Schönheit und Liebe sind die Nährstoffe für die Seele
Christoph Quarch erläutert sein Wachstumsmodell. Foto: Ines Wagner
Philosophischer Tag in Anderlmühle
„Wachsen – aber richtig“ hatte der Fuldaer Philosoph Christoph Quarch den dritten Seminartag betitelt, den er im Landkreis Miesbach hielt. Die 19 Teilnehmer erhielten nicht nur philosophisches Grundwissen, sondern auch praktisches Rüstzeug.
In Fortsetzung der Konferenz „Anders wachsen – Alternativen für das Oberland“ vom 22. April im Waitzinger Keller Miesbach hatte sich Christoph Quarch ein Thema ausgesucht, das er mit zahlreichen Zitaten aus der Literatur illustrierte. Jeder Teilnehmer suchte sich den ihm gemäßen Text aus, wobei bereits die Kritk am gegenwärtigen ungebändigten Wirtschaftswachstum artikuliert wurde.
Als Quasireligion bezeichnete Quarch das Ziel aller Staaten, durch Wirtschaftswachstum zu Wohlstand zu gelangen. Er widerlegte sowohl den Zusammenhang Wachstum und Wohlstand, wie auch Wachstum und sinkende Arbeitslosigkeit als auch Wachstum und Demokratie und Gerechtigkeit. Hingegen sei Wirtschaftswachstum erkauft durch Wachstum der Schuldenstände und somit sei der Motor die Geldwirtschaft, deren Zins- und Zinseswirtschaft bekanntlich exponentiellen Gesetzen genüge.
Qualitatives Leben mit Maß
Dies gebe es in der Natur nicht und wenn doch, wie beim Krebswachstum, führe es zur Vernichtung. Dass exponentielles Wachstum das Leben bedrohe, habe bereits Aristoteles festgestellt, dessen Thesen allerdings heute im Studium der Betriebswirtschaft nicht mehr gelehrt würden. Der griechische Philosoph habe bereits zwischen Haushaltsführung und Gelderwerb unterschieden und Wucher und Zins als verwerflich angesehen.
Hingegen müsse man sich um ein qualitatives Leben mit Maß bemühen, so wie es die physis vorlebe, die physis, die Quarch als Geschehen, als Prozess der Selbstentfaltung beschrieb, das „Werden zum Sein“, wie Platon sagte oder das „wundersame Geschehen, dass Möglichkeit zur Wirklichkeit wird.“ Dies geschehe maß- und sinnvoll, auch wenn gelegentlich ein Chaos auftrete. Jedes Übermaß indes sei eine Hybris.
Christoph Quarch liest in TOBELs Werkstatt Hölderlin. Foto: Ines Wagner
Das rechte Maß ergebe sich aus der Erkenntnis, dass Leben das Leben mit anderen sei und damit die Grenze des Wachstums der andere. Damit sei ein gelingendes Leben ein solches, das in Harmonie und Einklang mit sich selbst und seiner Umwelt sei. Bei einer Wanderung im Regen an der Mangfall tauschten sich die Teilnehmer zur Frage, was eine große Seele sei, aus und erhielten in der regengeschützten Werkstatt von Bildhauer TOBEL von Christoph Quarch Impulse aus Hölderlins „Hyperion“.
Wachstum in die Tiefe
Was aber ist nun richtiges Wachstum? Christoph Quarch erläurte seine Ideen anhand eines Bildes. Das Ich strebe danach, seinen egoistischen Claim des Habens in der Ebene abzustecken und zu erweitern, stoße dabei aber auf den Zaun des anderen. Seine Potenziale indes liegen in der dritten Dimension, in der Tiefe, hier biete unsere Seele als Organ der Verbundenheit genug Raum für Wachstum, „um zu werden, wie wir sein könnten“. Damit komme es zur Entfaltung von Menschlichkeitspotenzialen.
Was aber spornt an, die Lebendigkeit der Tiefe auszuloten, um im Einklang mit sich und der Umwelt zu leben? Das, so Quarch, sei die Schönheit, die uns den Wink in die richtige Richtung gebe. Aphrodite als Sinnbild der Schönheit trete nun immer mit Eros in Erscheinung. Und wenn wir von diesem per Pfeil getroffen würden, dann würde es uns automatisch zum Schönen, zur voll entfalteten Lebendigkeit hinziehen.
Christoph Quarch: Seelisches Wachsen durch Liebe
Schönheit und Liebe also sind die Kräfte, die uns seelisches Wachstum ermöglichen, sind die Nährstoffe, um alles, was in uns schlummert, zu entdecken, um sich einzulassen auf die Welt. „Der Mensch wird am Du zum Ich“, zitierte Christoph Quarch Martin Buber und lud alle Teilnehmer ein, sich von der Flamme des Eros entfachen zu lassen. Denn nur seelisches Wachstum könne man dem ungebremsten und zerstörerischen Wirtschaftswachstum entgegen setzen.