Generell neigte Veronika HagnRoth schon als Kind zu künstlerischer Tätigkeit, wollte ins Ballett und zum Malunterricht. Aber möglich war nur eines und so lernte sie Geige spielen. Dann kam die Realschule und Veronika wollte dringend in den Kunstzweig wechseln, musste aber im Rechnungswesen bleiben, notgedrungen.

Nach der Schule absolvierte sie eine Ausbildung als Zahntechnikerin. „Das war eine Verlegenheitsentscheidung“, konstatiert sie heute, „aber es hat auch etwas mit Modellieren zu tun“. Und letztlich habe sie handwerklich und was die Behandlung von Materialien anbelangt sehr viel gelernt. Aber nach einigen Jahren Berufspraxis habe ihr sowohl das Kreative als auch das Feedback gefehlt. „Zahn bleibt Zahn“, sagt sie lapidar und einen Kontakt zum Kunden gab es eben auch nicht. Dieser soziale Kontakt war Veronika Roth sehr wichtig und so absolvierte sie ihren ersten Spurwechsel von der Zahntechnik zur Behindertenbetreuerin im Johanneshaus der Regens-Wagner-Stiftung in Erlkam.

„Das hätte ein Lebensberuf sein können“, sagt sie heute. Aber sie wollte nebenbei immer noch künstlerisch im Atelier des Vaters arbeiten, fertigte kleine kunstgewerbliche Dinge wie Hutabzeichen und Gürtelschnallen. Die Arbeit mit den Behinderten aber habe ihr alles abverlangt, „ich wollte alles bieten, was ich geben kann“, und danach sei sie so erschöpft gewesen, dass ihr Kraft und Kreativität fehlten. Also kehrte sie in die Zahntechnik zurück.

Die Wende in ihrem Leben kam nach zwei Almsommern. Als Erfüllung ihres Traumes bezeichnet sie heute die Arbeit auf der Schwarzentennalm, auch wenn sie oft ordentlich hart war. Wie so oft, ging die Wende mit einer privaten Wende einher, eine Beziehung ging in die Brüche. Als ihr der Gmunder Künstler Fabian Diem vorschlug, die Bildhauerschule zu besuchen, fasste sie sich an den Kopf: Natürlich, warum war sie nicht schon eher auf die Idee gekommen? Das war 2005. Veronika Roth bewarb sich und wurde genommen. Erste Erfahrungen hatte sie ja schon längst im Atelier des Vaters sammeln können, der sie an seinen Skulpturen mitarbeiten ließ. „Ich durfte die Ohren machen“, erzählt sie lächelnd. Die großen Skulpturen von Quirin Roth haben immer auch Details, die Veronika modellierte, Thomas Mann in Gmund ebenso wie die Literaten in Rottach-Egern. Am Künstlerstoa in Kreuth war sie sogar mit vier eigenen Reliefs von Josef Oberberger, Thomas Baumgartner, Max Moor und Willy Preetorius vertreten. Vom jahrelangen Zuschauen beim Vater habe sie Anatomie und Faltenwurf gelernt, was ihr auf der Bildhauerschule enorm geholfen habe.

Durch ihr Studium lernte sie auch ihren Partner kennen. Andreas Hagn aus Valley wurde zunächst Mitbewohner, dann Freund und später Ehemann. „Zwei Wochen nach der Prüfung war ich schwanger“, erzählt sie. Sohn Noah ist heute vier Jahre alt. Gemeinsam mit Andreas begann Veronika, die sich jetzt HagnRoth nennt, ihre Baumprojekte. Sie schufen aus großen Baumstämmen Möbel und abstrakte Formen. „Ein wundervolles Miteinander“, beschreibt sie ihre gemeinsame Arbeit. Und dann der Schock, Andreas erkrankt und stirbt mit nur 31 Jahren. Veronika HagnRoth verzweifelt nicht, sondern sie geht aus dieser schweren Zeit gestärkt hervor. „Wenn man so etwas erlebt hat, kann einen nichts mehr umhauen“, sagt sie ernst. Klarheit, Mut und Lebenskraft habe sie gewonnen.

Was die Bildhauerei anbelange, da sei sie nun auf der richtigen Spur angekommen, ist die junge Künstlerin überzeugt. Die Arbeit mit Holz mache ihr große Freude. Und sie ist immer wieder auf Ausstellungen im Tegernseer Tal dabei. Sie möchte auch gern aus dem Norden Münchens wieder in den Landkreis Miesbach zurück kommen, hier, wo sie und Andreas Hagn ihre Wurzeln haben.

Bei Spurwechsler und Bildhauerkollegen Andreas Kuhnlein fragte sie wegen eines Praktikums an und erhielt positiven Bescheid. Das freut sie und lässt sie positiv in die Zukunft schauen. Auch dass sie eine große Holzcouch an eine Firma verkaufen konnte. Aber künftig müsse sie kleinere Möbel gestalten, die sie allein bewältigen könne, meint sie.

Und auf die Alm will sie auch wieder, so lange Noah noch nicht in die Schule geht. Die schwere körperliche Arbeit, die Verantwortung für die Kühe und das Leben in der Natur, all das habe sie geformt, sagt sie. Nach unserem Gespräch gehen wir gemeinsam in die gmundart, wo sie drei Ahornskulpturen ausstellt. Wunderbar glatt geschliffene Oberflächen, die zum Berühren einladen und wunderbar weiche harmonische Formen, die zeigen, dass die Künstlerin auf ihrer richtigen Spur angelangt ist.

Monika Ziegler
Publiziert 27. Mai 2013