UND ENDLICH bleibt die Zeit stehen
Thomas Huber und Wolfgang Aichner mit der Uhr in der Felssspalte (Collage). Foto: GÆG
Kunstprojekt in Miesbach und in der Schweiz
Mit dem ebenso spektakulären wie tiefsinnigen Kunstprojekt UND ENDLICH warten Thomas Huber und Wolfgang Aichner auf. Sie platzieren eine überdimensional große Uhr in den Schweizer Bergen, die für Wanderer eine einmalige Überraschung bereithält.
Diese Uhr wurde jetzt in Miesbach erstmals öffentlich vorgestellt. Michael Brünner von EST lieferte den technischen Support für das Werk und Georg Oechsler die Programmierung. So wurde das Kunstwerk am Julierpass möglich, das Mitte August für etwa sechs Wochen installiert werden soll.
MIt vereinten Kräften wird die Uhr aufgerichtet. Foto: MZ
Wenn sich ein Wanderer der Uhr nähert, wird sie immer langsamer und bleibt letztlich stehen, wenn er etwa einen Meter vor ihr steht. Auch der Sekundenzeiger regt sich nicht mehr. Spätestens wenn sich der Wanderer wieder entfernt und der Sekundenzeiger erneut anläuft und die Uhr wieder in Echtzeit läuft, wird klar, dass die Einzelperson Einfluss auf das Uhrobjekt hat oder gar auf den wirklichen Zeitverlauf?
Thomas Huber erklärt den Hintergrund: „Wir wollten eine Zeitoase schaffen in einer Zeit, in der immer alles schneller gehen muss.“ Zunächst habe man das Projekt für Berlin geplant, es aber dann doch in der Natur verortet.
Michael Brünner, Georg Oechsler, Thomas Huber und Wolfgang Aichner bei der Präsentation in Miesbach. Foto: MZ
In den Schweizer Bergen, etwa eineinhalb Stunden Wanderung vom Julierpass entfernt, habe Wolfgang Aichner ein Felsentor gefunden, das sich ideal für ihre Idee eignet. „Schweiz und Uhr“, lacht der Holzkirchner Künstler, „wir zeigen den Schweizern, wie eine Uhr geht.“ In Abstimmung mit Kommune und Kanton wurden die Genehmigungen für die Installation eingeholt. Unterstützung erhielten die deutschen Künstler von der Schweizer Kuratorin Sibylle Omlin.
„Wir gehen sorgsam mit der Natur um“, erklärt Thomas Huber, „die Uhr wird mit einer Seiltechnik aufgehängt.“ Eigentlich war die Platzierung schon Anfang August geplant, aber da ausgerechnet dieser Platz einem Turmfalken zum Nisten gefiel, musste die Aktion verschoben werden.
Humor und Originalität
Jetzt also ist die Karawane, die die zwei Meter große Uhr mit schwerem Innenleben zum Felstor transportieren soll, für Mitte August geplant. Dabei sollen drei Pferde von der Schweizer Armee und mehrere Träger unterstützen. Das Ganze wird in einem von der Holzkirchner Dramaturgin Sabine Schreiber geplanten Film begleitet.
Mit Humor und Originalität geht das Künstlerduo GÆG seine Projekte an und scheut dabei keine Mühen und keine weiten Wege. Das Künstlerkollektiv GÆG (global aesthetic genetics), gegründet 2005 von dem Münchner Künstler Wolfgang Aichner und dem Holzkirchner Künstler Thomas Huber, wurde bereits durch mehrere internationale Projekte bekannt. Immer sind es spektakuläre Kunstprojekte mit tiefsinnigem Hintergrund in der unberührten Landschaft.
Venedig und Island
So das Projekt “passage2011“, bei dem die Künstler-Alpinisten ein rotes Kunststoff-Boot von immerhin 150 Kilogramm Gewicht von Hand über den Alpenhauptkamm zogen und zur 54. Venedig Biennale brachten. Im Jahr 2013 veranstalteten sie einen “powerwalk“ mit mitgetragenen Windrädern auf Europas größtem Gletscher, dem isländischen Vatnajökull.
Lesetipp: Gespür für Energie beim powerwalk
Im Jahr 2017 führte GÆG in “linear“ eine rechteckige Wanderung in den USA aus und zogen mit dem auf dem Rücken mitgetragenen silbernen Kugelschreiber imaginäre Staatsgrenzen durch die Staaten Utah, Wyoming und Colorado. Und jetzt also UND ENDLICH in den Schweizer Bergen.
Zeit läuft unterschiedlich schnell ab
Bei der Präsentation der Uhr in Miesbach erklärt Michael Brünner die Technik: „In der Uhr sind hinter zwei Löchern Kameras installiert, die eine sich nähernde Person erfassen.“ Durch die Programmierung, so Georg Oechsler, werde das Laufwerk über drei Schrittmotoren verlangsamt und bleibe stehen. So werde erlebbar gemacht, dass Zeit unterschiedlich schnell ablaufe.
Wolfgang Aichner und Thomas Huber vor dem Innenleben der Uhr, hier wird die komplizierte Technik eingebaut. Foto: MZ
„Die Uhr arbeitet autark, sie wird mit einer Methanol-Brennstoffzelle mit Strom versorgt“, erklärt Michael Brünner. Die Herausforderung sei, dass das System im hochalpinen Raum laufe und Wind und Wetter ausgesetzt sei.
„Wir steuern und überprüfen die Funktion mittels Heartbeat per Handy“, erklärt Georg Oechsler, wenn sich der Herzschlag verlangsame oder gar stillstehe, müsse halt jemand auf den Berg.
Himmelstor im Val d’Agnel im Kanton Graubünden. Foto: GÆG
„Kunst in der Natur hat eine Magie“, sagt Thomas Huber. Die Landschaft am Felsentor sei so surreal wie von Dali gemalt. Und dahinein kommt als Symbol für die Zeit die besonders konstruierte Uhr. „Wir lassen die Zeit stehen und verlängern damit künstlich die Lebenszeit“, meint der Künstler.