Unsere Fenster zum Hof
Fenster in einem Münchner Innenhof, vom Fotografen beobachtet. Foto: Michael Bischoff
Theater in München
Fenster zum Hof? Macht es da nicht klick? Natürlich, der fantastische Hitchcock-Film mit Grace Kelly und James Stewart. Jetzt gibt es eine Neuauflage des Klassikers in München, inszeniert von Jochen Strodthoff, aber doch ganz anders als das Original, denn der Untertitel lautet „Partizipative Performance für Münchner Innenhöfe“.
„Corona war der Auslöser“, erzählt der Haushamer Regisseur, Schauspieler und Produzent von dasvinzenz. Drinnen im Theater habe man nicht spielen können, so sei man auf die Idee gekommen, in Münchner Innenhöfen zu agieren und den bekannten Film nachzuerzählen.
Mit dem Teleobjektiv
In „Das Fenster zum Hof“ ist der Pressefotograf Jeff wegen eines Beinbruchs an den Rollstuhl gebunden und schaut mit dem Teleobjektiv aus seinem Fenster in die gegenüberliegenden Fenster. Bei der Beobachtung der Menschen glaubt er eines Nachts einen Mord gesehen zu haben.
Regisseur Jochen Strodthoff. Foto: Florian Bachmeier
„Das ist eigentlich eine totale Coronasituation“, meint Jochen Strodthoff, da geht es um Langeweile, Voyeurismus, aber auch Paranoia und Angst. „Wenn er in andere Fenster schaut, dann ist das eine Projektion, von der er glaubt, es sei die Wirklichkeit.“ Das erinnert ein wenig an das Höhlengleichnis von Platon, bei dem die Bewohner der Höhle auch nur Schatten der Wirklichkeit zu sehen bekommen.
Hitchcocks Kunstgriff
François Truffaut habe den Film als einen der besten bezeichnet, informiert der Regisseur. Das liege daran, dass Hitchcock einen Kunstgriff verwendet habe, indem er die subjektive Sicht von Jeff aus seinem Fenster zeige. Und erst in der Mitte des Filmes, wo Hitchcock die Kamera im Hof aufstellt, werde klar, dass die Vision des Mordes als Spiegel von Jeffs Situation zu verstehen ist. „Er hat Angst sich zu binden.“
Corona taucht nicht auf, ist aber präsent
Der Film sei hochaktuell, schätzt Jochen Strodthoff ein. „Corona taucht nicht auf, ist aber präsent, ohne dass wir es erwähnen müssen.“ Er gehe nun einen Schritt mit seiner Inszenierung weiter. Er lasse Truffaut Hitchcock im Innenhof interviewen. Da gebe es eine Komparsenbesprechung, also eine Probensituation.
In einem Münchner Innenhof wird Theater gespielt. Foto: Michael Bischoff
Die Zuschauer aus den Fenstern seien dabei die Stellvertreter der eigentlichen Protagonisten und bekämen auch ihre Regieanweisungen, wie sie es beim Dreh dann zu machen hätten. Bedient wird dabei das übliche Panoptikum der Hausbewohner: Die alleinstehende, vereinsamte Frau; die Frischverliebten; der unverheiratete, allabendlich im Freundeskreis feiernde Musiker und das kinderlose Ehepaar mit Hund.
Zwei Handlungsebenen
So hat „Unsere Fenster zum Hof“ zwei Handlungsebenen, zum einen die Fenster zum Hof, zum anderen die Schauspielerebene im Hof. „Wir springen hin und her“, erklärt Jochen Strodthoff. Und dann macht er neugierig: „Wir haben keine Grace Kelly, aber sie springt hinein und freut sich.“ So bekomme die Inszenierung einen komödiantischen Zug.
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„Wir verbiegen die Wahrheit“, meint er, denn man hole die beiden Altmeister des Films Truffaut und Hitchcock in die Jetztzeit, allerdings habe Hitchcock seinen ersten Film tatsächlich in München gedreht.
Auf diese Weise wird die Inszenierung sowohl ein Remake des Klassikers als auch bestes Mitspieltheater, allerdings bei der Probe. Gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern von Innenhöfen in München-Neuhausen werde jeden Abend woanders gespielt.
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Ziel sei es, die nachbarschaftlichen Verbindungen in einer Hinterhofsituation über den Film herzustellen, sagt Jochen Strodthoff. Die Filmebene überlagere sich dabei mit der realen Ebene, man produziere damit echtes Volkstheater.
Das Problem, dass man nur 30 Zuschauer haben dürfe, werde einfach durch die Zuschauern an den Fenstern gelöst. Das Spannende sei, dass die Bewohner keine Ahnung hätten, was die Filmcrew vorhabe und man sie einfach mitnehme ins Geschehen. „Das ist lebendig und schön, etwa wie bei Fellini“, freut sich der Haushamer.
mit: Wowo Habdank (Alfred Hitchcock), Thorsten Krohn (James Stewart), Wolfi Schlick (Betrunkener Musiker), Georgia Stahl (François Truffaut), Lucca Züchner (Grace Kelly); Regie: Jochen Strodthoff.