Utopie post Corona: Gemeinsam zu neuen Strukturen
Utopie post Corona: So wird Kultur auf der Webseite illustriert. Foto: STMWK
Virtuelles Barcamp
Einen spartenübergreifenden längerfristigen Dialog in Sachen Kultur sollte das Barcamp „Utopie post Corona“ vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst einleiten. Das Zukunftsforum von „anders wachsen“ fand Anerkennung und erhielt auch Impulse von anderen Initiativen.
Ein ganzer Tag sollte Raum geben, um über die Zukunft nachzudenken. „Was wollen wir mitnehmen aus dieser verrückten Zeit?“ fragte Kathrin Zimmer vom Ministerium die etwa 70 Teilnehmenden. Das Barcamp möge dem Kennenlernen und der Vernetzung von Kulturschaffenden dienen und als Keimzelle für die Zukunft wirken. Die Freie Kunst-Szene Bayern des Ministeriums kooperierte bei dieser Veranstaltung mit Bayern kreativ und LEONARDO. Vorausgegangen war 2020 der Runde Tisch:
Runder Tisch-Freie Szene. Foto: STMWK
In fünf Sitzungen zu je zwei bis drei parallelen Sessions konnten sich die Gäste in verschiedenen Räumen ihrer Wahl digital versammeln. Insgesamt 12 Beiträge standen zur Diskussion. Im ersten Durchlauf durfte ich das Zukunftsforum von „anders wachsen“ vorstellen. Das Mitmachprojekt fand bei den Zuhörenden Zustimmung und Anerkennung. Einerseits, so hieß es in der Diskussion, müsse es auf ganz Bayern ausgedehnt werden. Aber andererseits sei die Regionalität die große Chance, dass hier tatsächlich das Prinzip der Teilhabe umgesetzt werden könne. Insbesondere die vorgesehene Einbeziehung der politischen Entscheidungsträger fand großes Lob. Mit Vorschlägen für Vernetzung war die Session auch für uns ein Gewinn.
Zukunftsforum von „anders wachsen“. Grafik: Bérénice Salvan
Im zweiten Teil stellte Mirtan Teichmüller die Frage „Kulturelle Bildung ist relevant, weil…“ Kunst, so führte er aus, begleite den Menschen in der Evolution und sei ein Teil des Menschseins, den man nicht nehmen dürfe. Denn Kunst spreche eine spezielle Sprache, die das Unbewusste berühre. Er rief dazu auf, gegen alle Widerstände dafür zu kämpfen, dass Kultur in der Pandemie nicht auf der Strecke bleibe. Es gibt eine Menge Faktoren, wie Resilienzförderung, Erschließung neuer Lebenswelten, Empathie, Austausch, Wahrnehmungsforschung, die beweisen, dass Kunst und Kultur systemrelevant sind. „Aber wie kann man diese Überzeugung nach draußen bringen?“ fragte Mirtan Teichmüller.
Einladung zu „Utopie post Corona“. Foto: STMWK
Vermarktung von Kunst
„Die Vermarktung der bildenden Kunst neu gedacht!“ war das Thema von Martina Leithenmayr. Die Künstlerin suchte nach Ideen und Konzepten, wie Kunst in der Pandemie dargestellt werden kann. Mit unserem Projekt „Kunst im Schaufenster“ konnte ich zur Diskussion beitragen. Viele andere Ideen, wie Ausstellung in mobilen LKWs, Artwalks, aber auch Storytelling über Kunst wurden diskutiert. Aber nicht nur Ideen seien gefragt, sondern auch neue Strukturen – so kam das Konzept von Genossenschaften zur Sprache.
Freie Kunstszene im Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Foto: STMWK
„Impulse zur neuen Selbstverortung der freien Szene im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Freiheit, gesellschaftlicher Wirksamkeit und Verwertung künstlerischer und kreativer Leistungen“ hieß das umfassende Thema, das Philipp Ernst von der Kreativwerkstatt und Katrin Neoral von der Neuen Jazzschool in München zur Diskussion stellten. Die freie Szene wurde im Plenum so definiert: „diejenigen, die Geld kriegen, wenn Publikum da war“ oder „alles, was nicht öffentlich ist“.
Kunst und Kommerz
Letztlich ging es um die Frage, wie sich die freie Szene in Notlagen definiere, also die Spannung zwischen Kunst und Kommerz. Dabei taucht das Problem auf, dass Förderung nur dann möglich ist, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeit der Kunst gewidmet ist. „Man fällt durch die Förderung, wenn man dazuverdienen muss.“ Die Förderprogramme stellten also eine Selektion dar, wurde kritisiert. Und deshalb müsse man sich zusammenschließen. Der Wunsch nach einer Art Coaching für das Stellen von Förderanträgen wurde laut. Und auch hier wieder kam die Forderung nach Strukturänderung, sprich Bildung von Genossenschaften oder Bedingungsloses Grundeinkommen. Aber es wurde auch kritisiert, dass Kulturschaffende es versäumen, in die Verbände einzutreten.
Digitalisierung kein Ersatz
Im letzten Beitrag forderte Opernsängerin Alexandra Steiner „Back to the roots! Entdigitalisierung ermöglichen, fordern und leben.“ Sie machte sehr deutlich ihrem Unmut über die Situation in der Kultur laut, dass der Stellenwert von Kunst und Kultur von der Politik nicht erkannt werde. Bayern sei ein Baumarktstaat, aber kein Kulturstaat hieß es in der heftig geführten Debatte. Und die Digitalisierung sei eine Entwertung der Kultur und könne keinesfalls Ersatz, sondern höchstens Zusatz sein. Aber es gebe auch eine Bereicherung durch die Digitalisierung, wurde eingewendet, aber „Live ist Live“ kam die Entgegnung. Der Vorschlag „Mutige Leute müssen Künstler in bescheidenem Rahmen engagieren“ wird bereits im Landkreis Miesbach, insbesondere in den Kirchen umgesetzt.