Talkshow mit Schopenhauer: Das Leben ist eine missliche Sache
Andreas Belwe als Schopenhauer wird von Hannah Zitzmann interviewt. Foto: Ruth Alexander
Philosophisches Gespräch in Miesbach
Philosophie on Stage: Arthur Schopenhauer steht Rede und Antwort im Waitzinger Keller. Studium Generale sehr unterhaltsam.
Statt in den großen Saal im Waitzinger Keller Miesbach geht es heute ins Gewölbe. Philosophie steht auf dem Programm und ein kleiner Kreis Interessierter hat sich vor blauem Sofa und Samtvorhang versammelt. Begrüßt wird er von Veronika Weese, der Leiterin der Miesbacher Volkshochschule. Die freut sich sichtlich, eine neue Reihe anzukündigen. „Feuilleton“ ihr Titel, das Studium Generale am Nachmittag. Eröffnet wird es mit einer Talkshow, zu der einer der bedeutendsten Philosophen geladen ist: Arthur Schopenhauer. Andreas Belwe, seines Zeichens Doktor der Philosophie, stellt seinen Kollegen äußerst überzeugend dar, zumal in Originalzitaten. Befragt wird er von Hannah Zitzmann, die nicht nur moderiert, sondern zwischendrin auch noch toll singt – Flamenco-Songs wie den Zorongo. Zitzmann hat sich viele gute Fragen ausgedacht, sie arbeitet sich in der nächsten Stunde an Schopenhauer ab. Dass der kein Optimist war, merkt selbst der unwissendste Zuschauer nach den ersten Minuten. Sonst würde er wohl kaum das Leben an sich als misslich beschreiben.
Carola Kunz begleitet die Talkshow an der Gitarre. Foto: Ruth Alexander
So ist der Tod für Schopenhauer der inspirierende Genius der Philosophie. Nur konsequent, dass für ihn der Zweck des Lebens letztendlich das Sterben ist und Leben Leiden. Das müssen Publikum und Moderatorin erstmal verdauen! Philosophiert wird also nicht, wenn alles glatt läuft. Es geht darum, die gegebene Welt zu verstehen und deswegen ist Philosophie für Schopenhauer eine Kunst, keine Wissenschaft. Mit den Professoren hat er es nicht so: Er habe weit mehr Schleier gelüftet als mancher aus diesem Stande. Aber kommen wir zum Wesentlichen, zum Leben. Hängen bleibt der Satz, dass das Leben nie schön sei, nur die Bilder des Lebens seien es. Zitzmann spannt hier den Bogen zu Instagram und Facebook – wovon Schopenhauer freilich noch nie etwas gehört hat…
Menschenfeind, Pudel-Freund
Das Leben ist ein einziges Trauerspiel für Schopenhauer, das Schicksal grausam, der Mensch erbärmlich. Man frägt sich zwischendrin schon, wieso dieser Philosoph zum Misanthrop, zum Menschenfeind wurde. Ein Einzelgänger war Schopenhauer. Das einzige Lebewesen, das ihn stets umgab, war sein Pudel. Wenn es der allzu bunt trieb, beschimpfte er ihn als „Mensch“. Und sonst? Schopenhauer nahm das Dasein zu Lebzeiten als ein wesentlich Rastloses wahr. Dabei kannte er weder WhatsApp noch Smartphone. Das ganze Streben des Menschen nach einem erfüllten Leben befand er als eitel und zwecklos, vielmehr ziehe es das Unglück nur so an: „Die Heftigkeit des Wollens ist eine stete Quelle des Leidens.“ Vielmehr solle man sich beschränken und in der Gegenwart leben. „Wirkliche Freude kommt ungeladen“ und „Wesentlich für unser Glück ist, was wir sind, nicht, was wir haben.“ Wie zeitlos und wahr sind diese Sätze!
Schopenhauer hielt sich zeitlebens Pudel, denen er immer den gleichen Namen gab: „Atman“ nach dem Sanskrit-Wort für „Lebenshauch“, Zeichnung: Wilhelm Busch.
Das Beste, was die Welt zu bieten habe, ist für Schopenhauer eine ruhige, schmerzfreie Existenz. Die war ihm selbst nicht immer gegeben. Eine Näherin, die so laut schwatzte, dass er sie unsanft aus seiner Wohnung beförderte, klagte daraufhin. Er musste ihr zeitlebens eine Versehrtenrente zahlen. Zu ihrem Tod zwanzig Jahre später bemerkte Schopenhauer: „Obit anus, abit onus“ („Die Alte stirbt, die Last vergeht“). Kann es sein, dass er sich auch wegen dieses Unglücks zeitlebens negativ über die Frauen äußerte, sogar einen Schmäh-Essay „Über die Weiber“ verfasste? Wir können ihn nicht mehr befragen und dieses Thema wird bei der Talkshow ausgeblendet.
Meister der Aphorismen
„Jeder Tag ist ein kleines Leben, jedes zu Bett gehen ein kleiner Tod“ – Sätze wie diese bleiben heute Nachmittag hängen. Sie zeugen von Schopenhauers Lebensweisheit, die noch bis heute wirkt. Oder „Das Beste und Meiste muss jeder selbst leisten“. Auf die Meinung anderer solle man nicht zu viel geben, sie würde nur stören. Hannah Zitzmann bittet Schopenhauer schließlich um ein Fazit. „Man gewöhnt sich an alles!“ Dafür erntet er natürlich Gelächter im Publikum, das ihn und die beiden Damen mit einem freundlichen Applaus in den späten Nachmittag entlässt.
Weitere Informationen zur vhs Miesbach finden Sie hier. Und Informationen über Arthur Schopenhauer finden Sie bei der Schopenhauer-Gesellschaft.