Himmlische Sommerlektüre aus München
Thomas Montasser „Eine himmlische Lektüre“ – unser Buchtipp für den Sommer. Foto: IW
Buchtipp der Redaktion
Thomas Montasser ist Jurist, Journalist, Literaturagent und Autor. Er hat Freude daran, Verlage für Bücher zu finden und selbst welche zu schreiben – und er weiß, was bei den Lesern ankommt. Mit „Eine himmlische Katastrophe“ ist ihm eine wunderbar leichte und kluge Sommerlektüre gelungen.
Sommerferien mit Schönwetter, dann und wann ein Sprung in den See. Danach bequem am Strand ausstrecken und die Nase in ein Buch stecken? Genau. Und zwar in eine wunderbare Sommerkomödie, die mit frischer Leichtigkeit daherkommt, charmant, klug und witzig ist: Thomas Montassers neuer Roman „Eine himmlische Katastrophe“.
Der Bleu de Bleaumont gelingt nicht
Die Geschichte entführt ins Urlaubsland Frankreich. Nein, nicht an die Cote d’Azur, sondern in den kleinen, verschlafenen Ort Bleaumont in einem vergessenen Winkel des Burgunds. In ein noch kleineres, baufälliges Kloster, einst der Nabel der Welt, oder beinahe zumindest. Heute jedoch definitiv in Vergessenheit geraten. Die drei nicht mehr ganz frischen Ordensschwestern, eine davon im Rollstuhl, halten das Leben des Klosters aufrecht: Madeleine, Lucie und Sophie. Aber alles will nicht mehr so recht gelingen. Weil die Mitschwestern bereits weggestorben sind und mit ihnen ihr Wissen und Geschick, beispielsweise den besten Blauschimmelkäse von ganz Burgund zu machen, den Bleu de Bleaumont. Der gelingt nämlich nicht mehr. Und damit droht ihre letzte Einnahmequelle zu versiegen.
Autor Thomas Montasser. Foto: Mariam Montasser
In dieses vor sich hinschwindende Idyll voller Risse und bröckelndem Charme platzt Louise, genannt Loulou, die unbekannte Nichte Madeleines aus der Pariser Banlieue. Nicht ganz freiwillig übrigens. Sie hat Probleme mit der Polizei und von ihrer Justizbetreuerin die Auflage bekommen, eine Weile im Kloster der Tante zu leben. Wo zunächst Welten aufeinanderprallen, entwickelt sich in entspannt-fröhlichem Plauderton mit sanfter Dynamik eine bunte Geschichte. Und die anfängliche Katastrophe (Bof, was für ein Kaff) wird zur himmlischen Fügung – und zwar für alle.
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Klösterliche Stille und himmlische Musik
Wider Erwarten entwickelt das reichlich tätowierte, kaugummikauende Mädchen aus dem Pariser Milieu-Vorort ein Interesse am Klosterleben – auch wenn sie sich zunächst einmal nur für die rauchbaren Substanzen interessiert, die in Schwester Madeleines Garten gedeihen. Schnell wächst auch ihr Interesse an der Käseherstellung – und sie findet den Fehler, den zu sehen die Ordensschwestern mittlerweile betriebsblind sind. Ihr Talent besteht allerdings weniger seitens körperlicher Klosterarbeit, als im Organisieren. Und als sie eines nachts Schwester Madeleine im entfernten Winkel des baufälligen Gebäudes rasante Läufe auf dem E-Bass spielen hört, entwickelt sie eine Idee. Und kein Wunder – führt diese schließlich dazu, dass die Nonnen nicht nur ihre finanziellen Probleme loswerden, sondern auch schlagartig im ganzen Land berühmt sind – als „Ein göttlicher Harem“.
Aus der Provinz in die Stadt
Der Weg dahin führt naturgemäß zu allerlei komischen Situationen und kuriosen Begegnungen. Federleicht und mit großer Liebe zu Frankreich samt seinem multikulturellen Flair in den Städten und der liebenswürdigen Provinzialität auf dem Lande erzählt Thomas Montasser die Geschichte der ungleichen Frauen und ihrer irdischen und göttlichen Helfershelfer.
Mit „Eine himmlische Katastrophe“ ist ihm ein zauberhaftes Sommerbuch gelungen, das nebenbei ganz viel über das Zusammenwachsen einer Gemeinschaft unterschiedlichster Menschen erzählt. In diesem interkulturellen und interreligiösen Kaleidoskop prallen die scheinbar entferntesten Welten aufeinander – mit Respekt, Humor und ganz viel Herz. Thomas Montasser hat nicht mit Klischees gespart – und sie zugleich so wohlproportioniert, dass man die vielen Nebenfiguren, die von nun an dem Weg der Bräute Gottes kreuzen, einfach sofort lieben muss.
Farbenfrohes Miteinander für eine bessere Zukunft
So unterschiedlich die Protagonisten der Geschichte auch sind, sie lernen voneinander und inspirieren sich gegenseitig. Und das wiederum bringt darauf, welche Verantwortung wir alle für ein geeintes Europa und schließlich für eine enkeltaugliche Welt schlechthin tragen – aber ohne Zeigefinger, sondern so ganz nonchalant und en passant. Den eigenen Horizont zu erweitern hat eben noch nie geschadet. Auch darauf macht die Geschichte gründlich Lust – von der Lust auf einen Frankreich-Urlaub ganz zu schweigen.
So, und nun noch einmal kurz in den See gesprungen und dann ab nach Hause, den Rotwein aus Burgund öffnen – aber nicht, ohne zuvor noch schnell beim Käseladen zu stoppen und nach einem Bleu de Bleaumont zu fragen.
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