Pariser Geschichte fesselnd erzählt
Stefan Eingärtner in der Abfüllerei in Holzkirchen. Foto: MZ
Buchtipp von KulturVision
In seiner Erzählung „Chalet de la Félicité – der Kiosk der Glückseligkeit“ zeichnet Stefan Eingärtner 300 Jahre Geschichte anhand des Parkes Saint-Cloud in Paris nach, wo sich die Größen aus Politik, Gesellschaft und Kultur trafen.
Wir treffen uns in der Abfüllerei des Unverpacktladens in Holzkirchen. Ob das eine Provokation sei, fragt Stefan Eingärtner lächelnd zur Begrüßung, immerhin habe er viele Jahre in der Verpackungsindustrie gearbeitet. Eine Provokation nicht, aber ich finde den Ort sehr passend, denn der ehemalige Industriekapitän, der bei einem großen Chemiekonzern international tätig war, wandte sich dem Thema Nachhaltigkeit zu und ist heute auf diesem Gebiet Unternehmensberater.
„Ich habe eine große Waschmaschine gekauft und die benutzten Kunststofffolien gewaschen“, erzählt er von den Anfängen seines Engagements vor 30 Jahren. Recycling sei ihm immer schon ein Bedürfnis gewesen, er sei in Brüssel für VinylPlus tätig gewesen, der freiwilligen Selbstverpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung der Europäischen PVC-Industrie.
Literatur, Kunst und Musik
Als ich nach Green Washing frage, sagt er: „Ganz gefährlich, das geht nach hinten los.“ Heute frage der Kunde genau nach Nachhaltigkeit und diejenige Firma könne punkten und damit wirtschaftlichen Erfolg einfahren, die sich ehrlich um Nachhaltigkeit kümmere.
Stefan Eingärtner ist aber nicht nur Unternehmensberater, sondern ebenso leidenschaftlich in der Literatur, Musik und Kunst unterwegs. Die Mutter Künstlerin, der Vater Opernsänger, der Sohn probiert sich in allen Genres aus. Er arbeite jetzt nicht mehr 80 Stunden pro Woche, sondern könne auch Aufträge in seinem Netzwerk vermitteln.
So konnte er sich in den vergangenen sechs Jahren einem Lieblingsprojekt zuwenden: der Geschichte des Parks von Saint-Cloud in Paris, wo er mit seiner Familie mehrere Jahre lang lebte und sich oft in diesem Park aufhielt. Er steht gegenüber Versailles ein bisschen im Schatten, erfährt der Lesende in seinem im Herbst erschienenen Buch, und war doch Zentrum der geistigen Welt.
Von Katharina von Medici bis Napoleon III.
Eingebettet in eine autobiografisch gefärbte Rahmenhandlung lernt die Leserin eine Menge über die französische Geschichte, angefangen bei Katharina von Medici und den unseligen Hugenottenverfolgungen bis hin zu Napoleon III, denn 1871 brannte das Schloss im Deutsch-Französischen Krieg ab, als er in Kassel arrestiert war. Heute ist der Park der Bevölkerung überlassen.
Cover des Buches. Foto: MZ
„Mich fasziniert diese Geschichte“, sagt der Autor, er kehre immer wieder nach Paris zurück, einer Stadt, die für ihn ein Zentrum in allen Belangen sei, ob Verkehr, Soziales, Malerei, Musik, Kunst. „Und immer wieder entdecke ich Verbindungen, so lebte Gabriele Münter ein Jahr in Paris und malte hier.“
Die Verbindung zur Kunst stellte Stefan Eingärtner dadurch her, dass er Lothar Göttler einlud, das Buch zu illustrieren. Der Münchner Künstler malte seine Bilder vor Ort, sie bereichern die Erzählung, die eigentlich ein Roman ist, durch ihre atmosphärische Darstellung.
Wird die Liebe wieder aufflammen?
Das Buch startet mit dem Journalisten Paul, der in einem Sabbatical die Geschichte des Parks erforschen will. Nicht unwichtig ist dabei seine Erinnerung an Severin, er erhofft sich einiges von einer erneuten Begegnung, aber so einfach ist das nicht. Diese Rahmenhandlung, die immer wieder die geschichtlichen Exkurse unterbricht, erzählt von einer Liebesbeziehung vor 20 Jahren. Wird sie wieder aufflammen?
Wege zur Glückseligkeit
Die zweite Erzählebene stellt die Geschichte des Parks vor und in einer dritten Ebene hat Stefan Eingärtner philosophische Gedanken beigesteuert. Denn „Chalet die Félicité“ heißt übersetzt „Kiosk der Glückseligkeit“. „Es gibt viele Möglichkeiten zur Glückseligkeit zu kommen“, meint der Autor, „ob Religion, Liebe oder Macht“. Er wolle seine Leserinnen und Leser zur Nachdenklichkeit anregen. Für ihn sei die Kunst und die Musik ein wichtiger Weg. Und so kommen auch die großen Komponisten Wagner, Gounod oder der Geiger Paganini im Buch vor. Der Autor selbst ist als Geiger in zwei Orchestern und einem Streichquartett unterwegs.
„Das Buch ist wie ein Quilt“, erklärt er, die Erzählstränge, die Akteure und Zeiten vermischen sich und das Ganze werde wie ein Gemälde. Die Leserin wird mitgenommen in eine fantastische Welt, in der Paul auf die historischen Figuren trifft und mit ihnen plaudert.
Leichtigkeit und Humor
Was das Buch auszeichnet, ist auch die Sprache. Stefan Eingärtner versteht es, mit schönen Worten ein literarisch anspruchsvolles Buch zu schreiben, das Freude macht zu lesen, denn neben der Vermittlung historischen Wissens, hat es Leichtigkeit und Humor. kein Wunder, ist Stefan Eingärtner auch Lyriker und hat in seinem ersten Buch „Mit dem Fahrtwind des Planeten“ Gedichte publiziert.
Sein Sinn für das Schöne drückt sich auch darin aus, dass er Kunstsammler und Kunstmäzen ist. So gibt der in Egenried beheimatete Autor Künstlern die Möglichkeit, ihre Kunst zum Verkauf anzubieten. Im November wird die Holzkirchner Malerin Sabine Kühner im RAUMdurchKUNST in Sindelsdorf ihre Werke präsentieren.
Lesungen in Holzkirchen und München
Andererseits aber muss er selbst mit seinem Roman, den er im Eigenverlag publizierte, bei Buchhandlungen anklopfen. „Ich kehre zurück zu den Anfängen meines Berufslebens, wo ich Klinken putzen musste“, lächelt er. Dabei aber erfahre er, wie der Einzelhandel kämpfen müsse. In der Bücherecke fand er Interesse und stellte dort kürzlich sein Buch vor.