Theater KUNSTDÜNGER: „Süchtig nach Publikum“
Bühnenbild mit Zollstock: Christiane Ahlhelm in „Hannah und die Bohnenranke“. Foto: Manfred Lehner
20 Jahre Theater KUNSTDÜNGER
Das Theater KUNSTDÜNGER trifft den Nerv von jungen und erwachsenen Zuschauern, obwohl es immer wieder auch ernste Themen wie Angst, Behinderung, Familientrennung und Tod aufgreift. Nun feiert Christiane Ahlhelm mit ihrem Team 20jähriges Jubiläum – und hofft, dass sie bald wieder spielen kann
Wer für Kinder Theater spielt, braucht gute Nerven und ein feines Gespür für das junge Publikum, denn die vermeintlich lieben Kleinen kommentieren die Handlung gerne lautstark, sparen nicht mit Kritik und es kommt auch schon mal vor, dass ein Kind die Bühne stürmt, um seinem Helden dort beizustehen. – Aber genau solche Reaktionen wünscht sich Christiane Ahlhelm: „Wenn ich vor einem braven Publikum spiele, mache ich was falsch.“ Seit 20 Jahren tourt sie mit ihrem Theater KUNSTDÜNGER durch Deutschland und ihre Leidenschaft dafür brennt heute noch genauso wie am ersten Tag. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum.
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Geradlinige Geschichte wichtig
Das Kindertheater war ihr nicht in die Wiege gelegt. Nach drei Jahren klassischer Schauspielschule im Tessin spielte sie zunächst sieben Jahre lang Erwachsenenstücke, bis sie nach Heirat, Schwangerschaft und Elternzeit die Freude an Kindergeschichten entdeckte und begann, diese in Inszenierungen umzusetzen. Seit 1995 ist sie in Valley zuhause. Die Gemeinde unterstützt sie mit einem kostengünstigen Probenraum und im Landkreis ist das Theater Kunstdünger natürlich immer wieder mal im FoolsTheater in Holzkirchen zu sehen.
Die meisten Kinder, die Christiane Ahlhelm mit ihren Gastspielen erreicht sind zwischen vier und 14 Jahre alt, und über diese Zielgruppe hat sie ein paar überraschende Erkenntnisse gewonnen. Dazu gehört zum Beispiel, dass Kinder mitnichten am Bekannten, Vertrauten hängen, sondern sich gerne und neugierig auf Situationen einlassen, die ihnen unbekannt sind. Wichtig ist dabei eine geradlinige Geschichte ohne verworrene Handlungsstränge: Am Anfang steht ein Problem, das im Lauf des Stückes gelöst wird.
Auseinandersetzung mit dem Unbekannten: Szene aus „Der Mond zu Gast“. Foto: Manfred Lehner
Was für Geschichten bietet sie ihrem Publikum an? Einige entstehen aus Märchen (z.B. Hans Christian Andersens „Die chinesische Nachtigall“) und Kinderbüchern („Ophelias Schattentheater“ von Michael Ende), viele sind selbst erfunden und geschrieben. Dabei geht es nie um Moral und erhobene Zeigefinger aber fast immer um ernste Themen, die kindgerecht aufgearbeitet werden. Beispiel: In „Wenn ich groß bin, werde ich Seehund“ war die Mutter einst ein Seehund, der sein Fell abgestreift hat und in Liebe mit dem Fischer ein Kind bekommen hat. Eines Tages findet das Kind dieses Fell, die Mutter streift es wieder über und verschwindet im Meer. – Hintergrund dieser poetischen Geschichte ist das Problem der Familientrennung, das behutsam angegangen wird. In anderen Stücken geht es um Behinderung, um Tod, um Toleranz oder die Furcht vor dem Unbekannten.
Ganz eigener Stil
Das jedes der insgesamt 19 Stücke, die das Theater KUNSTDÜNGER im Lauf der Jahre produziert hat, vom Publikum durch alle Altersklassen geliebt und von der Presse überschwänglich gelobt wurde, liegt an dem ganz eigenen Stil, in dem Kinder ernst genommen und in das Geschehen einbezogen werden. Die Inszenierungen sind kein klassisches Mitmachtheater, aber die spontanen Rückmeldungen sind wichtig und werden von den Protagonisten aufgenommen und beantwortet. Das gilt nicht nur für das wunderbar variantenreiche Spiel von Christiane Ahlhelm, sondern auch für die anderen tragenden Säulen von Kindertheater KUNSTDÜNGER: Michl Thorbecke, der häufig die Regie führt, Sibylle Kobus, die für ihre Bühnenbilder und Figuren eine ganz eigene Sprache gefunden hat, Bacha Schaucher, die fantasiereich die Darstellerinnen in wunderbare Kostüme kleidet, Hannah Schröder mit ihren fröhlichen kindgerechten Grafiken und nicht zuletzt Lydia Starkulla, die im Landkreis auch mit ihrem ensemble peripher ein ganz eigenes Fanpublikum hat.
Nächste Premiere: „Schleichweg“
Das nächste Stück, gleichzeitig die Jubiläumsproduktion von Theater KUNSTDÜNGER, heißt „Schleichweg“, ist selbstgeschrieben und handelt von zwei Welten mit einem Menschenkind auf der einen und einem Tierwesen auf der anderen Seite, die anfangs gar nichts miteinander anfangen können und erst durch zaghafte Annäherung, gegenseitiges Kennen- und Verstehenlernen zu Freunden werden. Die Premiere war schon für Februar geplant und soll nun, wenn Corona es zulässt, noch im März stattfinden.
Viele Theater, die im Lockdown nicht spielen konnten, haben ihre Produktionen übers Internet gestreamt, um wenigstens so ihre Zuschauer zu erreichen. Wäre das auch fürs neue KUNSTDÜNGER-Stück eine Option? „Nein, zumindest nicht für eine Premiere“, widerspricht Christiane Ahlhelm entschieden, „dann warten wir lieber noch, bis sich die Lage normalisiert hat. Wir sind süchtig nach echtem Publikum!“