Fair hergestellte Mode? Was uns textile Gütesiegel verschweigen

„Textiles Vertrauen“ – was Etiketten und Gütesiegel uns vorgaukeln

Voller Kleiderschrank, aber was genau hängt drin? Foto: Ines Wagner

Beitrag zum Thema Vertrauen

Parallel zur 27. Ausgabe der „KulturBegegnungen“ veröffentlichen wir auch in unserem Online Magazin Beiträge zum Thema Vertrauen. Heute geht es um Vertrauen in Textile Gütesiegel. Eines davon heißt sogar „Textiles Vertrauen“. Hält es, was es verspricht?

Kleider shoppen ohne schlechtes Gewissen? Immer mehr Menschen achten darauf, was auf den Schildern steht, die in ihre Kleidungsstücke eingenäht sind. Wo wurden das T-Shirt, die Bluse, die Jeans produziert, welche Fasern enthalten sie? Gibt es ein Qualitätssiegel, das eine geprüfte ökologische Herstellung verspricht? Was auf den weißen Streifen zu lesen ist, hört sich oft gut an.

Rundum Ökologisch?

Das Geschäft mit ökologisch hergestellten Textilien boomt und auch die großen Ketten ziehen bereits seit Jahren mit. Mehr als 100 Textilsiegel gibt es inzwischen weltweit. In diesem undurchdringlichen Dschungel sollte man genauer hinsehen. Allein der Hinweis auf „Öko“, „Bio“ oder „Schadstoffgeprüft“ reicht nicht. Sicher ist nur, dass sich damit viel Geld verdienen lässt. Mit Gütesiegeln und Zertifikaten werben die Hersteller um das Vertrauen der Verbraucher. Wird nicht hinterfragt, was dahinter steckt, geht ihre Rechnung leicht auf.

Inhaltsstoffe, Herkunft, Energiebilanz

Die Siegel sind uneinheitlich und daher schwer vergleichbar. Was nicht darauf steht: Welche Messlatte wurde bei der Zertifizierung angelegt? Wurden nur Inhaltsstoffe geprüft oder auch die Produktionsbedingungen unter die Lupe genommen? Finden regelmäßige Kontrollen statt oder wurde das Gütesiegel einmal vergeben und basta? Wie sieht die Energiebilanz der Herstellung des Kleidungsstückes aus? Und wo wurde es produziert?

Baumwollpflanze
Baumwollpflanze. Foto: pixabay

Auf dem Herkunftsschild muss lediglich das Land vermerkt sein, in dem die letzten Arbeitsschritte vollzogen wurden. Zugeschnitten und genäht wird in China, verschifft nach Italien, wo die finalen Nähte geschlossen und die Schilder eingenäht werden. Auf denen steht dann Made in Italy. Hier sollte man als Verbraucher schon anhand des Preises wachsam sein. Trotzdem könnte das Schild auch bedeuten, dass die günstige Bluse tatsächlich in Italien hergestellt wurde, beispielsweise in der Textilstadt Prato von einem der abertausenden Chinesen, die dort für einen Stundenlohn von oftmals weniger als 4 Euro arbeiten. Ist das dann noch Made in Italy? Ja. Sehr zum Ärger der italienisch-heimischen Textilindustrie. Aber nicht nur die Herkunft ist irritierend. Insbesondere die verschiedenen Gütesiegel verwirren die Verbraucher.

„Textiles Vertrauen“ und andere Gütesiegel

Das in Deutschland bekannteste Siegel heißt bezeichnenderweise „Textiles Vertrauen“ und ist nach Oeko-Tex® Standard 100  zertifiziert. Es suggeriert dem Verbraucher, ein ökologisch korrektes Produkt zu kaufen. Der Standard ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von 16 Textilprüfungsinstituten. Geprüft werden aber nur die Inhaltsstoffe des Endproduktes. Die Schadstoffgrenze ist dabei nicht wesentlich strenger als die gesetzlichen Vorgaben es ohnehin vorsehen. Schwermetalle werden gar nicht berücksichtigt.

Besondere Vorsicht ist bei firmeneigenen Siegeln geboten. Sie erwecken einen professionellen Eindruck, folgen jedoch eigenen Regeln und werden nicht unabhängig kontrolliert. „Öko“ und „aus kontrolliert biologischen Anbau“ zertifiziert nur die Faser, nicht den Herstellungsprozess. Oftmals stammen selbst bei als „Bio-Baumwolle“ ausgewiesenen Textlilien nur 20- 70 Prozent der Fasern wirklich aus ökologischer Produktion.

GOTS Öko Gütesiegel
Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) – zertifizierte Gütesiegel . Foto: IVN

Für Naturtextilien ist das am häufigsten vergebene und überzeugendste Zertifikat das GOTS-Siegel. Es zeigt ein weißes Hemd auf grünem Grund. Dabei werden nicht nur ökologische, sondern auch soziale Kriterien entlang der gesamten textilen Produktionskette streng unter die Lupe genommen. Überzeugend daran ist auch, dass es von Bio-Baumwollproduzenten, Textilindustrie und Nichtregierungsorganisationen gemeinsam entwickelt wurde.

Ökobilanz im Kleiderschrank

Wem die Bio-Bilanz des Kleiderschrankes wirklich wichtig ist, dem empfiehlt sich, über den Kauf selbst nachzudenken. Weniger ist in jedem Fall mehr. Einige Stücke in guter Qualität sind ökologischer, nachhaltiger, langlebiger als billige „Fast fashion“-Teile in großen Mengen.

Muss man jedem Trend folgen? Wer sich sicher in seinen Stil bewegt, muss nicht auf jeden Zug springen und sich jeden Tag neu ausprobieren. Dann machen wenige, aber besondere Stücke glücklicher als immer wieder Neues, das man bald schon nicht mehr sehen oder tragen kann, weil es schon wieder „out“ ist. Da die Herstellung von Textilien immer mit hohem Rohstoffaufwand erfolgt, hat das Kleidungsstück die beste Ökobilanz, welches am längsten getragen wird. Daran gibt es nichts zu rütteln.

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