Die Weihnachtsgans Auguste in besten Händen
Regine Wagner und Auguste erzählen gemeinsam. Foto: Karin Sommer
Kindertheater in Holzkirchen
Die Aufmerksamkeit von Kindern zu halten ist keine einfache Sache. Das geht mit viel Lärm und ständig wechselnden Szenarien. Es geht aber auch mit Feinfühligkeit und leisem Humor. Gezeigt hat das eindrucksvoll Regine Wagner vom Theater Zitadelle im Kultur im Oberbräu in Holzkirchen.
Bis Weihnachten sind es nur mehr ein paar Wochen. Herr Löwenhaupt, als Sänger mehr in der Oper unterwegs als zu Hause, träumt von Rotkraut, gedünsteten Äpfeln und Gänsebraten. Kurzentschlossen kauft er eine lebendige Gans, von der er meint, dass sie die Zeit bis zu ihrem Tod gut gefüttert im Keller verbringen könne.
Die Rechnung hat er jedoch ohne seine drei Kinder gemacht. Besonders Peterle schließt die Gans so sehr in sein Herz, dass sie nach kurzer Zeit sein Bett mit ihm teilt und somit ihrem Schicksal eine Wende gibt.
Die berühmteste Weihnachtsgans
Die Weihnachtsgans Auguste entstammt der Feder Friedrich Wolfs und ist im Osten Deutschlands ein allseits bekanntes Märchen. Es wurde zum Hörspiel, Puppentrickfilm und Theaterstück verarbeitet und 1988 schließlich auch für das DDR-Fernsehen als Kinderfilm produziert.
Miniaturpuppen zum Stück „Die Weihnachtsgans Auguste. Foto: Theater Zitadelle
Regine Wagner vom Theater Zitadelle zeigt eine besonders feinfühlige Fassung dieses Märchens. Das Bühnenbild ist einfach gefasst. Die Mutter der Familie erzählt die Geschichte der Gans Auguste, während sie bügelt. Auguste sitzt als Holzkopfgans, die sehr lebendig wirkt, neben ihr im Wäschekorb und stellt sicher, dass auch die unschönen Teile der Geschichte nicht vergessen werden.
Faszinierend einfache Technik
Zur Hilfe eilen den beiden von Ralf Wagner angefertigten Puppen, die die Kinder der Familie Löwenhaupt darstellen. Regine Wagner nimmt sie einfach beim Kragen und schon unterhalten sie sich miteinander, streiten und liegen nebeneinander im Bett. Sie fahren in einer Miniaturversion ihrer selbst auf einem rotierenden Keilriemen über sowie unter dem Tisch entlang und lauschen den knarrenden Tönen des Grammofons, das auf einem alten Nähmaschinentisch steht.
Regine Wagner als einfühlsame Erzählerin Foto: Karin Sommer
Zuerst sieht es so aus, als ob es für Auguste kein Entkommen gäbe. Das Messer zückend, rennt ihr der Familienvater, der in ihr nur den Festbraten sieht, hinterher, um sie ein für alle Mal aus dem Kinderbett in den Kochtopf zu befördern. An dieser Stelle übernimmt die Gans Auguste selbst das Geschichtenerzählen, damit auch die hässlichen Dinge nicht auf der Strecke bleiben.
Auch die unschönen Dinge erzählen
Nämlich, dass der Familienvater versuchte, sie mit Schlafmitteln zu töten. Gott sein Dank schlief sie und wachte dann, gerupft und unterkühlt, im Kühlschrank wieder auf. Auf ihr Klopfen wurde die Kühlschranktür geöffnet und ihr jämmerlicher Anblick brachte letztendlich auch das Herz des Opernsängers Luitpold Löwenhaupt zum Schmelzen. Eilig rannte er in die Kälte, um einen dicken Wollpullover für die frierende Gans zu kaufen, die sich einen festen Platz als Familienmitglied erobert hatte.
Regine Wagner erzählt die Geschichte auf zauberhafte Art. Als Gans Auguste spricht sie breites Berlinerisch, dass sie zwischendurch als Mathilde Löwenhaupt übersetzt. Laut schreiend erhebt sich ihre Stimme, wenn sie sich als Peterle furchtbar darüber aufregt, dass die Gans im Keller friert. Märchenhaft und ruhig spricht sie, wenn sie über den Tatbestand der Ereignisse berichtet.
Die einfachen, kleinen technischen Wunder sowie die dichte Präsenz der Schau- und Puppenspielerin ergeben eine fein gewobene, faszinierende Geschichte, die einen Saal voller Kinder und Erwachsenen in stiller Andacht hält. Auch nachdem der Vorhang fällt, bleiben alle noch mit offenen Münden und Augen sitzen, beseelt von der außergewöhnlichen Darbietung des Märchens. Wenn nicht Regina Wagner noch einmal den Kopf aus dem Vorhang strecken und sagen würde, dass es jetzt aus sei, würden wahrscheinlich noch heute alle wie gefesselt auf ihren Theaterstühlen sitzen.