Zwischen den Kulturen: Uisenma Borchu
Uisenma Borchu in „Nachts, als die Sonne für mich schien“ in den Münchner Kammerspielen. Foto: Sven Zellner
Für ihren ersten Film erhielt sie den Bayerischen Filmpreis. Für ihren zweiten wurde ihr soeben vom FilmFernsehFonds Bayern die volle Fördersumme zugesagt. Und in den Münchner Kammerspielen kann man sie in ihrem Stück „Nachts, als die Sonne für mich schien“ sehen, die Föchingerin Uisenma Borchu.
Seit einem Jahr lebt die Dreigenerationenfamilie in der Marktgemeinde, nachdem sie von der Mongolei über die DDR schließlich nach Bayern kam. Denn der Ursprung liegt in der mongolischen Wüste. Die Familie stammt aus einem Nomadenvolk, aber sowohl Mutter als auch Vater studierten. Vater Borchu Bawaa studierte Pädagogik und Kunst und war Referent im Kultusministerium der Mongolei. Die Mutter studierte Pädagogik an der Humboldtuniversität in Berlin und holte 1988 die Familie in die DDR. Da war Uisenma vier Jahre alt.
Angst, Frustration und Ausgrenzung
Ihre Kindheit und Jugend verbrachte die junge Mongolin in der Wendezeit der DDR und erlebte Angst, Frustration und Ausgrenzung. Am schlimmsten, so erzählt sie, sei die verdeckte Isolation durch Lehrer oder Polizisten gewesen. Mit direkter Konfrontation habe sie eher leben können. „Ich habe mit meinen Nazifreunden geredet und wir haben uns akzeptiert“, sagt sie.
Münchner Kammerspiele, „Nachts als die Sonne für mich schien“, von Uisenma Borchu, Inszenierung: Uisenma Borchu, Schauspiel. Foto:Sven Zellner 2017/Agentur Focus
Aber das Identitätsproblem ließ sie nicht los. In ihrem Stück „Nachts, als die Sonne für mich schien“ beschreibt sie autobiografisch, in welchem Dilemma ein junges Mädchen steckt, das nicht weiß, ob es seine ursprüngliche Identität behalten oder ablegen soll. Uisenma Borchu hat das Stück geschrieben, inszeniert und spielt die Hauptrolle.
Münchner Kammerspiele, „Nachts als die Sonne für mich schien“, von Uisenma Borchu, Inszenierung: Uisenma Borchu, Schauspiel. Foto:Sven Zellner 2017/Agentur Focus
Mit ihr steht ihr Vater, der Maler Borchu Bawaa auf der Bühne. In jeder Vorstellung malt er, entsprechend seiner Emotionen Bilder. Und sie selbst ist hin- und hergerissen zwischen ihrer inneren Stimme, die sie aufbauen will und dem Vater, der nervt. Dazu kommen zwei Schauspieler, die die junge Uisenma und den Vater in den neunziger Jahren spielen. Zudem eine Lehrerin, die – in gewollter Umkehrung farbig ist. „Es geht nicht um Hautfarbe, sondern generell um Ausgrenzung“, erklärt die junge Regisseurin und Schauspielerin.
„Schau mich nicht so an“: Uisenma Borchu, Catrina Stemmer, Anne-Marie Weisz (v.l.). Foto: Sven Zellner
Geschlechterrollen in Frage gestellt
Im Augenblick bereitet sie mit ihrem Mann, dem Fotografen und Kameramann Sven Zellner, den sie an der Film- und Fernsehakademie München kennenlernte und mit dem sie einen Sohn hat, ihren zweiten Spielfilm vor. Der erste mit dem Titel „Schau mich nicht so an“ stellte das Thema Geschlechterrollen in Frage. Zwischen den zwei Frauen Hedi und Iva entwickelt sich eine leidenschaftliche Beziehung, bis der Vater (Josef Bierbichler) von Iva auftaucht. Damit ändert sich alles, denn Hedi (Uisenma Borchu) spielt ihre Macht über Freundin und Mann gezielt und bedrückend aus.
Uisenma Borchu. Foto: Sven Zellner 2015/Agentur Focus
Jetzt aber will die junge Künstlerin wieder zu ihrem Thema Identität zurückkehren. In ihrem Film SCHWARZEMILCH prallen zwei Kulturen aufeinander. Zwei Schwestern treffen nach Jahren in der Wüste Gobi zusammen, die eine kommt aus Europa zurück, die andere blieb bei den Nomaden. Welche Kultur ist die bessere? Wer darf sagen, was besser ist? Diese Fragen treiben Uisenma Borchu um. Die Nomaden haben immer in Einklang mit der Natur gelebt, sind sie deshalb besser? Gibt es nicht auch bei den Nomaden Frauenfeindlichkeit? Kopieren sie das westliche Lebensmodell?
Kultureller Zusammenstoß
„Mich hat immer die Nomadenfrau in der Jurte interessiert“, erzählt Uisenma Borchu und ihr Mann Sven Zellner ergänzt: „Da gibt es eine Mystifizierung der Mongolei, aber der kulturelle Zusammenstoß ist schon da.“ Der Fotograf hat eine Serie unter dem Titel „Ninjas“ gefertigt, in der er darstellt, wie sich die Nomaden von der Gier nach Gold anstecken ließen und unter unwürdigen, gefährlichen Bedingungen nach Gold in der Wüste suchen.
„Man kann keine Kultur über eine andere stellen“, sagt Uisenma Borchu, sie sei in dem Kontrast der Kulturen groß geworden und wisse jetzt: „Es gibt nicht nur eine Wahrheit.“