Tschaikowskis „Teure Freundin“
Anja Gild, Rikke Werner, Celino Bleiweiss (v.l.). Foto: Manfred Lenzer
Musikalische Lesung in Otterfing
„Je mehr Gutes man empfängt, desto mehr möchte man haben“, schrieb Nadeshda von Meck 1876 an den Komponisten Peter Tschaikowski. Genau so empfinden es die Zuhörer in der Schulaula am Sonntagabend. Und ja – es gibt in den nächsten Tagen im Rahmen der Otterfinger Kulturwoche auch noch reichlich Gelegenheit, sich Gutes zu tun.
Doch zunächst stimmte uns die Pianistin Rikke Werner mit Tschaikowskis Dumka, c-Moll, op.59, den ukrainischen Dorfszenen, in den Briefwechsel zwischen Peter Tschaikowski und Nadeshda von Meck ein. Lebhaft, fröhlich, verspielt, aber auch gesittet ging es da zu.
Rikke Werner. Foto: Manfred Lenzer
Eine Biographie in Briefen
1204 Briefe schrieben sich der Komponist und die reiche Witwe eines baltisch-deutschen Eisenbahnunternehmers in der Zeit von 1876 bis 1890. Akzentuiert und mit großem gestalterischen Ausdruck trugen Anja Gild und Celino Bleiweiss ausgewählte Passagen vor. Da wird nichts ausgespart oder unter den Teppich gekehrt. Nadeshda bekennt sich vorbehaltlos zu ihrer Begeisterung und überschwänglichen Gefühlen für den berühmten Komponisten. Und er wiederum lässt sie teilhaben an seinen Freuden und Enttäuschungen, an Erfolgen und Misserfolgen, Plänen und Hoffnungen. Und beide bekennen ihre Sehnsüchte und Lebenserfahrungen.
Anja Gild liest die Briefe von Nadeshda von Meck. Foto: Manfred Lenzer
„Die erste Komposition, die ich hörte, war der Sturm“, schrieb Nadeshda 1876 und schilderte verzückt ihre Gefühle. Sie erkannte Tschaikowskis Musik als edel, ehrlich und sinnvoll und beteuerte: „Ein Komponist ist das höchste Wesen der Schöpfung“. Da wechselten fast täglich die Briefe zwischen den Schreibenden hin und her. Als menschenscheu und schwermütig offenbart sich ihr Peter Iljitsch. Fotografien werden ausgetauscht, auf finanzielle Engpässe hingewiesen, um Unterstützung gebeten. Schließlich will ihr Tschaikowski seine nächste, die 4. Symphonie, widmen.
Celino Bleiweiss liest die Briefe von Peter Iljitsch Tschaikowski. Foto: Manfred Lenzer
Seine Heirat im Juli 1877 stürzte den Komponisten in tiefe Selbstzweifel und Depression. „Kaum war die Trauung vollzogen, kaum hatte ich erkannt, dass uns das Schicksal untrennbar verbunden hatte, da begriff ich plötzlich, dass ich nicht einmal mehr Freundschaft, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Widerwillen gegen sie empfand.“ Eine Reise sollte Abhilfe schaffen. Im Dezember 1877 bietet die Freundin 6000 Rubel Jahresrente an. Da kann Tschaikowski die ungeliebte Lehrtätigkeit am Konservatorium aufgeben und sich ganz dem Komponieren widmen.
Musik ist Leben und Liebe
„Haben Sie jemals geliebt?“ fragt Nadeshda Peter Iljitsch und beschwört wieder und wieder die Ähnlichkeit der Gefühle, die Verbindung und Einheit von Gedanken, ja, eine Art Seelenverwandtschaft. „Liebe und Musik ist die innere Verbindung zwischen Komponist und Werk. Ich liebe Mozart, seinen Don Giovanni. Er führte mich zur Musik“, bekennt Tschaikowski.
Gespannt lauschte das Publikum Rikke Werners Darbietung von Szenen aus den „Jahreszeiten“. Danach trug Celino Bleiweiss eindrücklich Passagen der Verzweiflung des Komponisten vor. Trennung von der Ehefrau, finanzielle Schwierigkeiten. Was sollte er seiner Gönnerin nur schreiben?
10.000 Rubel sagte sie ihm zu. „Ich werde den Namen nicht erwähnen. Niemand wird erfahren, wem ich Freiheit und Ruhe zu verdanken habe.“ Tschaikowski reist durch Europa, gibt Konzerte, dirigiert, wird gefeiert. Nadeshda von Meck fährt nach Florenz und Nizza. Und irgendwann passiert sogar das: die beiden, die sich nicht persönlich treffen wollten, begegnen sich zufällig und gehen aneinander vorbei.
Celino Bleiweiss und Anja Gild. Foto: Manfred Lenzer
Im Laufe der folgenden Jahre versachlichte sich der Stil der Briefe. Man schrieb sich in größeren Abständen. Nadeshda musste Millionenverluste an ihrem Gut hinnehmen, es schließlich verkaufen. Außerdem litt sie an Schmerzen an der Hand. Und zuletzt stellte sie 1890 ihre Zahlungen an Peter Tschaikowski ein.
Anja Gild und Celino Bleiweiss gelang eine einfühlsame Lesung und Interpretation von Zeugnissen menschlicher Wertschätzung sowie künstlerischer und persönlicher Lebensleistung mit der „Teuren Freundin“. Zum Schluss erfreute Rikke Werner noch mit einem Herbstlied des Meisters. Lang anhaltender Applaus des Otterfinger Publikums.
Dienstag, 31.10. 20.00 Uhr: „Vielsaitig“, Mittwoch, 01.11. 20.00 Uhr: „Shevlinquartett“, Donnerstag, 02.11. 20.00 Uhr Alfred Mittermeier „Ausmisten“, Freitag, 03.11. 18 Uhr: Internationaler Hoagascht, 20 Uhr: A.E.R.A. Quartett und Samstag, 04.11. 19.30 Uhr: Bekanntgabe des Publikumslieblings und Verlosung der Preise, 20.00 Uhr: Mittendrin. Weitere Informationen finden Sie hier.