Kann man ein gutes Leben gestalten?
Brainstorming in den Ideenwerkstätten. Foto: Ines Wagner
Symposium in Marktoberdorf
Vor zwei Jahren initiierte die designgruppe koop das Symposium „Stadt.Land.Schluss.“ erstmalig. Der große Erfolg gab ihnen Recht, das Thema ist wichtig. Gestalter verschiedener Disziplinen diskutierten jetzt zum zweiten Mal miteinander: „Kann ein gutes Leben gelingen? Auch auf dem Land?“
„Die Attraktivität von vielen Städten lässt vergessen, dass ein Großteil der Bevölkerung auf dem Land lebt – zwischen Leerstand und Übernutzung.“ Diese Feststellung führte Designer Andreas Koop dahin, neue Wege über unterschiedliche Gestaltungs- und Wissenschaftsdisziplinen hinweg ausloten zu wollen. Daraus entstand 2015 das dreitägige Symposium, bei dem sich Designer, Architekten, Soziologen, Landschaftsgestalter, Biobauern und Visionäre aus anderen Bereichen austauschten.
Wie kann Entwicklung des ländlichen Raumes gelingen?
„Wie sieht die Gestaltbarkeit auf dem Land aus?“ war die zentrale Frage der designgruppe koop. Was können Design, Architektur, Kunst und Kultur für die Entwicklung des ländlichen Raumes beitragen? Dazu gab es jede Menge hochspannender Referate, Diskussionen und Möglichkeiten zum Vernetzen.
Austausch im Foyer – Ideenwerkstätten. Foto: Ines Wagner
„Ich hasse die Stadt und liebe das Land und vice versa“ nannte Designprofessor Kilian Strauß seinen Vortrag. Er näherte sich der Frage, wie man den „ländlichen Raum“ definiert, was ihn ausmacht und welche Möglichkeiten daraus entstehen. Stefan Fredlmeier vom Tourismusverband in Füssen zeigte Chancen und Risiken des Tourismus auf dem Land: „Fluch und Segen?“. Über neue Denkansätze zur Diversität in der Architektur sprach Kunsthistorikerin Verena Konrad.
Petcha Kutcha Vorträge
Andreas Koop und sein Team hatten insbesondere Initiativen dazu aufgerufen, sich und ihre Projekte vorzustellen und zu vernetzen. Während der drei Tage gab es dazu unterschiedliche Möglichkeiten. Die wohl kurzweiligste waren die zwölf Pecha Kucha Vorträge, in denen die Referenten in zwanzig Folien à zwanzig Sekunden ihre Projekte präsentierten.
Inspiration und neue Impulse
Da war zum Beispiel Kreativkopf Moritz Jahoda, der sein Lebensraum-Gestaltungs-Labor Machbarschaft vorstellte. Es steht für mehr „WIRdentität“, Miteinander und eine lebenswerte Zukunft im Umland von Wien – frei nach dem Motto: „Begegnen wir den Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam mit Kreativität.“ Irene Kriechbaum und Sarah Bäcker meinten, wenn die Menschen nicht zum Museum kommen, kommt das Museum eben zu ihnen und gründeten „Museum öffne dich!“
Per Applaus-o-Meter wurde der beste Vortrag gekürt. Foto: Ines Wagner
Anna Wurzbacher vom Verein POSA öffnet neue Denkräume im Leerstand. „Was einer allein nicht schafft, schaffen viele“, meint Christian Skrodzki. Er sammelt zum dritten Mal eine Million Euro für ein Gemeinschaftsprojekt. Isabella Natter-Spetz bringt ein ganzes Dorf zusammen: „Lingenau erzählt“. Und Leonhard Müller unterhielt die Zuschauer prächtig mit seinem Kunstprojekt „Schönberg-op-A13“ – einer Live-Klangperformance als Protest gegen die Autobahn.
Ideenwerkstatt mit Michael Pelzer (rechts). Foto. Ines Wagner
Applaus-o-Meter entscheidet
Nach den zwölf Pecha Kucha Vorträgen entschied das Publikum per Applaus-o-Meter, welcher Vortrag den mit 500,- Euro ausgelobten Preis erhalten solle. Monika Zieglers Beitrag „Was Kunst und Kultur bewirken kann“ stellte KulturVision vor. Dass er unter den ersten drei Plätzen rangierte, freute insbesondere die Vertreter aus dem Landkreis Miesbach, beispielsweise Regionalpolitiker Michael Pelzer. Der hatte beim Symposium 2015 den Eröffnungsvortrag gehalten und dank seines weiten Netzwerkes die Kontakte vermittelt. „Es sollten mehr Bürgermeister aus dem ländlichen Raum dabei sein“, meinte er, „damit sie Impulse bekommen, wie man das Leben auf dem Land gestalten kann.“
Anton Stetter, Slyrs-Whiskydestillerie, Schliersee. Foto: Ines Wagner
Mit großem Interesse wurde auch der Vortrag von Visionär und Begründer der Slyrs-Whisky-Destillerie Anton Stetter verfolgt. Authentisch und mit einer guten Portion Humor beschrieb er, wie die Marke Slyrs, an die anfänglich keiner recht glauben mochte, „von der Schnapsidee zum Welterfolg“ wurde. Kreativität, Herzblut und mutige Visionen gehören dazu. „Wenn du etwas gern machst und wirklich daran glaubst, dann wird es auch erfolgreich“, war sein Appell. Wie er dabei äußerst kreativ den Stadtortvorteil „ländlicher Bereich“ für seine Produktlinien nutzt, überzeugte alle.
Biotope statt Brachland oder Weidewiesen
Was wäre das Land ohne seine Bauern? „Sämtliche Probleme der jetzigen und künftigen Welt lösen wir mit Garten“, meinte Biolandwirt Robert Briechle aus Unterthingau. Er setzt auf blühende Biotope statt Weidewiesen und machte die Kupferschaufel zum Symbol der zukünftigen Landwirtschaft – was am Standort der Traktorenwerke Fendt einer gewissen Ironie nicht entbehrte. Auch Biobauer Markus Bogner aus Holz im Landkreis Miesbach war einer der Referenten.
Ideenwerkstatt mit Robert Bosch Stiftung zum Thema „Neuland“. Foto: Ines Wagner
Input, Austausch und kreatives Schaffen wechselten einander ab. Neben den Vorträgen gab es Ideenwerkstätten, in denen gemeinsame Gestaltungsideen erarbeitet wurden. Und natürlichwar immer wieder Gelegenheit zum Austausch in Kaffeepausen und bei gemeinsamen Mahlzeiten, einem Konzert mit „Kofelgschroa“ und einer Werkstattparty mit Feuertonne. Es wurde gebrainstormed, genetzwerkt und manche neue Idee geboren.
Die designgruppe koop rund um Gründer Andreas Koop und seine Frau Nadine haben Großartiges geleistet, indem sie all die Gestalter aus den unterschiedlichen Bereichen zusammengebracht haben – in diesem dreitägigen kreativen Think-Tank in Marktoberdorf. Auch wir von KulturVision haben viele neue Ideen mitgenommen.
Interessiert Sie das Thema Design-Symposium? Hier gehts zum Artikel über das Symposium von SMG und Munich Creative Business Week in Gmund: