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Stumpfes Schwert Völkerrecht
Christoph Safferling erläutert die Mechanismen des Völkerrechts. Foto: Andreas Wolkenstein
Vortrag im Korbinians Kolleg
Vor wenigen Tagen kündigte der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz an, den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu einreisen zu lassen, sollte dieser nach Deutschland kommen wollen. Eigentlich wären die deutschen Behörden verpflichtet, den Premierminister zu verhaften. Schließlich liegt gegen Netanjahu ein internationaler Haftbefehl vor, ausgestellt im vergangenen November vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Ist das Völkerstrafrecht also ein stumpfes Schwert, wenn seinen Normen keine Konsequenzen folgen? Der Strafrechtler Christoph Safferling zeigte im Korbinians Kolleg im Hotel Bachmair Weissach auf, warum dies der Fall ist. Deutlich wurde aber auch, dass es Hoffnung gibt.
Gewaltverbot und Selbstverteidigung
Das Völkerrecht gibt die Regeln des Zusammenlebens der Staaten vor, kodifiziert ist es etwa in der Charta der Vereinten Nationen. Es habe derzeit aber keine Konjunktur, stellte Christoph Safferling gleich zu Beginn seines Vortrags fest. Bedroht wird es von vielen Seiten, wurde aus den Ausführungen des Juristen, der Strafrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrt, weiter deutlich. „Wenn Waffen sprechen, ist es schwierig, das Recht durchzusetzen“, erläuterte Christoph Safferling mit Blick auf den Krieg um die Ukraine oder die Vorgänge in Israel und Palästina. Auch das gegenwärtige Gebahren der Vereinigten Staaten von Amerika verursache Schwierigkeiten, etwa wenn der US-Präsident Donald Trump die multilaterale Ordnung der Mächte umzustoßen versucht.
Vom Völkerrecht zum Völkerstrafrecht
In der UN-Charta wird festgelegt, dass lediglich die Selbstverteidigung ein berechtigter Grund dafür ist, zu den Waffen zu greifen. Im Völkerrecht wird so das Verhältnis der Staaten untereinander normiert. Das Völkerstrafrecht zielt demgegenüber auf die Verfolgung von Kriegsverbrechen ab, die in bewaffneten Konflikten begangen wurden. Damit sind Prozesse auch gegen Einzelpersonen möglich. Vorgesehen sind etwa die Verfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen. Auch für den Beginn eines Angriffskrieg kann ein Haftbefehl ausgestellt werden. Der scheitert aber laut Christoph Safferling nicht zuletzt an der Immunität, die Präsidenten und Regierungschefs im Völkerstrafrecht genießen.
Wilhelm Vossenkuhl (links) und Korbinian Kohler (rechts) diskutieren den Nutzen des Völkerstrafrechts mit Christoph Safferling. Foto: Andreas Wolkenstein
„Schwer zu ertragen“
Die Immunität der Staatenlenker ist nur eines der Probleme, unter dem die Durchsetzung des Völkerstrafrechts leidet. Auch die Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshofs als Voraussetzung für dessen Hoheit stellt sich einer Durchsetzung von Gerechtigkeit entgegen. Und um Gerechtigkeit gehe es dem internationalen Völkerstrafrecht oft, betonte Christoph Safferling. So bekämen etwa Opfer von Kriegsverbrechen nachträglich Befriedigung, wenn die Täter vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt würden. Doch letztlich könnte das Völkerstrafrecht nur mit Gewalt umgesetzt werden, erläutert der Erlanger Rechtsprofessor. Andere Maßnahmen fehlten ihm. „Es ist manchmal schwer, das zu ertragen“, gab er zu. Dennoch sieht Christoph Safferling auch Hoffnung: Nach einer Zeit der Hilflosigkeit – dann, wenn Kriege beendet sind – komme immer wieder die Zeit, in der das Völkerrecht Anwendung findet.
Krieg und Frieden
Christoph Safferlings Ausführungen zum Völkerstrafrecht stellten den jüngsten Beitrag zum Korbinians Kolleg dar, das sich im Wintersemester 2024/2025 dem Thema „Kriege und Krisen. Die Risiken der Gegenwart“ widmet. Veranstaltet wird das Kolleg von Korbinian Kohler, dem Inhaber der Bachmair Weissach Group. Zusammen mit Wilhelm Vossenkuhl, einem emeritierten Philosophieprofessor, widmet sich Kohler dabei aktuellen Themen der Zeit. Die nächste Veranstaltung findet am 21. März 2025 um 18.30 Uhr statt. Ruud Koopmans, Professor für Soziologie und Migrationsforscher, spricht dann zum Thema „Warum die Zuwanderung nach Europa weder humanitär gerecht noch wirtschaftlich effizient ist – und was geschehen müsste, um das zu ändern“.
Lesen Sie hier über einen Vortrag von Paula Diehl, den die Politikwissenschaftlerin im vergangenen Jahr im Korbinians Kolleg hielt.