Verantwortung des Geistes
Einladung zum Thomas-Mann-Festival im Stadtmuseum. Foto: Petra Kurbjuhn
Thomas-Mann-Festival in Bad Tölz
Das Thomas-Mann-Festival zum Thema Doktor Faustus vom 14. bis 20. Mai wurde gestern in Bad Tölz feierlich eröffnet. Neben zahlreichen Veranstaltungen steht eine Ausstellung im Stadtmuseum im Zentrum des Programms.
Diese Ausstellung wurde von Eckhard Zimmermann kuratiert, der zur Eröffnung eine Einführung gab. „Nichts Lebendes kommt heute um das Politische herum“, zitierte der 2. Vorsitzender des Thomas-Mann-Forums München e.v. Thomas Mann in einem Brief an Hermann Hesse.
Kurator Eckhard Zimmermann. Foto: Petra Kurbjuhn
Und genau darum gehe es in dieser Ausstellung. Thomas Mann habe in seinem amerikanischen Exil Briefe geschrieben und im Radio Reden gehalten, in denen er Warnungen aussprach und in denen er forderte, dass der geistige Mensch sich für den Zustand der Welt verantwortlich fühlen müsse.
Auch ein Volksempfänger ist in der Ausstellung zu sehen. Foto: Petra Kurbjuhn
„Was sagt uns das heute?“ fragte der Redner. Heute, in einer Zeit, da es viel bedrohlicher als damals sei, wo eine Krise die nächste jage. „Was wissen wir in dieser komplexen Welt, wo es Meinungen statt Informationen gibt, wer gibt uns den Kompass?“ Sei es der Schriftsteller, der Philosoph oder brauche man gar Therapeuten?
In der Ausstellung. Foto: Petra Kurbjuhn
In der Ausstellung „Verantwortung des Geistes“ habe er viele historische Dokumente zusammengestellt, mit der Orientierung auf die Gegenwart, denn „eine unpolitische Kunst gibt es nicht“.
Dokumente in den Vitrinen. Foto: Petra Kurbjuhn
Es sei 3. Bürgermeister Christof Botzenhardt zu verdanken, dass Bad Tölz, Stadt der Kulturschaffenden, sich wieder auf Thomas Mann besonnen habe, er habe das Festival angeschoben, lobte Ingo Mehner, 1. Bürgermeister der Stadt, in seiner Begrüßung.
1. Bürgermeister Dr. Ingo Mehner. Foto: Petra Kurbjuhn
Dieser hob hervor, dass man durchaus eine Beziehung von Doktor Faustus zu Bad Tölz herstellen könne, denn die Romane Thomas Manns hätten eine lange Inkubationszeit gehabt. Und so dürfe man davon ausgehen, dass der Schriftsteller in seiner Tölzer Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts von 1909 bis 1917 schon erste Notizen zu diesem Werk gemacht habe, das dreißig Jahre später 1947 erschien.
3. Bürgermeister Dr. Christof Botzenhart. Foto: Petra Kurbjuhn
Aber Doktor Faustus habe mehr zu bieten, denn Thomas Mann habe in diesem Roman das Verhängnis Deutschlands in seiner Beziehung zum Nationalsozialismus verarbeitet, betonte Christof Botzenhart.
Abwechslungsreiches Programm
Das Festival würdigt mit seinem abwechslungsreichen Programm Thomas Mann und seinen Roman Doktor Faustus, in dem es bekanntlich um den Komponisten Adrian Leverkühn geht, der einen Pakt mit dem Teufel schließt. So gibt es am heutigen Montag einen Vortrag mit Musik mit dem Titel „Beethoven im Doktor Faustus“, am morgigen Dienstag „Nur wer die Sehnsucht kennt“, Lieder von Franz Schubert und Hugo Wolf.
Eine literarische Führung in Polling, das Pfeiffering im Roman Doktor Faustus entspricht, findet am Mittwochnachmittag statt und abends gibt es eine literarische Weltreise durch die Arbeitszimmer von Thomas Mann. Ein Vortrag über „Entstehung des Doktor Faustus“ schließt sich Donnerstagnachmittag an, am Abend ist ein Brentano-Liederabend angesetzt.
Stadtführungen zum Thomas-Mann-Festival
„Betrachtung eines Politischen“ ist der Vortragstitel am Freitagabend und am Samstag liest Stefan Hunstein unter dem Titel „Ein deutscher Schriftsteller spricht zu Euch“. Darüber hinaus sind Stadtführungen zum Thomas-Mann-Festival vorgesehen.
In seinem wissenschaftlichen Festvortrag ging Tobias Boes der Frage nach, was es bedeutet, ein deutscher Autor mit amerikanischer Staatsbürgerschaft zu sein. Der Professor für Germanistik an der Notre Dame University in Indiana und Thomas-Mann-Spezialist konstatierte, dass Bad Tölz in der Entstehung des Doktor Faustus ein Ehrenplatz zustehe.
Prof. Dr. Tobias Boes. Foto: Petra Kurbjuhn
Der Germanist gab einen Einblick in das Leben und Werk Thomas Manns, der in den zwanziger Jahren Botschafter deutscher Literatur im Ausland war, den Nobelpreis erhielt. In den dreißiger Jahren habe ein langes Schweigen gefolgt, bevor er 1938 in die USA emigrierte und sagte: „Wo ich bin, ist Deutschland.“
Fünf Jahre lang habe er Vorlesungen als Stimme eines Oppositionellen gehalten, dann aber sei eine tiefe Krise gefolgt, er sei nach dem Kriegseintritt der USA nicht mehr gefragt gewesen. In diesen Jahren schrieb er Doktor Faustus, aus dem Wunsch geboren, den Nationalsozialismus literarisch zu verarbeiten.
Stellung in Weltliteratur
Tobias Boes ging intensiv auf die Sprache des Romans, die Polyphonie, also Mehrstimmigkeit ein und erklärte die humanistische ebenso wie die teuflische Stimme, betonte auch, dass es im Roman von Amerikanismen wimmle.
Letztlich sei Doktor Faustus Thomas Manns Kampf um seine neue Stellung in der Weltliteratur, um Anerkennung in den USA. Der Roman sei deutsch und amerikanisch, ebenso wie der Autor und auch die Sprache beides sei. Und „er ist Teil der Weltliteratur“, resümierte der Wissenschaftler.
Bild von Felix Pitscheneder in der Ausstellung. Foto: Petra Kurbjuhn
Das letzte Wort soll Thomas Mann haben, den Kurator Eckhard Zimmermann aus dem Jahr 1953 so zitierte: „Ich glaube an das Gute, das Geistige, das Wahre ,… an die souveräne Freiheit der Kunst.“