„Transatlantische Geschichten“ von August Zirner und Sven Faller
Kongeniales Duo: August Zirner und Sven Faller. Foto: Hermann Will
Erzählkonzert in Gut Sonnenhausen
Gelungene Premiere im nagelneuen Bauernhaus von Gut Sonnenhausen bei Glonn. Zwei wunderbare Geschichtenerzähler haben sich da mit dem Schauspieler August Zirner und dem Jazzmusiker Sven Faller gefunden. Und sie plaudern nicht nur über höchst Privates, sie beglücken auch mit anspruchsvoller Musik.
Bei ihren einführenden Worten erzählt die Marketingleiterin Alexandra Baeten von einem dramatischen Erlebnis, nämlich dem Brand im Jahr 2016, dem ein Großteil des Gebäudes zum Opfer fiel. Seit gut einem Jahr steht nun das Bauernhaus größer und schöner da und bietet als neuer Veranstaltungsort einen modernen Rahmen mit gewohnt gehobener kulinarischer Verpflegung. Ein Ort zum Träumen, Erzählen und Zuhören also.
Alexandra Baeten und Stefanie Boltz. Foto: Monika Ziegler
Zwieback und Zirner
August Zirner berichtet schwärmerisch von seiner Großmutter Ella Zwieback aus Wien, die musikalisch begabt, aber aus „Geschäftsgründen“ mit dem Kommerzienrat Zirner verheiratet wurde und 1906 mit ihrem Mann das „Maison Zwieback“ übernahm, ein bekanntes Wiener Kaufhaus. Er stelle sie sich als „Vögelchen“ vor, die sich ihre Passion für die Musik nicht nehmen ließ.
Flötist August Zirner. Foto: Hermann Will
Mit dem Pianisten und Komponisten Franz Schmidt kam es durch wundersames Klavierspiel zu einem „Kuckuckskind“, nämlich Ludwig Ernst Zirner, den Vater des Schauspielers. Belustigtes Schmunzeln im Raum. Aber die Zeiten wurden rauer. 1938 wurde die jüdische Familie enteignet und musste aus Wien fliehen. Und so gibt Zirner eine für viele bisher unbekannte Seite seines Könnens preis. Er spielte auf der Querflöte meisterhaft eine „Serenade für alle Kuckuckskinder dieser Welt“: fröhlich, anmutig und anrührend.
Traumpaar mit Faller
Sven Faller denkt auch an seine Großmutter, die in den 30er Jahren aus einer Kleinstadt im Rheinland nach München zum Studieren ging und sich kurzerhand in einen jüdischen Schöngeist verliebte. „Ein Traumpaar“, nennt er die beiden, bis der junge Mann 1938 das Land Richtung Amerika verließ und seine Verlobte zurückließ. Sie kehrte ins Rheinland zurück und bekam ein Kind, Fallers Mutter.
Bassist Sven Faller. Foto: Hermann Will
Er machte als Wissenschaftler in der Neuen Welt Karriere, gründete eine Familie und entschloss sich nach dem Tod seiner Frau nach Deutschland zu reisen. Und – was soll man sagen? Er traf seine ehemalige Verlobte wieder und erfüllte nun nach über 30 Jahren sein Ehegelübde. Eine wunderbare Geschichte, die der Jazzmusiker Faller melancholisch, gefühlvoll, verträumt mit seinem Kontrabass begleitet.
Duo mit Tiefgang
Und so plaudern sie munter weiter und sinnieren abwechselnd über ihre unterschiedlichen und doch irgendwie ähnlichen Biografien, die von Österreich über die USA wieder zurückführten oder von Deutschland über New York und zurück. Da philosophiert Zirner über das „Es“, aus dem ein „Ich“ wurde, ein Junge, der Amerika wegen des Vietnamkriegs den Rücken kehrte und lieber in Wien die Papageno-Arie vorsang.
Schauspieler und Musiker gleichermaßen: August Zirner und Sven Faller. Foto: Hermann Will
Und Faller beschreibt das „Mysterium der deutschen Autobahn“ als ganz großes Missverständnis, den Sehnsuchtsort der freien Raserei für Amerikaner, der sich als zähfließender Verkehr entpuppt. Geschichtenerzähler sind sie beide, immer liebevoll und charmant, aber auch stets mit Tiefgang und Nachdenklichkeit.
Musik zwischen den Welten
Da krönt August Zirner seine Erzählungen mit einem wunderbar einfühlsamen Blues oder herrlichen Jazzeinlagen wie Nat King Coles „Nature Boy“. Zusammen führen die beiden Künstler nicht nur einen erzählerischen Dialog, sondern gehen auch musikalisch perfekt aufeinander ein. Sie improvisieren und bewegen sich mit scheinbarer Leichtigkeit zwischen den Welten.
Sie beschreiben die Wandervogelromantik und „sammeln Töne ein“, die sie ihrem Publikum dann mit Lust darbieten, ohne sich anzubiedern. Und August Zirner schließt den Kreis und beschwört, wie zu Beginn, die Liebe: „The greatest thing we learned is to love and to be loved“.
Stefanie Boltz, August Zirner und Sven Faller. Foto: Monika Ziegler
Wie schön, dass als Zugabe die Jazzsängerin und Konzertmanagerin von unserem Kulturpartner Gut Sonnenhausen, Stefanie Boltz, nicht nur die beiden Künstler würdigte, sondern mit ihrem starken, tragfähigen Gesang auch „Sunny, I love you“ unter der Begleitung von August Zirner und Sven Faller zu Gehör brachte. Ein stimmiger Abend in einem stimmungsvollen Ambiente, den Hausherr Georg Schweisfurth in launigen Dankesworten beschloss.
Zum Weiterlesen: Was grandiose Musik ausmacht