Countdown für zeitkritisches Volkstheater
Jungpolizisten, gespielt von Felix Thörl und Tobi Bubanj Foto: Karin Sommer
Theater in Tegernsee
In gewöhnlichen Theaterhäusern ruft der sterile Gong zur Ruhe vor Beginn eines Stückes. Im Tegernseer Volkstheater scheppert die Kuhglocke hinter dem Vorhang. Da weißt du, du bist an einem besonderen Ort.
Nach einigen Minuten geht der Vorhang auf und vor einem einfach gehaltenen Bühnenbild beginnt sich eine komplexe Geschichte zu entwickeln. Der Bürgermeister des Ortes Großhapping hat große Pläne. Er möchte das Sägewerk abreißen und an Stelle dessen Wohnraum für Einheimische schaffen. Dem von Hanno Sollacher großartig dargestellten Bürgermeister sind die hohen Mietpreise im Ort ein Dorn im Auge. Die Luxuszweitwohnungen seien es, die die Preise in die Höhe schießen ließen.
Bild 2: Ausdrucksstark: Christina Kern und Hanno Sollacher Foto: Karin Sommer
Spätestens in diesem Moment merkt das Publikum, dass Volkstheater in der Hand von Andreas Kern zeitgemäß, heimatbezogen und kritisch ist. Der Allrounder überzeugt in diesem Stück gleich als Autor, Regisseur und Vollblutschauspieler.
Tegernseer Volkstheater wirft aktuelle Fragen auf
Doch zurück zur Handlung. Nicht alle sind mit den Plänen von Bürgermeister Breitreiner einverstanden. Die Vorsitzende der Schutzgemeinschaft, die „Zuagroaste“ Ehrengard Bücker-Ashford (Barbara Kutzer) bringt den Bürgermeister an den Rand des Wahnsinns und das Publikum wiederholt zum Lachen. Sie wehrt sich gegen den Abriss des Sägewerkes und den Bau eines 18-Loch Golfplatzes. Das Schicksal steht auf ihrer Seite, als eine Bombe aus Kriegszeiten im Sägewerk entdeckt wird. Von der darauffolgenden Evakuierungsaktion ist auch das Polizeirevier betroffen. Kurzerhand werden drei alkoholisierte Personen aus der Ausnüchterungszelle ins Rathaus verfrachtet.
Liebenswerte Gauner und entspannte Polizisten
Dabei handelt es sich um drei liebenswerte Gauner. Der Schlösserspezialist Paul Rixner (Andreas Kern), der urkomische Frauenverehrer Alfons (Flo Bauer) und das Superhirn Santiago, absolut glaubwürdig gespielt von Feliz Holzapfel.
Gelungene Gesangseinlage Felix Thörl, Andreas Kern, Felix Holzapfel, Flo Bauer, Tobi Bubanj Foto: Karin Sommer
Die Interaktionen des Gaunertrios untereinander und mit den restlichen Protagonisten sind herzzerreißend komisch. Dem Alkohol auch in der Nacht im Rathaus nicht abgeneigt, leeren sie die Kiste mit Hochprozentigem, die sie unter dem Schreibtisch des Bürgermeisters finden. Am nächsten Tag möchte dieser mit der gerissenen Anwältin Natascha de Gier (Nikola Bendelin) auf den Vertragsabschluss anstoßen. Er freut sich auf Köstliches der Destillerie Liedschreiber, muss aber feststellen, dass sich nur Wasser in den Flaschen befindet.
Gesangseinlage mit Felix Thörl, Andreas Kern, Felix Holzapfel, Flo Bauer, Tobi Bubanj Foto: Karin Sommer
Gott sei Dank steht ihm die tüchtige Gemeindesekretärin Franziska Hendl (Christina Kern) jederzeit zur Seite. Die temperamentvoll dargestellte zweite Hand des Bürgermeisters bringt diesen ganz schön zum Schwitzen, wenn sie ihn wiederholt auffordert, ihr wegen ihrer Hitzewallungen Luft zuzufächeln.
Auch Gesang und Tanz darf nicht fehlen
Besonders lustig stellt sich die Beziehung der drei Gauner zu ihren Aufpassern, zwei Jungpolizisten, gespielt von Tobi Bubanj und Felix Thörl, dar. Die ungezwungene Jause im Rathaus endet im gemeinsam gesungenen Lied „That´s Amore“. Mit seiner reizenden Choreografie und Stimmkraft zweifellos einer der Höhepunkte des unterhaltsamen Abends.
Rede am Ende des Abends: Andreas Kern mit Darstellern Foto: Karin Sommer
Die Figuren des Stückes wachsen im Laufe des Abends immer mehr zusammen, und alle Darsteller laufen im dramatischen Ende zur Höchstform auf.
Wer jetzt noch wissen möchte, ob sich die Pläne des Bürgermeisters erfüllen oder ob diese doch noch von der Schutzgemeinschaft verhindert werden, hat in weiteren Aufführungen im Mai noch die Gelegenheit, es herauszufinden. Und weil dieses Jahr ein besonderes ist, nämlich das 120. Jubiläumsjahr des Tegernseer Volkstheaters, gibt es heuer statt den üblichen zwei gleich vier neue Stücke zu sehen. Von dem begeisterten Publikum dieses gelungenen Abends werden bestimmt einige wieder dabei sein.
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