Wie kann Veränderung gelingen?
Anika Sergel-Kohls und Dr. Rainer Sachs. Foto: Petra Kurbjuhn
Warngauer Dialog
Im dritten Anlauf wurde der „Warngauer Dialog“ zum Thema „Wie kann Veränderung gelingen?“ zu einem überaus erfolgreichen Abend, an dem Anika Sergel-Kohls und Rainer Sachs mit dem Publikum spannende Ideen entwickelten. Die Musik von Dietmar Rexhausen und Jan Čech trug maßgeblich zum Gelingen bei.
Von Anfang an ist Cellist Dietmar Rexhausen der musikalische Begleiter des Formats von „anders wachsen“, das im Jahr 2017 im Altwirtsaal startete und dreimal bis zur Pandemie stattfinden konnte. Dieses Mal hatte er sich den Münchner Pianisten Jan Čech mitgebracht. Das Duo spielte die Sonate in A-Dur von Cesar Franck, eigentlich für Violine und Piano, das Cello aber konnte die wechselnde Stimmung der Komposition von romantisch, lebhaft und leidenschaftlich in ihrem Klangbild besonders gut transportieren.
Jan Čech und Dietmar Rexhausen (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
So startete der Abend mit den beiden ersten Sätzen, leitete nach der Pause mit dem 3. Satz ein und beendete die Veranstaltung mit dem 4. Satz und begeistertem Applaus des zahlreichen Publikums.
„Wie kann Veränderung gelingen?“ Zu dieser Frage waren die evangelische Pfarrerin und theologische Referentin von Regionalbischof Christian Kopp Anika Sergel-Kohls und der Physiker und Risikoforscher Rainer Sachs angetreten. Das Format des Warngauer Dialogs soll Gesprächskultur fördern und zeigen, dass zwei Menschen unterschiedlicher Auffassung trotzdem respektvoll und wertschätzend miteinander reden können.
Anika Sergel-Kohls. Foto: Petra Kurbjuhn
Und so war auch der erste Teil durchaus kontrovers. Anika Sergel-Kohls erzählte anhand von ihren Erfahrungen aus der Landeskirche, dass Veränderung Zeit, Kommunikation und Vertrauen brauche. Rainer Sachs aber entgegnete, indem er ein Wasserglas-Experiment durchführte, dass Veränderung Energie und Orientierung, also das Wissen über mögliche Zukünfte brauche, auch Kompetenzen für das Unvorhersehbare.
Kompetenz für das Unvorhersehbare, das Fallen des Wasserglases. Foto: Petra Kurbjuhn
Als Beispiel führte er an, dass wir uns vor dem Falschen fürchten, etwa hätten Menschen mehr Angst von einem Hai gefressen zu werden als bei einem Radlunfall ums Leben zu kommen. Weltweit aber stürben im Jahr zwei Menschen durch einen Hai, allein Deutschland kämen aber jährlich 372 Menschen bei einem Radlunfall zu Tode.
„Veränderungen führen zu Angst, und Ängste behindern Veränderung. Wir müssen lernen, unsere Ängste wahrzunehmen und damit umzugehen“, konstatierte der Risikoforscher.
Als zweites Beispiel führte er den Klimawandel an. „Die Prognosen sind klar aber es passiert nichts und mit Vertrauen kriegen wir den Klimawandel nicht hin.“ Als die Pfarrerin konterte, dass Vertrauen aber hilfreich sei voranzukommen, meinte der Risikoforscher, dass dann Christen einen nachhaltigeren Lebensstil führen müssten, was nicht bewiesen sei.
Dr. Rainer Sachs. Foto: Petra Kurbjuhn
Andererseits aber musste er einräumen, dass auch die Wissenschaft es nicht schaffe, Veränderungen zu bewegen.
„Politische Entscheidungen sind nötig“, betonte Anika Sergel-Kohls. Um beim Einzelnen Verhaltensänderungen zu bewirken, habe eine Studie gezeigt, dass es funktioniere, wenn der Nachbar damit anfange. Frage aber: Wer macht den Anfang?
Ob es mit finanziellen Anreizen funktioniere, kam eine Frage aus dem Publikum. Nein, er glaube, dass es vielmehr um Haltung als um Geld gehe, meinte Rainer Sachs. Und beide Diskutanten waren sich einig, dass die Grenzen des Wissens durch andere Elemente, wie eben doch Vertrauen, aber auch Poesie und Schönheit überwunden werden können.
Pausendiskussion: Gmunds Bürgermeister Alfons Besel und Andrea Ladewig im Gespräch mit Dr. Josef Fuchs. Foto: Petra Kurbjuhn
In lebhaftem Austausch mit dem Publikum gestaltete sich der zweite Teil des Abends. „Welches Wissen mündet in Handeln?“ „Welche Rolle spielen Routinen?“ „Führen Wiederholungen zur Einsicht?“
Und immer wieder die Gretchenfrage: „Wie fängt man an?“ Und die Feststellung im Kontext Klimawandel: „Die Entscheider stehlen sich aus der Verantwortung, indem die Verantwortung auf den Einzelnen geschoben wird.“
Positive Zielbilder
Ein wichtiger Impuls kam aus dem Publikum: „Wir brauchen positive Zielbilder, um uns auf den Weg zu machen.“ Letztlich also Sehnsucht, Hoffnung, allerdings haben Menschen auch unterschiedliche Ziele.
Publikumsdiskussion. Foto: Petra Kurbjuhn
Ein viel diskutierter Einwurf: „Konsens führt zum Stillstand.“ Als Gegenentwurf wurde das Beispiel der Bienen genannt, die durchaus den Konsens für die Entwicklung brauchen. Anika Sergel-Kohls betonte daraufhin: Für die Veränderung brauchen wir einen Diskurs und der habe, siehe Gleichstellung der Frau, doch schon ordentlich Erfolge gezeitigt.
Diskurs, Beziehung und Kooperation
Veränderung brauche aber neben Diskurs auch Beziehung und Kooperation. Frage also: „Wie gehen wir miteinander um?“
Ein spannender Beitrag: „Dem Menschen fällt es leichter, wenn er verändert wird als sich selbst zu ändern. Es braucht Krisen.“
Paradiese schaffen
Anika Sergel-Kohls schloss mit dem Statement: „Es gibt viele Wege, Menschen zu bewegen. Einer ist Paradising, ein neues kirchliches Narrativ, das sagt: Lasst uns Paradiese schaffen, Schöpfung bewahren reicht nicht.“
Rainer Sachs plädierte dafür, die Vielfalt von Meinungen und Wegen zu schätzen. Bei Lösungen aus der Wissenschaft aber genau hinzuschauen, welche Modelle und Annahmen verwendet wurden.
Moderatorin Monika Ziegler und Anika Sergel-Kohls. Foto: Petra Kurbjuhn
Fazit: Veränderung braucht Zeit, Miteinander, Vertrauen, Wissen, Diskurs, Kooperation, politischen Willen, Routinen und ganz wichtig positive Ziele, Sehnsucht, Schönheit und Paradising.
Ins Paradies entführten Dietmar Rexhausen und Jan Čech das Publikum am Ende des Abends.
Zum Weiterlesen: Was ist Wahrheit?