„The last Austrians“ in Transkarpatien
Wilfried Schabus, Lukas Pitscheider und Paulus Adelsgruber. Foto: Hannes Reisinger
Thementag in der Kulturbrücke Fratres
Einem außergewöhnlichen Thema war der zweite Tag im Sommerprogramm der Kulturbrücke Fratres gewidmet. Im Zentrum standen Filmausschnitte aus Lukas Pitscheiders Film „The last Austrians“, die berührende Darstellung des Lebens von ausgewanderten Österreichern in der fernen Ukraine.
Das Thema Migration erhielt an diesem Tag beim Kulturpartner von KulturVision e.V. eine neue Bedeutung. Es ging einmal nicht um die Zuwanderung, sondern um die Auswanderung. Wie geht es aus dem Salzkammergut stammenden Österreichern heute in einer Region, die kaum einer kennt. Die Veranstaltung fand coronagerecht im offenen, neu restaurierten Stadel des Gutshofes statt.
Viel Raum im Stadel. Foto: Hannes Reisinger
Es ist Paulus Adelsgruber zu verdanken, dass die Besucher der Kulturbrücke in den Genuss kamen, Geschichte und Kultur, Sprache, Leben und Emotionen dieser Menschen kennenzulernen. Er arbeitet als Lektor im österreichischen Austauschdienst in der Republik Moldau und stellte mit Elmar Csaplovics das spannende Programm zusammenen.
Der Pianist Feliks Matskulyak. Foto: Hannes Reisinger
Musikalisch wurde es von Feliks Matskulyak begleitet, der, wie er sagte, ein „Transkarpatisches Aquarell“ aus Tönen zauberte, indem er Stücke zumeist hier unbekannter Komponisten aus Ungarn, Rumänien und seiner ukrainischen Heimat am Klavier spielte. Damit schuf er einprägsame und einfühlsame Übergänge zwischen den Beiträgen.
Thementagverantwortlicher Paulus Adelsgruber. Foto: Hannes Reisinger
In seiner Hinführung zur Geschichte der Auswanderung von Österreichern betonte Paulus Adelsburger, dass diese ab 1775 auf Einladung der ungarischen Hofkammer nach Transkarpatien kamen. Insbesondere das Theresiental wurde mit den Gemeinden Königsfeld und Deutsch-Mokra österreichisch.
Sprachforscher Wilfried Schabus. Foto: Hannes Reisinger
Grund dafür war, so führte der Sprachwissenschaftler Wilfried Schabus aus, dass man dort Holzarbeiter brauchte. Da im Salzkammergut der Salinebetrieb rationalisiert wurde, kam es zu Arbeitslosigkeit und die Oberösterreicher waren bereit, ein neues Leben unter günstigen Bedingungen am anderen Ende der Habsburgermonarchie anzufangen.
Zuwanderer für Holzwirtschaft
Alles habe in der Region im Zeichen der Holzwirtschaft gestanden, führte Wilfried Schabus aus und es habe rund 1000 Zuwanderer in Theresiental gegeben. Er selbst als Dialektforscher machte 1994 Feldstudien an den Bewohnern. Das Spannende war, dass die Region zunächst zu Ungarn gehörte, dann zur Tschechoslowakei, dann wieder zu Ungarn, schließlich zur UdSSR.
Aufmerksamer Zuhörer: Kulturbrückengründer und Hausherr Peter Coreth. Foto: Hannes Reisinger
Die Menschen sprechen also mehrere Sprachen, haben sich aber doch ihren österreichischen Dialekt, angereichert mit ungarischen und tschechischen Begriffen, erhalten. Skurill dabei, dass sogar die Namen einem Wechsel unterworfen waren, aus Franz wurde Frantisek, dann Ferenc und am Ende gar Fjodor.
Nach Sibirien verschleppt
Am Ende des 2. Weltkrieg wurden viele der Siedler nach Deutschland evakuiert, aber die meisten kehrten in ihr Theresiental zurück. Einige konnten bleiben, zahlreiche aber wurden nach Sibirien verschleppt, wo sie Wilfried Schabus ebenfalls aufsuchte. Mit ungebrochenem Lebensmut bauten sie sich in der Taiga eine neue Existenz unter harten Bedingungen auf. Zurück wollen sie heute nicht mehr, denn „hier sind die Preiselbeeren größer und süßer“.
Der Südtiroler Filmemacher Lukas Pitscheider. Foto: Hannes Reisinger
Ausschnitte aus „The last Austrians“
Vier Jahre lang drehte der Südtiroler Lukas Pitscheider seinen Film „The last Austrians“, der auf dem Münchner Dokumentarfilmfestival für die beste Musik ausgezeichnet wurde und der im Herbst in Zürich seine Weltpremiere haben wird. Die Gäste der Kulturbrücke Fratres indes konnten schon einige Ausschnitte aus dem berührenden Film über die Sprachminderheit in Transkarpatien, die es bald nicht mehr geben wird, sehen.
Traurige Bilder
Sie konnten spüren, wie die Menschen leben, wie es ihnen geht. Es sind traurige Bilder von einer einst blühenden Gegend, die jetzt heruntergekommen wirkt. Sie litten mit der alten Frau mit, die packt und Abschied nehmen muss von ihrer Heimat. Die Kinder gehen nach Kanada und sie soll nach Österreich ziehen. Sie wünsche keinem, was sie jetzt hier erleben müsse, sagt sie.
Lukas Pitscheider und Paulus Adelsgruber. Foto: Hannes Reisinger
Früher, so erzählt einer, habe man gut leben können, aber nach dem großen Hochwasser sei alles zerstört, es gebe keine Bahn mehr, aber wenigstens werde jetzt die Straße gebaut. Hingegen die Wälder werden abgeholzt, riesige baumlose Flächen in der attraktiven Berglandschaft.
Skilift und Hotel
Josef ist voller Elan und will einen Skilift bauen für Touristen, ein kleines Hotel hat er schon errichtet, da wird gefeiert und zur Sonnenwende lebt man einen alten Brauch, das Scheibenschlagen.
Wilfried Schabus, Lukas Pitscheider, Paulus Adelsgruber, Johannes Waltner und Maria Kostiak (v.l.). Foto: Hannes Reisinger
In der abschließenden Diskussionsrunde wurde deutlich, dass in der heutigen Ukraine Korruption vorherrscht, dass die Umweltsünden katastrophal sind und die meisten Österreichstämmigen Bewohner wegziehen, so wie Maria Kostiak aus Königsfeld, die jetzt in Österreich studiert. Johannes Waltner war als Zivildienstleistender in Theresiental und zeigte sich erschreckt über den Müll, den illegalen Holzabtransport und die Korruption.
Als Tourist nach Transkarpatien
Trotz vieler Hilfsprojekte, insbesondere die Landlerhilfe, die den Österreichern in der Ukraine bessere Lebensbedingungen verschaffen wollen, wird es wohl jetzt die letzte Generation Österreicher sein. Es sei denn, viele Menschen folgen dem Aufruf, als Touristen in die Region zu kommen. Und ein Skilift wird auch gebraucht.
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Lena Feichtinger, Clementine Anna Engler und Freyja Coreth gestalten den nächsten Thementag. Foto: Hannes Reisinger