Malerei ist mein Mutmacher
Blick aus dem Fenster. Foto: VT
Ausstellung in Holzkirchen
Mit dem ukrainischen Maler Viktor Tertychnyi stellt im Atrium Holzkirchen ein Künstler aus, der über mehrere Umwege zur Kunst und in den Landkreis Miesbach kam. Er bringt uns die Volkskunst der Ukraine nahe und malt jetzt in verschiedenen Stilrichtungen.
Viktor Tertychnyi studierte Maschinenbau und arbeitete sein ganzes Leben lang als Ingenieur in Lugansk in der östlichen Ukraine. An Zeichnen oder Malen dachte er nie. „Ich ging im Jahr 2014 in Rente und in diesem Jahr begann der Krieg“, erzählt er. „Die russische Armee marschierte in Lugansk ein“, er sei mit seiner Frau Olga, einer Konzertpianistin, nach Charkow geflüchtet. Seitdem steht das Gebiet Lugansk unter russischer Protektion.
Viktor Tertychnyi. Foto: MZ
In Charkow habe es ein Zentrum zur Hilfe für Vertriebene gegeben. „Meine Frau und ich besuchten dort Englisch- und Computerkurse“, berichtet Viktor Tertychnyi. Aber in dem Zentrum habe es auch ein Zeichenstudio gegeben und der Lehrer habe ihm empfohlen, es einmal mit dem Zeichnen auszuprobieren.
„Ich habe versucht zu zeichnen und der Lehrer sagte, dass ich gut darin sei und das Zeichnen lernen müsse“, berichtet der ehemalige Maschinenbauingenieur. Er habe dann einen Kurs an der Petrykiwka-Malerei Art School belegt, der von der Verdienten Volkskünstlerin der Ukraine Tamara Vakulenko unterrichtet wurde und belegte bei ihr auch ein Praktikum.
Petrykiwka-Malerei. Foto: MZ
Die Petrykiwka-Malerei ist eine dekorative Maltechnik der Ukraine und wird seit 2013 als immaterielles Kulturerbe der Menschheit von der UNESCO gelistet. Diese Malerei, so erzählt der Ukrainer, erfordere sehr feine Pinsel von den Bauchhaaren von Wildkatzen, da die Motive in feinsten Details gemalt werden. Viktor Tertychnyi stellte seine Werke in Charkow 2017 bis 2021 jährlich unter den Thema „Ukrainische Souvenirs“ aus.
Als am 24. Februar 2022 die zweite Phase des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine begann und Charkow bombardiert wurde, floh das Ehepaar. Die Flucht sei dramatisch gewesen, da die Züge überfüllt waren, sie nur mit großer Mühe überhaupt hineinkamen und auf dem Boden sitzen mussten. Nur mit Rucksack und zwei kleinen Koffern kamen sie in Polen an und konnten dann mit dem Bus weiter nach Deutschland reisen.
Blick in die Ausstellung im Atrium. Foto: MZ
„Unsere beiden Söhne Dimitry und Nikolai haben in Deutschland ihren Universitätsabschluss gemacht und arbeiten jetzt hier auf ihrem Fachgebiet“, erzählen die Eltern. So kamen sie nach Otterfing.
Und es begann der dritte Lebensabschnitt von Viktor Tertychnyi. „Ich begann, andere Themen und Ideen beim Zeichnen zu verfolgen“, sagt er, am liebsten zeichne er Fantasieblumen. Schon 2023 zeigte er seine Arbeiten bei der Otterfinger Kulturwoche. Dort war sowohl die Petrykiwka-Malerei zu sehen als auch neue Arbeiten, insbesondere florale Motive.
Fantasiebilder. Foto: MZ
Auch 2024 nahm der Ukrainer an der Ausstellung zur Otterfinger Kulturwoche teil. Dieses Mal wählte er ein anderes Motiv. „Mir gefällt der Blick aus meinem Fenster auf den zentralen Platz mit Maibaum in Otterfing sehr gut“, erzählt er, deshalb habe er eigens für die Ausstellung den „Blick aus meinem Fenster“ gemalt.
Blüten. Foto: VT
Im Holzkirchner Atrium ist jetzt eine Auswahl seiner Werke zu sehen. Neben einem Beispiel aus der die Petrykiwka-Malerei sind es unterschiedliche Fantasieblumen, einzeln, als Strauß oder auch im Seerosenteich.
Blüte und Seerosen. Foto: VT
Alles Neue sei für ihn interessant, sagt der 71-Jährige, deshalb versuche er sich in verschiedenen Genres und Richtungen. In Otterfing habe er festgestellt, dass die meisten Arbeiten in abstrakter Malweise gefertigt werden. Er sei sehr dankbar, dass er mit seiner Frau hier in das kulturelle Leben von Otterfing integriert sei, Ausstellungen besuchen und in Sicherheit leben könne. „Die Malerei ist mein Mutmacher“, betont er.
Skifahrer. Foto: VT