Der Funke springt über
Flugblätter für die Electricitäts-Ausstellung 1882. Foto: Isabella Krobisch
Miesbach als Wiege eines neuen Zeitalters
Sibylle Kobus und Sabine Köhl haben zu einem auf den ersten Blick recht trockenen Thema eine Ausstellung konzipiert: Strom über Land – eine Idee überträgt sich. Dabei herausgekommen ist eine hinreißende, humorvolle und leichtfüßige Ausstellung im Kulturzentrum Miesbach, dem Waitzinger Keller.
Oskar von Miller und Marcel Depréz gelang 1882 etwas Sensationelles: Im Rahmen der von Oskar von Miller organisierten „internationalen Electricitäts-Ausstellung“ wurde erstmals Strom über eine Strecke von 57 Kilometern übertragen – und das vom beschaulichen Miesbach direkt in den königlichen Glaspalast im pulsierenden München. Miesbachs 1. Bürgermeisterin Ingrid Pongratz erinnerte in Ihrer Eröffnungsrede am vergangenen Sonntag an die bahnbrechende Erfindung. Und daran, dass gerade von hier aus dieser Schritt in eine neue Ära getan wurde und wie Strom für uns dadurch heute selbstverständlich geworden ist. Sogar die Enkelin Oskar von Millers, Marie von Miller, wohnte der Ausstellungseröffnung bei und konnte mit kleinen Geschichten, Anekdoten und Erinnerungen nette Einblicke gewähren.
Marie von Miller, Sabine Köhl, Ingrid Pongratz, Sibylle Kobus (v.l.). Foto: Isabella Krobisch
Ein roter Faden
Der sprichwörtlich rote Faden zieht sich tatsächlich durch die Ausstellung „Strom über Land“ und leitet den Besucher chronologisch durch den Raum. Angelehnt an den Stil eines Comics werden die Impulsgeber, Mitstreiter und Kritiker rund um die Pioniere von Miller und Depréz vorgestellt und das Vorhaben mit all seinen Höhen und Tiefen kurzweilig dargestellt. Sibylle Kobus und Sabine Köhl haben dabei ein Vokabular gefunden, das sehr charmant die mitunter ernüchternden Tatsachen und Umstände dieses Großereignisses aus der Vergangenheit greifbar und plastisch ins Hier und Jetzt holt. Geschichte wird abgestaubt und luftig vermittelt. Nicht nur, dass die Ausstellung phantasievoll und sehr informativ gestaltet ist, sie regt auch zur Auseinandersetzung mit dem Subjekt an. Namen und Tatsachen sind so in den roten Faden eingesponnen, dass sie neugierig machen und zu eigenem Nachforschen anregen. Nichts wäre langweiliger als nur fertige Antworten präsentiert zu bekommen.
Auch so kann Technik vermittelt werden. Foto: Isabella Krobisch
Der Kreis schließt sich
Die beiden Künstlerinnen sind in Miesbach keine Unbekannten. Gut im Gedächtnis dürfte die Installation anlässlich der Ausstellung Tracht in Miesbach geblieben sein. Im April 2018 schwebten im Waitzinger Keller zahlreiche Schalkoberteile durch das Foyer. Auch an die eindrucksvolle Präsentation von Sibylle Kobus im Herbst 2017 wird sich der ein oder andere noch gerne erinnern. Zwerchfell – ein bizarres, langsam vor sich hin atmendes Gebilde inmitten der metallenen Technik der Lüftungszentrale des Kulturzentrums. Kobus als auch Köhl arbeiten als Bildhauer in der Werkstatt des Deutschen Museums in München. Und genau hier schließt sich so schön der Kreis. Das Deutsche Museum wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von besagtem Oskar von Miller gegründet. Sein Bestreben war, jedem Interessierten Wissen und Technik verständlich und anschaulich näher zu bringen. Sibylle Kobus und Sabine Köhl ist dies mit ihrer Konzeption ebenso gelungen. Sie machen Geschichte lebendig und lassen den Funken überspringen.