Was alte Männer halt so machen
Thomas Sautners neuer Roman erschien im März 2023 im Picus Verlag. Foto: IW
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Der Waldviertler Autor Thomas Sautner ist bekannt für seine gedanklich und sprachlich fein verwobenen Romane. Sein neuestes Werk „Nur zwei alte Männer“ handelt erstmalig wieder in der Metropolstadt Wien und ist anders, obwohl es in gewohnter Weise in jeder Zeile sautnert.
Thomas Sautner hat einen neuen Roman geschrieben. Eine gute Nachricht für alle, die darauf gewartet haben. Gewöhnlich sitzt er beim Schreiben in seinem Waldviertler Refugium, fernab der Stadt. In den letzten Jahren handelten alle seiner Bücher auch dort auf dem Land, wo es still und einsam ist, zuweilen geradezu mystisch, und wo das Granitgestein kraftvolle Energie spendet. Wo „Das Mädchen an der Grenze“ entstanden und „Großmutters Haus“. Wo er zuletzt „Die Erfindung der Welt“ schrieb. Diesmal verlegt er die Handlung nach Wien.
Natürlich einmal wieder Wien, denn Thomas Sautner ist da und dort zu Hause, zurückgezogen auf dem Lande und präsent in der Stadt. Für alle Fans, die sich fragen, ob Malina wieder an Bord ist: vielleicht. Wenn jedoch, dann komplett anders, als man es sich mit der kühnsten Fantasie vorstellen kann. Doch nicht zu viel gespoilert. „Nur zwei alte Männer“ ist tatsächlich anders als die Vorgängerromane. Erstmalig seit langem steht keine Protagonistin im Vordergrund, sondern die titelst erwähnten alten Männer, die ein fast gleichschenkliges Dreieck bilden mit einer jüngeren Frau.
Fotografie, Tanz, Schokopudding
Wir lernen den ehemaligen Starfotografen Joseph Wasserstein kennen. Mit seinen klapprigen 83 Jahren denkt er gern an die Auslöschung des Lebens als Gnade im rechten Moment, scheut aber vor der Idee des Selbstmordes zurück, weil er es denen, die ihn finden würden, nicht zumuten möchte. Und weil ihm keine Szene dieses Auffindens einfällt, die er sich fotografisch vorstellen kann. Er schätzt nur noch zwei Gruppen von Menschen: die immer größer werdende Anzahl der schon gestorbenen und Hakim.
Hakim Elvedin, ein gealterter Tänzer aus Damaskus, lebt Garten an Garten mit Wasserstein. Einst war er wegen der Musik nach Wien gekommen – er „wollte ins Leben“. Seine Tage sind Tanz und wenn niemand sonst ihm dabei zusieht, so sind da doch seine drei Katzen: Ataraxia, die Lichtweiße, Aponia, die Schwarze, und Eudämonia, die Rote. Und sein lieber Freund und Nachbar Joseph Wasserstein, der neuerdings keine Freude mehr hat am Leben.
In dieses Leben, das sich – zumindest Wasserstein zufolge – rasant dem Ende zuneigt, platzt Julia Stern, nicht ganz jung mehr, aber deutlich jünger als die alten Herren, sie könnte deren Tochter sein. Mit einem Faible für Schokopudding, „eigens löffelübervoll“, und einem offenen und einem versteckten Anliegen taucht sie auf. Sie bleibt länger, als sie zunächst vorhat, in dem Garten von Wassersteins alter Villa, in dem dieser das Rasenmähen als treffendes Sinnbild vergänglichen Lebens definiert.
Thomas Sautner kann Sprache
Augenzwinkernd, liebevoll, poetisch und mit tiefgründiger Leichtigkeit tanzt die Geschichte über die Seiten. Wer Freude an Thomas Sautners Sprache hat, kann den Bleistift spitzen und ganze Passagen anstreichen oder Eselsohren in die Seiten kneifen, um sie abermals zu lesen. Die Sprache ist schön, die Geschichte ungewöhnlich und ungewöhnlich schnell kommt sie auch zu ihrem Ende. Man möchte mehr. Muss aber auch einräumen, der Autor ist Meister des Verdichtens: Am Ende ist alles gesagt. Und Wien, einmal mehr wieder nach dem Waldviertel, ist ein neuer, alter Sehnsuchtsort: „Diese dunkelhelle Metropole inmitten Europas, diese bittersüße Stadt …“
Der Autor beim Schreibseminar in Weyarn. Foto: Petra Kurbjuhn
Zugleich ist der Roman eine Hommage ans Fotografieren. Thomas Sautners am zärtlichsten, aber auch schonungslos gezeichnete Figur Joseph Wasserstein träumt in Schwarzweiß. Er knipst „Gedankenfotos“, als er Julias zum ersten Mal ansichtig wird: „Die Farbe Blau, eine Woge, eine Stofflichkeit, Leben zusammengefasst in einem Sekundenbruchteil.“ Bald philosophieren sie zu dritt über das Leben, über das Fotografieren und natürlich über den Tanz. Alles ist mit allem verwoben, wie auch das Schicksal der drei Protagonisten. In ihr langsames sich Herantasten mäandert ein anderes Ereignis – der übersinnlichen Art. Ein Ereignis, das die Menschheit in ihren Grundfesten erschüttert und die Frage nach nichts Geringerem als dem absurden Sinn des Lebens aufwirft.
„Nur zwei alte Männer“ ist kein Alt-Herren-Roman. Der Autor, am Anfang der zweiten Hälfte seines Lebens, versetzt sich tief hinein in das Altern, ungeschönt und augenzwinkernd gewürzt mit menschelnden Details. So detailliert wie man eben nur als Mann das Altwerden eines Mannes beargwöhnen kann, wohl wissend, es kommt früher oder später. Aber dann bitte mit Würde. Und mit Tanzen. Mit allem, was alte Männer halt so machen sollten, um dem Leben Sinn zu geben, bis zum bittersüßen Ende.
In seinem Haus im Waldviertel gibt Thomas Sautner Schreibseminare. Aus seinem Buch „Großmutters Haus“ las er auf Einladung von KulturVision in Valley nach einem Schreibseminar in Weyarn.