimmungsvolle Vernissage
Bei der gut besuchten Vernissage, die bewusst auf den Weltfrauentag gelegt wurde, sorgte die Valleyer Liedermacherin Annemarie Hagn – selbst in der Galerie der starken Frauen vertreten – mit eigenen Songs für eine entspannte Stimmung. Schauspielerin und Regisseurin Lydia Starkulla hob in ihrer launigen Laudatio eine besondere Qualität des Fotokünstlers hervor: „Die Fotografierten haben eines gemeinsam, so unterschiedlich sie auch sein mögen: das große Vertrauen zu Manfred. Sie zeigen ihm ihre Privatsphäre, lassen ihn rein – auch ein Stück weit in ihre Persönlichkeit.“
Brunnenfest Viktualienmarkt und Annemarie. Foto: Manfred Lehner
Tatsächlich geht es bei Manfred Lehners Fotografie nicht um Brennweiten, Verschluss- oder Belichtungszeiten. Dass mit den fototechnischen Variablen fachmännisch umgegangen wird, versteht sich für den Perfektionisten von selbst: Fotos mit auch nur der kleinsten technischen Schwäche fallen gnadenlos durch das Lehnersche Qualitätsraster, es sei denn, sie ist aus künstlerischen Gründen beabsichtigt.
Mit den Augen und Worten des Künstlers
Es sind die über die bloße Technik hinausgehenden Qualitätsmerkmale, die den Mitterdarchinger interessieren und die man – wenn überhaupt – nur schwer lernen kann: Gefühl für das Objekt in der jeweiligen, immer anderen Situation, Sensibilität und Menschlichkeit. So interessieren ihn oft die Schwachen mit all ihrer Schutzlosigkeit und Verletzlichkeit.
Georgisches Flüchtlingsmädchen und Indische Kinderärztin. Foto: Manfred Lehner
Zu zwei Bildern steuerte Manfred Lehner seine Gedanken bei. Erstens: Demonstration gegen das Polizeiaufgabengesetz in München, zwei Frauen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen: eine Polizistin, eingezwängt in das Korsett ihrer Ausbildung, ihrer strengen gesetzeshüterischen Profession und ein Punkmädchen, frei und unabhängig. Dieses Spannungsfeld festzuhalten war es, was den 65-Jährigen reizte. Zwei auf ihre Weise starke – oder weniger starke? – Frauen. Kommt ja auch immer drauf an, wie man es sieht.
Präsident ersetzen
Zweites Bild: Bei einer seiner diversen Auslandsreisen (die er manchmal innerhalb des Projekts „Klinikclowns“ unternimmt) verschlug es ihn nach Indien. In Mumbai hatte er Gelegenheit, eine indische Kinderärztin kennenzulernen, die Straßenkinder betreut. Die „starke Frau“, von der ihm ein eindringliches Porträt gelang, muss einen starken Eindruck hinterlassen haben, wünschte sich der Fotograf doch, „einen der Präsidenten, die es derzeit gibt etwa in Brasilien, USA, der Türkei und anderen Ländern, durch so eine Frau zu ersetzen.“
Georgia, Musikerin & Clownin. Foto: Manfred Lehner
Und weiter: „Was ist Stärke? Jedenfalls geht es nicht darum, Bäume auszureißen und Gewichte in die Luft zu stemmen. Es geht um Lebensstärke, innere Kraft, Empathie und die Stärke, nicht immer siegen zu wollen. Und vielleicht sind gerade die Frauen, die vermeintlich zu den nicht so starken gehören, die mit der meisten Kraft.“
Viele der Aspekte, die in der ebenso informationsreichen wie künstlerisch wertvollen Ausstellung verarbeitet sind, können hier gar nicht angesprochen werden. Deshalb sei an dieser Stelle ein Besuch wärmstens empfohlen. Gelegenheit dazu gibt es noch bis zum 2. Mai.