Malerei und Typografie
Hans Schneider vor seinen Bildern „Steine“ und „Landschaften“. Foto: Monika Ziegler
Ausstellung in Holzkirchen
„Steine, Landschaft, Blumen, Schrift“ nennt Hans Schneider seine Ausstellung in der Galerie im Autohaus Steingraber, die gestern eröffnet wurde. Die Installation mit dem Goldfischglas und seltsamen Inhalt am Eingang aber lässt vermuten, dass es hier einen besonderen Fokus gibt.
Wissen Sie, was ein Zwiebelfisch ist? Das ist ein fälschlich aus einer anderen Schriftart gesetzter Buchstabe und stammt aus der Zeit, als Texte noch aus Bleilettern zusammengesetzt wurden. Solche Zwiebelfische also schwimmen im Glas anstatt von Goldfischen und weisen darauf hin, dass der ausstellende Künstler einst Schriftsetzer war, später Grafiker wurde, parallel die Malerei für sich entdeckte und jetzt zu seinen Wurzeln zurückkehrt.
Spiegelungen an Tegernsee und Moorsee
Betrachtet man die ausgestellten Werke im Uhrzeigersinn, findet man zunächst reine gegenständliche Malerei. Steine beispielsweise, angereichert durch einen Pferdekopf, der das Mystische von den Steinpyramiden an der Isar bei Bad Tölz andeuten soll. Daneben hängen Landschaftsbilder. Sie sind schon aufgelöst, denn Hans Schneider interessiert sich nicht so sehr für naturalistische Wiedergabe, sondern für Stimmungen. Und so hat er die Spiegelung im Tegernsee ebenso eingefangen wie die völlig andere Anmutung der Stimmung im Moorsee bei Bad Feilnbach. Das Licht auf den Gräsern lässt das Ufer verschwinden.
Bei den Folgenden Blumenbildern geht der Künstler noch einen Schritt weiter und will insbesondere die Farbigkeit ausloten, da gibt es keine echten Formen mehr, nur eingeritzt in die großen Farbflächen hat er ein paar Formen. Wie er beim Malen vorgeht, erzählt er so: „Es beginnt mit einem willkürlichen Fleck und dann spricht das Bild zu mir und weiß wo es hingeht.“ Nach diesem experimentellem Beginn beginnt der Gmunder Künstler sein Bild aufzubauen und zu verdichten bis er die Entscheidung trifft, dass es nun fertig sei.
Hans Schneider: Fotogramme. Foto: Monika Ziegler
Makulatur wird Kunst
Seit einiger Zeit bindet Hans Schneider in seine Malerei Typografie ein. Schriftzeichen, Kalligrafie, Linien, Flächen, das alles sind Gestaltungselemente aus der Vergangenheit, in der der Künstler noch als Schriftsetzer mit Bleilettern arbeitete. Damals vor zig Jahren sammelte er, was andere wegwarfen, Makulatur genannt, also schadhafte Druckbögen. Jetzt sind diese Bögen Inspiration für seine Bilder.
Auch seine Fotogramme stammen aus dieser Zeit, auch das war einmal Abfall, damals, als man für Headlines noch mechanisch Buchstaben platzierte und am Fotosatzgerät entwickelte. Wenn der Entwickler nicht exakt darüber lief, wurden die Ausschnitte weggeworfen, Hans Schneider aber sammelt sie, digitalisierte und reicherte an. Suchspiel: was ist dazu gekommen? Richtig: der rote Punkt, das M und das &.
Hans Schneider: Neue Arbeiten. Foto: Monika Ziegler
Hans Schneider liebt es, einen Mix aus Linie, Buchstabenformen, Textzeilen und Malerei zu einer Collage zusammen zu komponieren. Auf der rechten Seite der Galerie sind seine jüngsten Werke zu sehen. Spielerisch fügt er die Fragmente zusammen, fügt auch Handschriftliches dazu, lässt aber Ober- und Unterbögen weg, so dass man den Text, ein Gedicht von Hermann Hesse, nicht entziffern kann. Die Handschrift, so sagt er, sei das Persönlichste, was der Mensch habe, und er wolle die Arbeit mit ihr verstärken.
Geheimsprache der Schwarzkunst
Das große mittlere Bild nennt er „Borgis“, kann man sich für Scrabble merken, kennt kein Mensch, der nicht Schriftsetzer war. „Wir hatten eine Geheimsprache der Schwarzkunst“, sagt Hans Schneider und man sei stolz auf seinen Beruf gewesen. So hat er auch Farbmarken in ein Bild integriert und in einem hochformatigen Bild die vier Grundfarben des Vierfarbendrucks Yellow, Cyan, Margenta und Schwarz zusammengefügt, mit malerischen Elementen ergänzt und so einen Ornamentcharakter erzeugt.
Blick in die Ausstellung. Foto: Monika Ziegler
Die neuen Arbeiten von Hans Schneider sind maltechnisch sehr komplex, sie stellen ein Experiment dar, Malerei mit Typografie und Elementen aus der Schriftsetzerei zu verknüpfen. So sind die Bilder im Grunde genommen eine Verbindung des Gesamtlebenswerkes eines Mannes, der als Schriftsetzer begann, sich als Grafiker einen Namen machte, die Malerei für sich entdeckte und nun als reifer Künstler von all seinen Erfahrungen und seinem Wissen zehren und daraus etwas völlig Neues und Eigenständiges schaffen konnte.