Interreligiöse Vielfalt in der Palliativ- und Hospizarbeit
.Michael von Brück, Steven Langnas, Stefan Lorenzl, Gönül Yerli, Stefan Havlik, Thomas Barth, Ingo Taleb-Rashid (v.l.) Foto: Maria Börgermann-Kreckl
Symposium im Domicilium Weyarn
Wie gehen die unterschiedlichen Kulturen mit dem Tod um. Dieser Frage widmete sich ein Symposium im Domicilium Weyarn mit dem Zweck, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Die Würde des Menschen im Leben und im Sterben stand im Mittelpunkt des Eröffnungsvortrages.
Michael von Brück ist Rektor der Palliativ-Spirituellen Akademie des Domiciliums Weyarn. Als evangelischer Theologe sowie Zen- und Yogalehrer ist er in der westlichen ebenso wie in der östlichen Tradition zu Hause. Er verwies auf die Definition der Würde durch den Renaissance-Philosophen Pico della Mirandola. Danach liegt sie in der Freiheit des Menschen, der eigener Gestalter seines Lebens zu sein.
Michael von Brück. Foto: Petra Kurbjuhn
Demnach, so von Brück, ist der Mensch nicht seinen Gedanken und Gefühlen ausgeliefert, sondern das Bewusstsein ist formbar, bis hinein in den Tod. Schon Friedrich Schiller habe gesagt, dass die Geistesfreiheit Beherrschung der Triebe durch die gestalterische geistige Kraft bedeute. Natürlich gebe es Schmerz, Tod, Leid, Verletzung, letztlich Entwürdigung, wenn dem Menschen die Freiheit genommen werde.
Wie stehe es nun mit der Würde des Sterbens? Des massenhaften Sterbens oder in der klinischen Atmosphäre? Was können Religionen hier beisteuern, um den Tod als Tor zu einem neuen Bewusstsein zu sehen, um die Würde des Menschen im Tod zur Erscheinung zu bringen.
Was ist Kunst, Begeisterung, Liebe?
Schon immer glauben die Menschen daran, dass im Tod eine Verwandlung stattfindet. Und auch heute noch stehen die Menschen vor dem Mysterium Leben und Tod. „Je mehr wir wissen, umso mehr Fragen tun sich auf“, so der Religionswissenschaftler. „Wir wissen nicht, was ist Kunst, Begeisterung, Liebe.“
Aber wir wissen, dass der Tod neues Leben ermöglicht. Und so wisse man auch, dass 50 Prozent der Vernetzungen im Gehirn durch kulturelle Erneuerungen gebildet werden, der Mensch sich also selbst gestalten und sein Potenzial entfalten könne. Dabei müsse man Altes loslassen und Neues zulassen, immer im Vertrauen aufgrund der Erfahrungen mit der Lebensenergie.
Bewusste gestaltete Qualität des Lebens
Auch wenn der Tod soziale Verbindungen auflöse, verbinde er doch Generationen, in dem dankbare Erinnerungen und heilsames Vergessen erscheinen, in dem geistiges Erbe weitergetragen werde und ein Ausgleich von Gerechtigkeit stattfinde. Und letztlich habe der Tod einen pädagogischen Aspekt. Befasse man sich mit dem Tod, dann habe man die spirituelle Verantwortung für das Leben im Jetzt. Und damit trete wieder die bewusst gestaltete Qualität des Lebens ins Bewusstsein.
Pater Stefan Havlik. Foto: Maria Börgermann-Kreckl
In Beiträgen von Pater Stefan Havlik und Pfarrerin Juliane Fischer ging es um die Erfahrungen im Umgang mit Krankheit und Sterben im Gemeindealltag. Der Weyarner Pater sprach trotz des ernsten Themas sehr humorvoll über seine Aufgabe, die er als „Seele in den Himmel begleiten“ versteht, während die evangelische Pfarrerin berichtete, dass sie in der Regel nur zu Beerdigungsgesprächen eingeladen werden, ihre Aufgabe also eher im Trost spenden liege.
Trauerrituale im Islam, erklärt von Günöl Yerli, Hinduismus, dargestellt von Michael von Brück, und Buddhismus, wiedergegeben von Thomas Barth unterscheiden sich zwar, immer aber geht es im Tod um die Identifikation mit etwas Größerem als dem kleinen Ich. Dazu erzählte Madeleine Geiger Beispiele aus ihrer Palliativarbeit.
Palliativmediziner Stefan Lorenzl. Foto: Maria Börgermann-Kreckl
Stefan Lorenzl, Palliativmediziner am Krankenhaus Agatharied, sprach der Spiritualität eine wichtige Dimension in der Heilung zu. Der Chefarzt für Neurologie und Professor für Palliative Care sagte: „Glaube macht gesund, daran sollten sich Ärzte halten.“ Die rein materialistische Ausrichtung der Medizin sei begrenzt. Man wisse heute, dass bestimmte neurologische Erkrankungen auf traumatische Kindheitserfahrungen zurückzuführen seien. Zum anderen brauche der Kranke, der eine dramatische Diagnose erhalte, spirituelle Begleitung, in die auch Angehörige einbezogen werden sollten. „Krankenhäuser und Pflegeheime müssen ein Ort der Spiritualität sein“, forderte er.
Mitgefühl und ansprechende Sprache
In der Diskussion wurde die Notwendigkeit laut, für „spiritual care“ oder „Seelsorge“ eine Sprache zu finden, die die Menschen anspricht. Der Palliativmediziner warb darüber hinaus dafür, Mitgefühl für die Patienten zu zeigen.
Ingo Taleb-Rashid brachte eine Einführung in den Sufismus, die mystische Seite des Islam und Rabbiner Steven Langnas erläuterte die jüdische Weltanschauung und Wertevorstellungen im Umgang mit dem Tod.
Das Symposium diente dazu, eine kultursensible Haltung für die palliativ-spirituelle Praxis zu entwickeln. Mit einer gemeinsamen interreligiösen Feier des Lebens und des Sterbens endete dieser wichtige Beitrag zum Miteinander in unserer Zeit.